Die «Faiseurs de secret» und ihr Geheimnis

DMZ – GESELLSCHAFT/GESUNDHEIT ¦

Patricia Jungo ¦

#mittelländische ¦

 

In der Westschweiz werden die „Faiseurs de secret“ von sehr vielen Menschen um Hilfe gefragt. Diese Heiltätigen besitzen altüberlieferte Segensformeln, mit denen sie Leiden lindern und heilen. Deren Wirkung ist anerkannt und dies auch in einigen Spitälern, obwohl die Praxis wissenschaftlich nicht belegt ist. In der Welt der Gebetsheilenden scheinen Krankheiten, Verletzungen und psychische Störungen auch durch einen Telefonanruf, ein SMS oder ein E-Mail einfach so zu heilen sein. Mit Segensformeln oder Heilsprüchen teilen diese Menschen ihre Gabe, Krankheiten und Verletzungen zu heilen. Diese aus der Volksmedizin stammende Praxis kann wissenschaftlich meist nicht erklärt werden und ist die Summe sehr alter empirischer Erkenntnisse. In Europa sind Gesundbeten oder ähnliche Praktiken verboten. In der Westschweiz ist dem nicht so; in manchen Spitälern und Heimen der Region findet man sogar Listen mit den Telefonnummern von Heilerinnen und Heilern; sorgfältig geordnet nach den Leiden, bei denen sie helfen können. Die geheimen und meist kurzen Segensformeln religiösen Gehalts lindern oder heilen etliche Krankheiten und Verletzungen: Verbrennungen, Blutungen, Warzen, Verstauchungen, Hauterkrankungen usw. Hat sich eine Person verbrannt, so sagt der Heiler die Segensformel, konzentriert sich auf den Patienten und schlägt ab und zu an seinem Körper Kreuze an der Stelle, wo sich der Patient verbrannt hat. Oft wird dabei zu einem Heiligen (auch an die Dreifaltigkeit und im protestantischen Umfeld an Jesus) gebetet; meist im Zusammenhang mit dem Martyrium, das er erlitten hat. Ruft man einen Gebetsheiler an, muss man den Namen, das Geburtsdatum und das Leiden angeben, bevor sich der Heiler mit der Person verbindet. Dann werden die Gebete und Heilsprüche gesagt und in sehr vielen Fällen zeigt dies rasch Wirkung. Manchmal müssen die Gebete einige Male wiederholt werden, bis Besserung eintritt. Für fast jedes Leiden gibt es einen anderen Heilspruch. Im Idealfall nimmt die betroffene Person direkt mit dem Gebetsheiler Kontakt auf. Im Spital übernimmt dies im Namen der Familie manchmal das Personal. Das Gesundbeten ist vor allem in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz verbreitet, wird aber auch in der Deutschschweiz in zahlreichen Kantonen praktiziert. Man ordnet es der Naturheilkunde (bzw. der übernatürlichen Heiltätigkeit) zu. Es könnte aber auch eine Verwandtschaft mit religiösen Bräuchen bestehen. Patientinnen und Patienten müssen nicht gläubig sein. Ein Heiler betont, dass das Vertrauen an oberster Stelle und vor dem Glauben stehe. Die Heilung allein durch die Psyche oder den Placebo-Effekt zu erklären, ist nicht vereinfacht, da auch Vieh auf diese Weise geheilt wurde. Es ist äusserst wichtig, das Heilwissen weiterzugeben. Damit die Heilenden ihre Nachfolger auch selber bestimmen können; sind die Segensformeln geschützt: Heute sind die Regeln zur Weitergabe nicht mehr so streng, damit die Tradition am Leben erhalten werden kann. Das Heilwissen muss aber zwingend an eine jüngere Person weitergegeben werden. Heiltätige gehen meist noch ihrem Hauptberuf nach und tun ihre Aufgabe überwiegend unentgeltlich, mit Hingabe und grossem Pflichtbewusstsein. So wird die Formel ganz genau eingehalten. In unserer Zeit ist es sehr schwierig, für Unerklärliches Platz zu finden und Forschende könnten dazu tendieren, diese Volksheilkunde als Aberglaube oder Scharlatanerie abzutun. Die zahlreichen Erlebnisberichte zeugen jedoch von der Wirksamkeit der Heilpraxis und offene Ärzte und Ärztinnen arbeiten manchmal sogar mit den Heilern zusammen. Dies kann ein Onkologe sein, der seinen Patienten rät Heilende aufzusuchen, um die durch die Strahlentherapie entstandenen Verbrennungen zu lindern. In den meisten Fällen wissen die Ärzte jedoch gar nichts davon. So kann man in einigen Ärzteberichten auch die Worte „nicht zu erklärende Verbesserung“ lesen. In der Westschweiz suchen viele Personen Hilfe bei den Menschen mit dieser Gabe und ein grosser Teil der Bevölkerung steht der Naturheilkunde offen gegenüber und sieht darin eine Ergänzung zur schulmedizinischen Behandlung. Unter den Hilfesuchenden sind Menschen aus allen Altersklassen, Schichten und Berufskategorien und aus beiden Geschlechtern. Meist wollen sie einfach Hilfe ohne Medikamente und interessieren sich weniger dafür, wie diese Heilung funktionieren soll. Das Wichtigste für sie ist, dass es wirkt!

Für weitere Infos: Magali Jenny, Riti Sharma: Heilerinnen und Heiler in der Deutschschweiz. Magnetopathen, Gebetsheiler, Einrenker. Lausanne, 2009

 

 

Quelle: houseofswitzerland.org ¦