· 

Mitnahme von Abfall - Die Angst der Recyclinghöfe

DMZ - POLITIK / UMWELT ¦

Patricia Jungo ¦

#mittelländische ¦

 

In einer Bündner Gemeinde stossen sich Anwohner daran, dass die Mitnahme von Gegenständen aus dem Recylinghof neu verboten ist. Eine Bewohnerin der Gemeinde St. Moritz wurde belehrt und auf das neue Verbot, Gegenstände aus dem Recylinghof mitzunehmen, hingewiesen, als sie auf dem Entsorgungshof der Gemeinde 30 Paar; zum Teil fast neue Krücken; für ein Hilfsprojekt mitnehmen wollte. Die Frau versteht die absurde und gar nicht umweltfreundliche Haltung der Gemeinde nicht, da es früher problemlos möglich war, Gegenstände mitzunehmen und man auf die entsprechende Frage jeweils ein lockeres „Ja“ zur Antwort bekam. Als Begründung brachte St. Moritz „Sicherheit“ an. Man wolle vermeiden, dass auch gefährliche Gegenstände mitgeführt würden und auch das Risiko von Klagen nicht eingehen. Die Realität zeige, dass die Hemmschwelle jemanden zu verklagen in den vergangenen Jahren stetig gesunken sei. Klar ausgedrückt heisst die, dass die Bündner Gemeinde Angst hat vor eventuellen Klagen, falls eine Krücke brechen sollte. Verschiedene Branchenorganisationen sind der Meinung, dass der Erfolg solcher Klagen wegen eines Unfalls mit einem mitgenommenen Gegenstand zwar sehr unwahrscheinlich, aber eben nicht unmöglich seien. Es werde heute halt auch einfach probiert und sie könnten die strikte Haltung der St. Moritzer Gemeinde von diesem Standpunkt aus betrachtet, auch verstehen. Ob bei anderen der etwa 1000 Entsorgungshöfe in der Schweiz auch solche Verbote bestehen, ist nicht bekannt. Indes zeigt die Stadt Uster, dass es auch ohne Verbot geht: Beim Muldengut, bei den Büchern und beim Metallbau findet man dort „Stöberecken“. Die Einwohner dürfen demnach Bücher, alter Teller, Leitern, Kindervelos oder auch Krücken dort deponieren. Dies ist aber kein Zwang. Hingegen gehören per Gesetz gebrauchte elektronische Geräte nicht in solche Stöberecken. Auch die Stadt Zug hat ihr Modell: Angegliedert an den Entsorgungshof ist ein Brockenhaus. Am Broki-Schalter kann man Dinge entsorgen. Besteht dort kein Interesse, geht es ein paar Meter weiter zum Schalter des Recyclinghofs. Ein Verantwortlicher zeigt auf, dass dies für alle Vorteile birgt. Im Brocki stehen laufend neue Waren, die auch nicht abgeholt werden müssen. Gewisse Dinge bekommen dort nochmals ein neues Leben geschenkt. Diese positiven Beispiele zeigen, dass es andere, auch gut durchdachte Lösungen gibt als strikte Verbote. Grundlegend ist es, diese Gegenstände zugänglich zu machen und den Rahmen dafür festzulegen. Damit ist allen gedient; den Menschen und auch der Umwelt. Angst vor Klagen kann ein Grund sein, nichts zu tun. Aber dies hemmt wohl eher die Schritte in die Richtung, die wir anstreben sollten. Wenn juristische Motivationen ständig sinn- und wertvollen Initiativen den Riegel schieben, bewegen wir uns an Ort und Stelle.