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Wo ich bin ist oben - Jürgen Möllemann

DMZ - INTERNATIONAL ¦

Matthias Walter ¦

#mittellaendische ¦

 

Jürgen Wilhelm Möllemann wurde am 15. Juli 1945 in Augsburg geboren. Er war ein deutscher Politiker (FDP) und phasenweise jüngster Politiker im Deutschen Bundestag. Er war Bildungs- und später Wirtschaftsminister. Von beiden Ämtern trat er auf Grund der sogenannten "Briefbogenaffäre" zurück.

Ursprünglich wollte er als Lehrer wirken (er ließ sich zum Hauptschullehrer an der Universität Münster ausbilden), was er für eine begrenzte Zeit auch tat. Doch als - schon in jungen Jahren - hochpolitisierter Mensch wollte Möllemann mehr. Früh wurde er Studentenführer, gründete mit seiner späteren Ehefrau eine eigene Hochschulgruppe "FDP" und gewann sogar die Wahlen zum Hochschulparlament. Er verstand es, ganze Hörsäle zu füllen.

Als junger Politiker bewies Jürgen Möllemann Eigeninitiative: Hochengagiert brachte er selbst Flugblätter unter das Volk und zeigte sich schon als Nachwuchspolitiker mediennah. Er sollte zum Liebling der Journalisten werden.

 

Er positionierte sich beispielsweise öffentlich gegen den Vietnamkrieg, wofür er sogar auf Demonstrationen Arm in Arm mit Kommunisten lag.

Möllemann war zwischenzeitlich Landesvorsitzender der FDP in NRW, wo er mit spektakulären 9,8 % in den Landtag einzog. Plötzlich war er der Held der FDP.

Er wollte zurück in den Bundestag, nochmal in ein Ministeramt. Zur Bundestagswahl 2002 rief die FDP das "Projekt 18" aus (man setzte sich 18 % der Wählerstimmen zum Ziel). Möllemann - der Star der Partei - war hier federführend.

Jürgen Möllemann bezahlte eifrig Projekte und Veranstaltungen - noch fragte niemand, woher die Gelder hierfür kamen.

 

Die FDP sollte - ein Bestreben und Vorschlag Möllemanns - zu dieser Bundestagswahl auch einen eigenen Kanzlerkandidaten stellen. Als profilierter Redner und Liebling der Medien eignete sich Möllemann dazu ideal.

Doch Jürgen Möllemann hatte viele Feinde und Neider in den eigenen Reihen. In der Rolle des Kanzlerkandidaten wollten ihn viele nicht sehen. Guido Westerwelle - zu dieser Zeit Bundesvorsitzender der FDP - wurde massiv beeinflusst, um Möllemann in Schach zu halten.

Im Vorfeld der Bundestagswahl legte Möllemann so richtig los. Er zog Jamal Karsli von den Grünen zur FDP. Karsli sprach von "israelischem Naziterror" und behauptete, dass eine "zionistische Lobby die deutschen Medien beherrsche". Zunächst verteidigte Möllemann Karsli. Brisant: Als damaliger Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft hatte sich Möllemann schon mal mit Arafat - einem Terroristen - in Beirut getroffen.

Auf Druck Westerwelles, der ein Ultimatum stellte (Karsli sollte verschwinden, sonst würde er - Westerwelle - nicht mehr mit Möllemann zusammenarbeiten), trat Karsli wieder aus der Partei aus.

 

Die "Affäre Karsli" nahm der damalige stellvertretende Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland - Michel Friedman - zum Anlass, um einen Großangriff auf Möllemann zu starten. Mit Friedman und Möllemann stießen zwei Mediengiganten mit gewaltigen Egos aufeinander. Michel Friedman attackierte den FDP-Politiker scharf und forderte sogar seinen Rücktritt (Möllemann habe das Niveau der NPD erreicht). Möllemann schoss zurück, machte - und über diese Aussage sollte er stolpern - Friedman für Antisemitismus in Deutschland verantwortlich: "Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland gibt, leider, und die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft als Herr Scharon und in Deutschland als Herr Friedman, mit seiner unteloranten gehässigen Art."

Doch Möllemann wusste sich noch anders zu "verteidigen": Er ließ acht Millionen antiisraelische Flügblätter drucken und an alle Haushalte NRW's verteilen. Auf den Flyern warf er Ariel Scharon und Michel Friedman Kriegslüsternheit im Nahostkonflikt vor. In der FDP riet ihm im Vorfeld keiner von dieser Flyer-Aktion ab - laut Wolfgang Kubicki, ein enger Freund Möllemanns, hatte der Flyer sogar auf Westerwelles Schreibtisch gelegen, bevor sie verteilt wurden.

 

Es brodelte in der Partei. Bei einer wichtigen Veranstaltung - drei Tage vor der Bundestagswahl - wurde Möllemann von Westerwelle ausgeladen. Hans Dietrich Genscher - Ziehvater Möllemanns (!) - und auch Otto Graf Lambsdorff drohten mit Nichterscheinen, falls Möllemann kommen sollte.

Die FDP scheiterte bei der Bundestagswahl 2002 krachend. Nicht mal acht Prozent sollten es werden. Schnell wurde in Jürgen Möllemann ein Sündenbock gefunden. Die Flyer sollten für die Misere verantwortlich sein. Und plötzlich stellte sich auch die brisante Frage nach der Finanzierung der Flyer. Möllemann verschwieg sogar seiner Ehefrau, dass das Geld - eine Million Euro - von ihm persönlich gekommen war (angeblich - es ist bis heute ungeklärt). Mit einem Helfer und einer gefälschten Spenderliste hatte Möllemann versucht, dies zu verwischen. Er hatte in einem Koffer eine Million Euro an einen Komplizen übergeben. Und genau diese Abläufe waren und sind illegal und strafbar.

 

Jürgen W. Möllemann trat als stellvertretender Bundesvorsitzender zurück. Es entstand eine Hetzjagd. Er täuschte Termine vor, meldete sich krank und zog sich in seine Villa nach Gran Canaria zurück. Er begab sich sogar in Behandlung. Ruhe vor lästigen Journalisten bekam er ab sofort nicht mehr.

Die FDP wollte Möllemann ausschließen. Doch er verließ die Partei selbst.

Man platzierte den Stuhl von Jürgen Möllemann im Bundestag sogar deutlich abseits der eigentlichen Stuhlreihen. Plötzlich war er Außenseiter, geächtet von Kollegen, die ihn beizeiten "Quartalsirren" oder "intrigantes Schwein" genannt hatten.

Seinem guten Freund Kubicki - den er oft scherzhaft "Vaclav" nannte - übergab er einen Brief, der nur geöffnet werden sollte, falls ihm etwas zustoßen sollte. Möllemann berichtete Kubicki sogar, dass ihm angeblich "Geheimdienste und geheime Mächte nach dem Leben trachten".

Am 5. Juni 2003 hob der Bundestag die Immunität Möllemanns auf. Die Vorwürfe: Verstoß gegen das Parteiengesetz, Untreue, Betrug und Steuerhinterziehung. Durch den Verlust des Schutzes des Parlaments war der Weg frei für Ermittlungen. Journalisten belagerten das Haus der Familie Möllemann in Münster.

 

Kurze Zeit nach Aufhebung der Immunität war Jürgen W. Möllemann bereits tot. Als sehr erfahrener Fallschirmspringer kam er bei einem Fallschirmsprung auf dem Flugplatz Marl-Loemühle ums Leben.

Fallschirmsprung-Kollegen berichteten nachher, Möllemann wollte lieber einen "Einzelstern" (scherzhaft) springen - und nicht mit der Gruppe, wie sonst. Er warf den Hauptschirm ab und zog auch die Reserve nicht. Das automatische Rettungssystem war ausgeschaltet. Selbst den allerletzten - mechanischen - Griff betätigte Möllemann nicht.

Die Öffentlichkeit vermutet bis heute einen Suizid, was letztendlich jedoch nicht nachgewiesen wurde.