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Jahrhundertealte Gräber bei St.Mangen freigelegt

DMZ - KULTUR ¦

#mittellaendische ¦

 

Die Kantonsarchäologie St.Gallen führte von Anfang April bis Ende Juni 2019 im ehemaligen Friedhofareal der Kirche St.Mangen an der Kirchgasse 15 eine Ausgrabung durch. Grund dafür ist die Realisierung eines festen unterirdischen Presscontainers. Unter dem Vorplatz der Gewerbeschule wurden über 60 Gräber ausgegraben und dokumentiert.

Die Ausgrabung an der Kirchgasse 15 bot die einmalige Gelegenheit, einen Teil des ehemaligen Friedhofs bei der St.Mangenkirche zu untersuchen, der nicht durch Werkleitungsarbeiten oder sonstige Bodeneingriffe gestört worden war. Auf einer Fläche von knapp 19 m2 legte das Grabungsteam von Anfang April bis Ende Juni insgesamt 63 Gräber frei, die sich über vier Bestattungsebenen verteilten. Es handelte sich um Körpergräber in gestreckter Rückenlage. Mit wenigen Ausnahmen waren die Verstorbenen mit Blickrichtung nach Osten beigesetzt. Unter den Verstorbenen sind alle Altersgruppen vertreten. Neben den regulären Bestattungen fanden sich zahlreiche menschliche Streuknochen, die von der Jahrhunderte dauernden Nutzung des Areals als Friedhof zeugen. Die jüngsten Gräber dürften ins ausgehende 19. Jahrhundert datieren, während einige Gräber der untersten Bestattungslage möglicherweise ins Mittelalter zurückreichen. Im Weiteren wurden Reste von Kleidungsstücken und von Särgen gefunden. 

 

Archäologie in der St.Galler Altstadt 

Im Bereich des Kirchhügels von St.Mangen lag im 9./10. Jahrhundert die nördliche der beiden Kernsiedlungen, aus denen sich die Stadt St.Gallen entwickelte. Abtbischof Salomon III. liess 898 die Kirche St.Mangen erbauen. Der zugehörige Friedhof bestand mindestens seit dem Spätmittelalter und wurde ab 1566 alleiniger Stadtfriedhof. 1876 erfolgte die teilweise und um 1902 die vollständige Aufhebung des Friedhofs. Wenig später wurde die Gewerbeschule (Kirchgasse 15) errichtet. Im kantonalen Richtplan ist die Altstadt St.Gallen als archäologische Fundstelle ausgewiesen. Dies bedeutet, dass sämtliche Bodeneingriffe durch die Kantonsarchäologie beurteilt und begleitet werden müssen. Die Abteilung Entsorgung der Stadt St.Gallen hatte für den Sommer 2019 den Bau eines neuen Unterflurbehälters vor der Gewerbeschule geplant. Da die Kantonsarchäologie frühzeitig über das Projekt informiert worden war, konnten die Ausgrabungen vor den eigentlichen Bauarbeiten durchgeführt werden und haben diese auch nicht beeinträchtigt. 

 

Aufwändige Nacharbeiten 

Zurzeit werden die menschlichen Skelettreste und die übrigen Grabungsfunde gewaschen, beschriftet und inventarisiert. Später folgt die anthropologische Bestimmung, die neben Daten zu Alter und Geschlecht auch Resultate zu Krankheiten und Verletzungen liefern soll. Hinzu kommt die naturwissenschaftliche Datierung ausgewählter Gräber. Die Ergebnisse werden zur Stadtgeschichte beitragen und neue Hinweise zur Bevölkerungsentwicklung und -struktur der Stadt St.Gallen geben. Nach Abschluss der Untersuchungen werden die Gebeine in ein als Friedhof anerkanntes Lager überführt.