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Hilfe für Opfer von Justizirrtümern

DMZ - GESELLSCHAFT / LEBEN ¦

Patricia Jungo ¦

#mittelländische

 

Menschen, welche für Taten verurteilt werden, die sie gar nicht begangen haben, sollen kostenlose Hilfe bekommen. In der Romandie bietet eine neu gegründete Organisation Opfern dieser Justizirrtümer solche Hilfe kostenfrei an. Das sechsköpfige Komitee der Vereinigung Projet Innocence Suisse, bestehend aus drei Anwältinnen und Anwälten sowie drei Rechtsprofessoren- und Professorinnen, hat am Donnerstag in Genf ihr Projekt in den Medien präsentiert. Die Gründer haben sich von der bekannten US-Organisation Innocence Project leiten lassen, mit deren Hilfe sehr viele zu Unrecht verurteilte Menschen freigesprochen wurden. André Kuhn, Professor an den Universitäten Neuenburg und Genf betont, die Justiz sei nicht ohne Fehler und um einen Fall wieder aufzunehmen und die Vereinigung ergänzt, es brauche grosse Ressourcen, die in sehr vielen Fällen bei den Betroffenen und ihren Familien nicht vorhanden seien. Die Hilfe der Vereinigung kann von Menschen in der gesamten Schweiz in Anspruch genommen werden. Sobald ein Urteil auch rechtskräftig ist, gilt im Normalfall die Arbeit der Anwälte als abgeschlossen. Der Verband interveniert dann in dieser Phase, wenn alle anderen Beschwerdemöglichkeiten vollends ausgeschöpft sind. Gegen rechtskräftige Urteile ist die Revision das ausserordentliche Rechtsmittel. Projet Innocence Suisse bearbeitet selber keine solchen Revisionsanträge, bietet aber möglichen Opfern von Fehlurteilen Unterstützung. Auf der Internetseite der Vereinigung können Personen, die denken, Opfer einer falschen Verurteilung zu sein, das entsprechende Formular abrufen. Projet Innocence Suisse wird zuerst die Aussichten auf Erfolg für ein Revisionsgesuch prüfen. Anschliessend machen sich Jus-Studenten an den Universitäten auf die Suche nach neuen Beweismitteln und Fakten im besagten Fall. Laut Nathalie Dongois, Rechtsprofessorin an der Universität Lausanne und Mitglied des Komitees sind mögliche Gründe für eine Revision Falschaussagen oder fehlerhafte Gutachten. Die Anwälte der verurteilten Personen werden anschliessend über alle Ergebnisse dieser Abklärungen in Kenntnis gesetzt, welche auch für einen Revisionsauftrag verwendet werden können. Jean-Marc Carnicé, Rechtsanwalt und Mitgründer der Organisation betont dabei, dass es nicht um neue Mandate gehe und man auch keine Revisionsgesuche bearbeite. Damit ein Verfahren wieder aufgenommen wird, braucht es neue Fakten oder Beweise, welche zu einem Freispruch, einer wesentlich milderen oder strengeren Bestrafung der verurteilten Person oder einer Verurteilung der freigesprochenen Person führen können. Ein Bericht des Schweizerischen Nationalfonds über Fehlurteile in der Schweiz aus dem Jahr 2007 zeigt auf, dass zwischen 1995 und 2004 237 Revisionsgesuche als zulässig erachtet wurden. Der Präsident der Schweizer Vereinigung, der Genfer Anwalt Guglielmo Palumbo, war 2016 in den USA für Innocence Project tätig gewesen. Dank dieser Organisation wurden gemäss eigenen Angaben bis heute 363 Menschen nach einer irrtümlichen Verurteilung freigesprochen worden. Davon warteten 20 in der Zelle auf die Todesstrafe. Die wirklichen Täter wurden in 158 Fällen ausfindig gemacht.

 

Quelle: Bluewin news