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Noch längst nicht alle Fassungen von Wasserkraftwerken renaturiert

Foto: J. Brändle
Foto: J. Brändle

DMZ - GESELLSCHAFT / LEBEN ¦

Marco Perroulaz ¦

#mittellaendische ¦

 

Eigentlich wurde die Bedeutung ausreichender Restwassermengen in der Schweiz bereits in den 1970-er Jahren erkannt. Und 1975 wurde sogar in der Bundesverfassung niedergeschrieben, dass der Bund für angemessene Restwassermengen zu sorgen hat. Zudem hielt das Parlament die Pflicht zu genügend Restwasser bei Fassungen von Wasserkraftwerken im Jubiläumsjahr der Eidgenossenschaft 1991 im Gewässerschutzgesetz GSchG fest. In der Volksabstimmung im Mai 1992 wurde das auch an der Urne mit einem deutlichen Ja-Mehr bekräftigt. Die Restwassersanierung bestehender Anlagen hätte in der Folge ursprünglich bis 2007 und nach Verlängerung der Frist um fünf Jahre bis spätestens 2012 abgeschlossen werden müssen.

Die letzte Umfrage des BAFU (Bundesamt für Umwelt) bei den Kantonen ergab allerdings, dass Ende 2018, also noch einmal sechs Jahre später, erst achthundertsiebzig von rund tausend Fassungen tatsächlich saniert waren. Konsequenzen hat das nicht. Ausser für die Natur, welche nicht erst seit den Hitzesommern teils extrem unter Wassermangel leidet.

Klar, die Nutzung der Wasserkraft ist hierzuland eine jahrhundertealte Tradition. Und bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts begann man auch mit der Nutzung der Wasserkraft zur Stromproduktion. Heute ist das Potential nahezu ausgeschöpft, 95% der dafür geeigneten Flüsse und Bäche werden ausgebeutet. Landesweit wird in über 1300 Wasserkraftanlagen rund 57% der inländischen Stromproduktion generiert. Wasserkraftwerke stellen somit weit vor den überfälligen AKWs die bedeutendste Stromquelle der Schweiz dar.

Energie aus Wasserkraft hat klare ökologische Vorteile: Sie ist erneuerbar und klimafreundlich. Aber sie hat leider auch negative Auswirkungen auf die Gewässer. Sie benötigt Wasserfassungen und Staumauern, welche für Fische und andere Lebewesen Hindernisse darstellen und Gesteinsmaterial, Geschiebe, zurückhalten. Tradition hin und Energieeffizienz her, es hindert uns niemand, es besser zu machen.

Wasserentnahmen verändern das Landschaftsbild und den Lebensraum für aquatische Tiere und Pflanzen. Häufig ist auch deren Vernetzung nicht mehr gewährleistet und die Populationen gefährdet. Und infolge Abflussschwankungen stranden Gewässerlebewesen oft auf vorübergehend trockenen Kiesbänken. Der Lebensraum zahlreicher Tiere und Pflanzen steht und fällt mit einer ausreichenden Restwassermenge. Bereits sind etwa 18% der Lebensformen, die unmittelbar auf Gewässer angewiesen sind, vom Aussterben bedroht, 4% schon ausgestorben.

Der Druck auf die Gewässer und ihre unterschiedlichen Lebensräume wird in Zukunft weiter zunehmen. Einerseits im Hinblick auf den Klimawandel, der uns in den Sommermonaten künftig weniger Niederschlag beschert. Andererseits auch durch die schweizerische Energiepolitik, welche im Rahmen der Energiewende mit allen bekannten Konsequenzen darauf abzielt, die Stromproduktion aus Wasserkraft bis 2050 sogar um ca. 6% zu erhöhen. Heute sind aber noch nicht einmal die seit bald drei Jahrzehnten bestehenden gesetzlichen Vorgaben wenigstens weitestgehend umgesetzt. Quo vadis?

 

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https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wasser/dossiers/restwasser.html

 

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