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Von Lob und Ermutigung

DMZ - Gesellschaft - Patricia Jungo ¦

#mittellaendische

 

„Für Kinder ist es wichtig, viel gelobt zu werden!“ So hören und lesen wir es immer wieder. Stimmt das denn so auch wirklich? Es ist gar nicht einfach sich zurechtzufinden, wenn es um all die verschiedenen Ratschläge, Expertenberichte und Meinungen betreffend Lob geht. Der Mensch hat von Natur aus das Bedürfnis nach Lob und anerkennenden Worten; oft wahrer Balsam für die Seele. Darin sind sich alle einig. Wo die einen jedoch finden, man könne nie genug loben, warnen die anderen vor zu viel Lob und raten zu gezielten Lobesworten im richtigen Moment mit entsprechend passender Formulierung. Die Frage, ob „Lob gleich Lob ist“ oder ob Ermutigung nicht viel früchtetragender ist, wird immer öfter diskutiert. Es lohnt sich also durchaus, dem feinen Unterschied zwischen Lob und Ermutigung etwas auf die Spur zu gehen.

Sei es in der Familie oder in der Schule: Lob erfolgt oft auf bereits erreichten Erfolg, wogegen Ermutigung mehr auf einen Erfolg hinzielt, der erhofft wird. Erhalten Kinder und Jugendliche Lob für ihre geleistete Arbeit, werden sie motiviert, sich auch in Zukunft Mühe zu geben. Wird jedoch ständig gelobt, - so liest und hört man - besteht die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche nur noch für diese Anerkennung arbeiten und Einsatz zeigen. Es kann eine Art „Abhängigkeit“ entstehen sowie das Gefühl aufkommen, nur „etwas wert zu sein“, wenn man in den Augen „des Lobenden“ eine Aufgabe gut erledigt hat. Erziehungsexperten sehen die Gefahr, dass sich die Kinder und Jugendlichen dann stark an den Massstäben von Eltern und Erziehern orientieren, um anerkannt zu werden und sich auch als Erwachsene eher nach den Meinungen und Wertvorstellungen anderer richten. Sollen jedoch das Selbstbewusstsein und das eigene Denken gefördert werden, scheinen Ermutigungen der bessere Weg zu sein. Ermutigt man einen Menschen, so zeigt man ihm, dass er ein Ziel mit seinen eigenen Fähigkeiten erreichen kann, wenn er die Herausforderung annimmt, weiss, wo er Unterstützung findet, diese auch annimmt und sich natürlich entsprechend einsetzt. Ermutigungen helfen Kindern und Jugendlichen über ihre Grenzen hinaus zu wachsen und Dinge zu erreichen, die sie nie für möglich gehalten hätten. Kinder oder Jugendliche fühlen sich durch Ermutigungen weniger beurteilt und frei, den eigenen Weg zu gehen und sich auch selber zu beurteilen. So dürfen sie auch Fehler machen. Lob ist vielfach wertender: „Ihr wart sehr ruhig diese Lektion, bravo!“ oder „Dadurch, dass wir alle so ruhig gearbeitet haben, sind wir ganz toll weitergekommen und jeder konnte ungestört arbeiten, sich Fragen notieren und konzentriert bleiben. Seht ihr, wie gut wir das schon können. Machen wir weiter so!“ Während die Lehrperson im ersten Satz die Klasse lobt, was natürlich auch oft angebracht ist und nichts Falsches an sich hat, ermutigt sie sie im zweiten Beispiel, weiter so gut an einem gesteckten Ziel zu arbeiten. Das Lob tönt wie eine gute Note, die Ermutigung wirkt wie „dynamisches Lob“ und ist sehr aufbauend. Natürlich sind ehrliche Begeisterung und spontanes Lob im richtigen Mass und richtigen Moment immer sinnvoll und gehören in Familie, Schulstube und ins Leben. Lob und Ermutigung können sich bestimmt wertvoll ergänzen. Wie so oft ist wohl der gute Weg der Mittelweg und dieses Thema liesse sich auch unendlich ausbauen. So sollen diese Zeilen weder werten noch urteilen. Sie können einfach ein Anstoss sein, über Lob und Ermutigung nachzudenken; dies als Empfangende oder Gebende. Wenn wir als Eltern und Erzieher stets darauf vertrauen, dass wir intuitiv spüren, wann die Kinder und Jugendliche Lob brauchen und wann eher Ermutigung sinnvoll scheint, begleiten wir sie mit Herz und sind stets auf dem richtigen Weg. In dem Sinne sind Meinungen, Studien und Ratschläge immer interessant; wir dürfen sie annehmen oder auch nicht!