· 

Schuldenfalle Krankenkasse – Betreibungsämter profitieren

DMZ - SOZIALES - Patricia Jungo ¦

#mittellaendische ¦

 

Häufig zählen Krankenkassenprämien nicht zum Existenzminimum und Betreibungen führen oft in einen Teufelskreis. Die Zahlen sprechen Klartext: 2008 gab es ausstehende Krankenkassenprämien in Höhe von 144 Millionen Franken. 2017 war diese Zahl bereits auf 347 Millionen Franken gestiegen. Die Zahl der Betreibungen nimmt ständig zu. Dabei sind nicht nur die steigenden Prämien schuld. Ein Mechanismus, dem bisher keine Beachtung geschenkt wurde, ist ein weiterer Grund. Yves de Mestral, Zentralvorstand der Schweizer Betreibungsbeamten, hat festgestellt, dass die Krankenkassenprämien bei Lohnpfändungen sehr oft nicht ins Existenzminimum mitgerechnet werden. Für ihn birgt diese Berechnungspraxis aber die Gefahr, dass der Schuldner in einen Teufelskreis gerät, aus dem er nicht mehr herauskommt; es folgen neue Betreibungen und die Anhäufung von Schulden. Grundlage dieser Berechnungspraxis stellt ein Urteil des Bundesgerichts dar. Dabei werden auch lebensnotwendige Ausgaben nicht zum Existenzminimum gezählt, wenn jemand sie in der Vergangenheit nicht zuverlässig bezahlt hat. Bei Eintreiben der ausstehenden Prämien sind die Krankenkassen sehr schnell und zuverlässig, was die in die Höhe schnellende Zahl der Betreibungen erklärt. Diese wiederum treiben auch die Umsätze der Betreibungsämter in die Höhe. Zu eigentlichen Profitzentren wurden diese Ämter insbesondere in der Westschweiz und im Kanton Bern. Seit einer grossen Reform 2010 machen die Betreibungsämter im Kanton Bern mit den Gebühren immer grössere Gewinne. So sind die Erträge von 6.8 auf 17 Millionen Franken gewachsen. Für Evi Allemann, Berner Justizdirektorin, ist dieser Zustand unhaltbar. Sie sagte gegenüber der Rundschau, dies sei politisch nicht gewollt und Gebühren dürften nur kostendeckend sein und nicht zu Gewinn führen. Sie sieht jedoch die Verantwortung für das Problem primär nicht in ihrem eigenen Departement und ist überzeugt, dass das Grundproblem der steigenden Krankenkassenprämien nicht lösbar ist, indem man bei den Betreibungen ansetzt. Sie setzt auf die beschlossene Prämienverbilligung zur Linderung des Problems. Yves de Mestral wiederum hat als Präsident der Betreibungsämter der Stadt Zürich ein Pilotprojekt angestossen. Dabei bezahlen die Betreibungsämter anstelle der Schuldner die laufenden Krankenkassenprämien aus dem gepfändeten Geld. Er fügt bei, dass das Bundesgericht den Behörden diesen Ermessensspielraum lasse. Das Ziel sei, dass es wegen der Lohnpfändung nicht mehr bei unbezahlten Prämien bleibe. Es gelte, den Teufelskreis von Pfändung und neuer Betreibung wegen der Pfändung zu durchbrechen, näher am Schuldner zu sein und ihn aufzuklären. Falls dies gelinge, könnte das Beispiel durchaus Schule machen.