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Extremsport - Was treibt den Menschen in diese Verzweiflung ?

DMZ - SPORT ¦

#mittellaendische ¦

 

Keine Höhle zu gefährlich, kein Berg zu hoch, kein Sprung spannend genug, keine Wand zu steil, keine Schlucht zu tief. Warum sucht der Mensch das extreme Erlebnis, den Kick?

Es ist nichts als Eigenliebe. Das Extreme ist das Futter seiner Seele und purer Egoismus.

Unter Spitzen- und Extremsportlern gibt es mehr krankhafte Narzissten als im Rest der Bevölkerung, sagt der Psychiater Hans-Joachim Maaz. Sie besässen ein Minderwertigkeitsgefühl. 

Sie düsen über Wohngebiete, springen aus Flugzeugen und Hubschraubern, von Türmen, Kränen und von Klippen. Sie durchqueren Täler und Cañons. Sie tauchen, schwimmen, paddeln und rudern. Sie besteigen Wände, Hochhäuser, Bäume, Berge und Massive. Sie laufen zum Nordpol, zum Südpol, von Marathon bis nach Athen, durch die Wüsten der Welt - radeln um die ganze Welt u.v.m.

Für manche ist es Hobby, Freizeitvergnügen, für andere Sport und Passion.

Viele brauchen es für Ihren Erfolg. Wieder andere machen es sich zum Beruf. Und es gibt welche, die schreiben darüber Bücher und machen es zur Philosophie. Was fehlt all diesen Menschen? Warum suchen Sie den Thrill - das extreme Erlebnis?

"Wenn ein Mensch sagen kann: Ich weiss, wer ich bin, was ich kann, was ich gut kann, aber ich weiss eben auch, was ich nicht so gut kann und wo meine Grenzen liegen, dann ist das eine gesunde Form von Narzissmus. Das ist völlig normal. Der krankhafte Narzisst besitzt aber eine innere Unsicherheit, ein Minderwertigkeitsgefühl. Er ist immer in Gefahr, betont gut zu sein, leistungsstark zu sein, erfolgreich zu sein. Erfolg, Macht oder Anerkennung müssen die fehlende innere Befriedigung ausgleichen. Er braucht immer mehr davon." erklärt Maaz.

 

Der Mensch ist als ein soziales Wesen in seinem Verhalten, Fühlen und Denken nie unabhängig von seiner Umwelt zu verstehen. Fragen wir uns nun: Was bringt das Extremerlebnis der Gemeinschaft?

Eigentlich gar nichts. Es ist Eigenliebe - Narzissmus. Ein uraltes menschliches Phänomen greift um sich, bewegt und erregt die Gemüter. Selbstbezogen, abgewandt und fern der sozialen Realität versucht der Narzisst im Thrillerlebnis seine Sehnsucht nach grenzenloser Freiheit auszuleben. Der Alltag, das Gewöhnliche, das Mittelmass reichen ihm nicht. Er strebt nach Höherem. Im Extremen, ja da hat er das Gefühl des Besonderen, da erhält er das Futter, welches seine gequälte Seele braucht.

 

Es ist eine vor allem eine Sucht

Wir haben es hier nicht nur mit Geltungsdrang zu tun. Nicht des Publikums, nicht der hysterischen Inszenierung wegen, rennt, katapultiert, segelt, fliegt, springt, taucht, düst der Extremsportler dahin. Es geht auch um seine innere Befriedigung. Die Aussenwelt wird dabei komplett ausgeblendet. Es zählt nur das Ich. Es ist der reine Genuss, der im Dienste des eigenen Selbst gesucht wird. Eine Sucht und psychische Abhängigkeit. Meist leiden die Betroffenen, wenn sie Ihren Thrill nicht bekommen. Besteht bei den “Betroffenen“ erstens ein ständiger anhaltender Wunsch und Drang dem Thrillerlebnis nachzugehen, wird zweitens viel Zeit für Aktivitäten rund um das “Hobby“ verbracht und werden drittens wichtige soziale, berufliche oder andere Freizeitaktivitäten aufgegeben, dann kann sich eine Sucht entwickelt haben. Die Suche nach extremen Erfahrungen, die auf maximalen Lustgewinn ausgerichtet sind stehen im Vordergrund.

 

Weiter, höher, länger, extremer. Alles für immer neue und mehr „Glückshormone“. 

Verschiedene Untersuchungen und Befragungen bestätigen daneben die Endorphintheorie. Beim Menschen wird während des Thrillerlebnisses eine hohe Menge an “Glückshormonen“ (körpereigenen Endorphinen) ausgeschüttet. So erklärt sich auf körperlicher Ebene die oft beschriebene euphorisierende Wirkung während und nach dem Thrill. Wiederholen sich diese Prozesse in regelmässigem Abstand, dann kann sich der Körper daran gewöhnen und verlangt nach mehr “Glückshormonen“. Dann wäre im klassischen Sinne sogar eine körperliche Abhängigkeit entstanden und erklärbar.

 

Aber sicherlich würde es zu weit gehen, alle Menschen, die Thrill-Erlebnisse suchen, als süchtig zu bezeichnen und sehe man in naher Zukunft Heerscharen von Thrill-Junkies die Entzugsstationen unserer Kliniken belagern. Man darf auch nicht vergessen, dass - bei aller Lust nach Sensation - doch bis jetzt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung dem besagtem Thrill nachjagt. Süchtige Anteile gehören zur menschlichen Existenz, wie auch ein Leben ohne Krankheit utopisch wäre.

 

Man sollte sich nicht über geeignete Therapien Gedanken machen, sondern über vorbeugende, gesellschaftliche Massnahmen. Warum ist “normal sein“ heute so uncool und out? Wieso nimmt die Anzahl von Singles immer mehr zu. Oder welchen Stellenwert haben Kinder und Familie? Sehen wir nur noch uns selbst? Welche Werte transportiert eine Gesellschaft in der Egozentrismus und Genusssucht stetig zunehmen?

Das Phänomen ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Wir leben in einer Medienwelt - Postmoderne, New age und everything goes. Das mediale Angebot bestimmt unseren Alltag. Werte werden zunehmend weniger von realen Persönlichkeiten als über die Massenmedien, Fernsehen und Internet vermittelt. Welcher normale Mensch in einem funktionierendem Sozialsystem käme denn von selbst auf die Idee, sich an einem Gummiseil in die Tiefe zu stürzen oder sich mit 10 Fremden in einen kalten Container einschliessen zu lassen.

Oberflächlichkeit und Exibitionismus greifen rasant um sich, im Dienste von Egomanie und Selbstsucht. Medien und virtuelle Welten schaffen Wirklichkeiten. Lässt sich der Thrill noch steigern? Was kommt als nächstes auf uns zu?

Spass muss sein und die zunehmende Freizeitgesellschaft benötigt neue Lebensformen, das ist klar. Wo sind aber die Werte, für die es sich auch für zukünftige Generationen lohnt zu leben. Wie können wir es schaffen, die existentiellen und lebensnahen Fragen unserer Zeit wieder so in den Vordergrund zu stellen, dass Energien von hochqualifizierten Menschen nicht einfach im Sensationseeking und Thrill narzisstisch verpuffen, sondern für sinnhafte, nützliche und generationsübergreifenden Projekte eingesetzt werden?