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SBB überhört die Meinung der Behörden und möchte Glyphosat ersetzen

DMZ - POLITIK / UMWELT ¦

Marco Perroulaz ¦

#mittellaendische ¦

 

Einen entscheidenden Schritt in Richtung Verbannung von Glyphosat möchte die SBB entgegen der Meinung unserer Regierung und der Zulassungsbehörden tun. Während man sich dort nämlich bemüht, die Problematik herunterzuspielen, testen die SBB Alternativen zum Einsatz von Glyphosat. Solche sind schon lange bekannt, die hierfür entlang der Schiene bestgeeigneten werden nunmehr getestet und geprüft.

Um die Sicherheit des Bahnbetriebes zu gewährleisten, ist die SBB gezwungen, die Vegetation im Bereich ihrer mehr als 7600 Gleiskilometer laufend zu kontrollieren und zu regulieren. Damit diese unabdingbaren Arbeiten so umweltschonend wie möglich ausgeführt werden können, prüft die SBB nun mögliche Alternativen zum bisher eingesetzten, zur Bekämpfung von Unkraut im Bereich von Bahnanlagen einzigen zugelassenen Wirkstoff, dem Herbizid Glyphosat.

 

Die SBB setzt dieses so zurückhaltend und umsichtig wie möglich ein: Die Bekämpfung von Pflanzen im Gleisbereich geschieht zu Fuss und mit optimierten Geräten, deren Spritzdüsen nahe am Boden geführt werden. Auf diese Weise wird das Unkraut gezielt beseitigt, der Verbrauch an Glyphosat tief gehalten und eine Abdrift des Herbizides vermieden. Im internationalen Vergleich mit anderen Bahnen verbraucht die SBB pro Gleiskilometer rund 50 Prozent weniger Glyphosat. Mit einem Anteil von unter 2 Prozent an der schweizweit verkauften Menge an Glyphosat ist die SBB zudem eine vergleichsweise kleine Verbraucherin. Und trotzdem geht es um den Verzicht auf rund 5500 Liter Glyphosat. Pro Jahr. Und nun ist das Ziel gesteckt: Bis 2025 soll auf dessen Einsatz im Fahrbahnbereich verzichtet und das Unkraut mit alternativen, umweltverträglicheren Methoden bekämpft werden. Dies wäre auch in der Landwirtschaft möglich mittels Flamme, Hitze oder Wasserdampf. Doch solange Glyphosat legal und billig ist, hat niemand Interesse an einer dahingehenden Veränderung.

 

Aufgrund der Vielfalt der natürlichen und baulichen Gegebenheiten entlang der Bahnstrecken wird ab 2025 nicht nur eine Lösung zum Einsatz kommen, weshalb die SBB derzeit verschiedene Methoden testet. Die Versuche - Projekt »Alternative Herbizide« - laufen seit Anfang 2018 in enger Abstimmung mit anderen Bahnen und dem BAV und werden sich über einige Jahre ziehen, wobei die verschiedenen Methoden zur Bekämpfung von Unkraut nach ökologischen und ökonomischen Kriterien evaluiert werden.

 

Eine der vielversprechendsten alternativen Methoden ist der Einsatz eines Heisswasserspritzfahrzeuges, das heute bei Olten den Medien vorgestellt wurde. Die SBB hat in den vergangenen Monaten ein Versuchsfahrzeug entwickelt, welches über einen Sensor für die Pflanzenerkennung verfügt und zur Vernichtung unerwünschter Pflanzen gezielt Heisswasser spritzt. Im Rahmen eines Pilotprojektes hat das Heisswasserspritzfahrzeug die ersten Testfahrten bereits absolviert. Ab August werden mit dem Heisswasserspritzfahrzeug weitere Testfahrten durchgeführt. Die Testfahrten sollen Aufschluss darüber geben, ob sich die Methode technisch und betrieblich bewährt. Parallel dazu wurden folgende Methoden vertieft geprüft und werden in den kommenden Jahren getestet:

  • Aufwuchshemmende Materialien: Mögliche bauliche Massnahmen zur Reduktion des Pflanzenwachstums. 20 Möglichkeiten wurden geprüft, 6 davon werden weiterverfolgt und ab 2020 eingebaut und überwacht.
  • Grüner Teppich: Gezielter Einsatz von Bodenbedeckungspflanzen, um das Wachstum von schädlichem Unkraut im Randbereich zu verhindern. Mögliche Saatmischungen wurden bestimmt und bereits angesät. Zusammenarbeit mit der SNCF, welche ein ähnliches Projekt verfolgt.
  • Robotik: Eine Machbarkeitsstudie stuft den Einsatz von Robotern zur autonomen Vegetationsbekämpfung als realistisch ein. Diese Methode birgt jedoch enorm hohe technologische Herausforderungen und finanzielle Unbekannte. Der Ansatz wird weiterverfolgt, eine funktionierende operative Lösung steht jedoch nach heutigem Kenntnisstand frühestens ab 2025 zur Verfügung.
  • (Bio-)Herbizide: Auch der Einsatz alternativer Stoffe wird geprüft. Sollten chemische Stoffe – egal ob biologischen Ursprungs oder nicht – zum Einsatz kommen, so ist deren Umweltverträglichkeit bezüglich Grundwasserschutz nachzuweisen.

Im Vorfeld zur Neuzulassung von Glyphosat in der EU machte das Umweltinstitut München im Herbst 2017 aufmerksam auf einen Bericht im britischen »The Guardian« und weitere Medien. Demzufolge hat das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) signifikante Teile seiner Berichtes über Glyphosat aus dem Zulassungsantrag von Monsanto übernommen.

 

Die europäischen Behörden, die üblicherweise ihre Entscheide nicht auf Basis eines Werbetextes fällen, definierten folgernd, dass Glyphosat wahrscheinlich keine krebserzeugende, fruchtbarkeitsschädigende und DNA-schädigende Wirkung habe. Mit der bekannten Auswirkung einer neuerlichen Zulassung für weitere fünf Jahre.

Es ist zu befürchten, dass diese Grundlage auch wiederum zum (falschen) Entscheid in Bundesbern geführt hat.

 

Mit der ‚Pestizid-Initiative‘ und der ‚Trinkwasser-Initiative’ sollen im nächsten Jahr gleich zwei Vorlagen an der Urne ausgefochten werden. Zu hoffen bleibt, dass sie das schaffen, was die Politik schon lange verschlafen hat: Die Weichen richtig stellen und Pestizide vollständig von Schweizer Äckern verbannen. Denn es wird immer schlimmer. Rückstände von Pestiziden, v.a. Glyphosat, lassen sich mittlerweile überall nachweisen.

Zwar wiegelt das BAFU (Bundesamt für Umwelt) ab, diese Stoffe seien in Gewässern «verhältnismässig wenig toxisch». Die erhöhten Grenzwerte seien zudem wissenschaftlich und orientierten sich an internationalen Standards. Im internen Bericht soll weiter zu lesen sein, dass der Schutz empfindlicher Pflanzen, Lebewesen und Mikroorganismen gewährleistet sei.

 

Das ETH-Wasserforschungsinstitut jedoch hat unlängst im Landwirtschaftsgebiet eine starke Belastung von Bächen mit Herbiziden, Fungiziden und Insektiziden nachgewiesen. Und Forscher aus Lausanne fanden diese sogar auf Bioäckern und ökologischen Ausgleichsflächen. Dass Glyphosat im Grundwasser, im Bier und selbst im Urin nachweisbar sind, ist auch schon länger bekannt.

Dass der Einsatz von Herbiziden negative Auswirkungen auf die Umwelt hat, ist auch nach Meinung der SBB nicht von der Hand zu weisen. Die Internationale Agentur für Krebsforschung bezeichnete das Pflanzengift schon vor Jahren als »wahrscheinlich krebserregend für Menschen«. Und was tut die Regierung? Sie folgt dem Beispiel der EU wie in so vielen Dingen, setzt aber um sicher zu gehen den Grenzwert um ein hundertfaches höher an. Und sie lehnt die diesbezüglichen Initiativen ab.