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Spitex – Kürzung der Pflegebeiträge

DMZ – GESUNDHEIT/POLITIK ¦

Patricia Jungo ¦

#mittelländische ¦

 

Bundesrat Alain Berset und sein Departement haben diese Woche mit einer Verordnung die Kassenbeiträge an die Pflege neu fixiert. Demzufolge müssen die Versicherer ab 2020 ihre Beiträge für Patienten in Heimen um 6,7 Prozent erhöhen. An die Spitex-Pflege zu Hause müssen sie im Gegenzug aber 3,6 Prozent weniger bezahlen. Für die Kassen bedeutet dies unter dem Strich Mehrkosten von 83 Millionen Franken pro Jahr. Die Spitex-Dienste müssen mit Ausfällen von 32 Millionen Franken im Jahr rechnen, während die Beiträge der Kassen an die Heimpflege um 115 Millionen steigen. Diese Umverteilung basiert auf einer von Bersets Departement im letzten Jahr erstellten Kostenbilanz. Laut der politischen Vorgabe bei der Einführung der neuen Pflegefinanzierung von 2011 sollte die Kostenbeteiligung der obligatorischen Krankenversicherung für Pflegeheime und auch die Spitex stabil bleiben. Eine Überprüfung zeigte ein anderes Bild: Die Pflegeheime bekommen von den Kassen jährlich 115 Millionen zu wenig und die ambulanten Pflegedienste 32 Millionen zu viel. Die veröffentlichte Bilanz hätte für die Spitex-Dienste ein Zeichen sein sollen. Sie dachten aber nicht mehr an eine isolierte Tarifkorrektur, da die Finanzierung der Pflege nach einem Gerichtsentscheid zur Bezahlung von Pflegematerial eine Gesamtüberprüfung erfährt. So wurde 2017 vom Bundesverwaltungsgericht beschlossen, dass Kosten für Pflegematerial wie Verbände, Schläuche und Geräte den Krankenkassen nicht mehr separat in Rechnung gestellt werden dürfen. Die Gesetzesänderung, die Bersets Departement auf Druck des Parlaments nun erarbeitet, will erreichen, dass die Verrechnung des Pflegematerials an die Kassen wieder möglich ist. Auch die Anpassung der Kassenbeiträge an die steigenden Pflegekosten wird analysiert. Michael Jordi, Zentralsekretär der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren sagt, dass die Kantone wegen all dieser offenen Fragen in Sachen Finanzierung in keiner Weise damit gerechnet hätten, dass Bersets Departement die Spitex-Beiträge wirklich kürze. Für ihn sei dies ein seltsames Signal des Departements. Er sieht viel mehr die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen, auch im Pflegebereich, als richtigen Schritt. Im Grunde genommen sollten die Kantone über die jährliche Entlastung von 83 Millionen erfreut sein. Daher hält Bersets Departement das Einspringen der Kantone bei den Spitex-Kosten für wahrscheinlich. Ob dies wirklich so eintreten wird, steht noch offen. Laut Gesetz müssten Kantone und Gemeinden die ungedeckten Restkosten für die ambulante und stationäre Pflege übernehmen. Tatsache ist, dass es schwierig sein wird, dass alle Kantone bis Ende Jahr geklärt haben, wer für die Kürzungen bei der Spitex aufkommt. Jeder Kanton hat für die Restkostenübernahme eine unterschiedliche Regelung und teilweise liegt die Zuständigkeit auch bei den Gemeinden. Für Yvonne Ribi vom Berufsverband der Pflegefachleute ist diese Beitragskürzung ein wahrer Schlag ins Gesicht der Pflegefachpersonen, die freiberuflich oder in der Spitex jeden Tag die dringend gebrauchten Pflegeleistungen sicherstellen. Kostendeckende Arbeit in der ambulanten Pflege sei jetzt schon mit den geltenden Kassenbeiträgen kaum mehr möglich. Nun werde sich die Situation noch zuspitzen. Das Departement verabschiede das kurz vor der Sommerpause. Indes sei der indirekte Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative in der Vernehmlassung und das Pflegematerial werde immer noch nicht bezahlt. Für den Dachverband der Spitex ist Bersets Vorgehen irritierend und Marianne Pfister, Geschäftsführerin von Spitex Schweiz bezeichnet die Kürzung als Widerspruch zum Bestreben, die Menschen nach Möglichkeit zu Hause und nicht im Pflegeheim zu betreuen. Für sie ist es auch nicht nachvollziehbar, dass der Entscheid vom Departement isoliert gefällt wurde und nicht eine Gesamtanalyse zur Finanzierung der ambulanten Pflege gemacht wurde. Warum die Prämienzahler zusätzliche Kosten von 83 Millionen übernehmen sollen, versteht der Kassenverband Santé-suisse laut Aussage von Sprecher Matthias Müller, gar nicht. Er sagt, dadurch würden ja auch die Pflegebedürftigen stärker belastet. 

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