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Gericht entscheidet, dass Koma-Patient am Leben erhalten werden muss

DMZ - GESUNDHEIT / WISSEN - Patricia Jungo ¦

#mittellaendische ¦

 

Der Fall von Vincent Lambert, Frankreichs bekanntestem Wachkoma-Patient, kennt eine überraschende Wendung: Ein französisches Berufungsgericht hat entschieden, dass die lebenserhaltenden Massnahmen für Vincent Lambert wieder aufgenommen werden müssen. Die Behörden wurden demnach angewiesen, alle Massnahmen zu ergreifen, um den Mann am Leben zu erhalten. Das Gericht verwies dabei auf entsprechende Forderungen des Uno-Ausschusses zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen. Der Sender Franceinfo berichtete, dass Ernährung und Flüssigkeitszufuhr nun aufrechterhalten werden müssten. Die Eltern des Wachkoma-Patienten hatten den Ausschuss eingeschaltet, welcher Frankreich aufgefordert hatte, die Entscheidung zu verschieben, bis das Gremium eine Stellungnahme zum Fall ausgearbeitet hat. Frankreich hatte dies mit der Erklärung abgelehnt, die Forderung sei rechtlich nicht bindend. Der Anwalt bezeichnete den Entscheid des Berufungsgerichts als grossen Sieg des Rechts. Die Familie des Patienten ist jedoch gespalten. Ein Neffe Lamberts sprach laut AFP von „Sadismus pur“. Am Montag wurde die Ernährung des 42-Jährigen über Schläuche von den Ärzten der Uniklinik in Reims eingestellt; dies gegen den Widerstand der Eltern, die für das Leben ihres Sohnes bisher erfolglos durch alle Instanzen gegangen waren. Vincent Lambert liegt seit einem Motorradunfall vor etwa zehn Jahren in einer Art Wachkoma. Vincent Sanchez, Chef der Palliativmedizin in Reims, informierte die Familie per Mail über das Einstellen der künstlichen Ernährung Lamberts. Sie präzisierten, er würde tiefgehend und kontinuierlich Beruhigungsmittel bekommen und würde nach Einstellung der lebenserhaltenden Massnahmen wohl innerhalb weniger Tage sterben. Jean Paillot, Anwalt der Eltern, sieht dies als absoluten Skandal, während die Eltern, die sich nicht wirklich von ihrem Sohn verabschieden konnten, die Mediziner „Monster und Nazis“ nannten. Am Montag legten die Eltern eine weitere Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg ein. Diese wurde schon nach wenigen Stunden abgelehnt, da es keine neuen Elemente im Fall gebe. Vincent Lambert ist querschnittsgelähmt und kann nicht mehr sprechen. Laut einem Gutachten dürfte sich sein Zustand nicht verbessern und daher stellten die Ärzte die künstliche Ernährung zunächst ein. Diese berufen sich auf ein Gesetz aus dem Jahre 2016, das besagt, die Behandlung könne beendet werden, wenn sie «unnütz und unverhältnismässig erscheine oder nur dazu diene, das Leben künstlich zu erhalten». Die Eltern sind überzeugte Katholiken und hatten zuletzt die Unterstützung von Präsident Macron erbeten. Dieser wies den Hilferuf mit der Begründung ab, es stehe ihm nicht zu, die Entscheidung der Ärzte aufzuheben und dies sei im Einklang mit den Gesetzen Frankreichs. In der Familie herrscht keine Einigkeit: Lamberts Ehefrau und sechs Brüder und Schwestern befürworten das Ende der lebenserhaltenden Massnahmen und erinnern daran, dass der Patient sich immer gegen eine künstliche Verlängerung seines Lebens ausgesprochen hatte. Rachel Lambert bat am Montag um Schutz und Respekt von Privatsphäre und Würde. Aktive Sterbehilfe ist in Frankreich nicht erlaubt. Man darf also einem Menschen kein tödlich wirkendes Mittel geben. Passive Sterbehilfe, um mit Medikamenten Schmerzen zu lindern und so auch das Sterben zu beschleunigen, ist zulässig.