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Nach tödlichem Unfall leitet die SBB Sofortmassnahmen ein - Abfertigungsprozess überprüft und Sonderkontrolle gestartet

(Bildquelle: Thomas Woodtli (CC BY 2.0))
(Bildquelle: Thomas Woodtli (CC BY 2.0))

DMZ - GESELLSCHAFT / LEBEN ¦

#mittellaendische ¦

 

Die SBB hat nach dem tragischen Unfall eines Chefs Kundenbegleitung den Abfertigungsprozess überprüft: Dieser ist für Mitarbeitende und Reisende sicher. Die SBB hat alle Kundenbegleiter nochmals über den bewährten Prozess informiert. Dieser muss zwingend eingehalten werden. Als weitere Sofortmassnahme unterzieht die SBB alle Türen des Wagentyps EW IV in den kommenden Wochen einer Sonderkontrolle – zusätzlich zur normalen Kontrolle der Türen, die alle sieben bis zehn Tage erfolgt. Die SBB hat eine Taskforce eingesetzt, um die Sofortmassnahmen zu erarbeiten, umzusetzen und laufend zu überprüfen. Sicherheit hat für die SBB oberste Priorität. Die Unfalluntersuchung selbst ist Aufgabe von SUST und Staatsanwaltschaft.

Sicherheit ist das höchste Gut für SBB Mitarbeitende und Kunden und das zentrale Ziel der neun Konzernziele. Die SBB unternimmt alles sinnvoll Mögliche, damit Reisende und Mitarbeitende stets sicher sind. Obwohl die genaue Unfallursache noch nicht vorliegt (siehe Box), hat die SBB nach dem Unfall vom 4. August Sofortmassnahmen eingeleitet.

 

Abfertigungsprozess überprüft: Die SBB hat den bestehenden Abfertigungsprozess überprüft und auch mit den Sozialpartnern diskutiert. Resultat: Der Abfertigungsprozess ist für Mitarbeitende und Reisende sicher. Er bewährt sich in der Praxis. Die Kundenbegleiterinnen und -begleiter der SBB fertigen täglich tausende Züge ab. Am Wochenende hat die SBB sämtliche Kundenbegleiterinnen mit einem Schreiben nochmals über den genauen Prozess-Inhalt informiert. Dieser Prozess wird auch in der Ausbildung geschult. Jede Kundenbegleiterin, jeder Kundenbegleiter hat eine entsprechende Checkliste bei sich.

 

Sonderkontrolle beschlossen: Alle sieben bis zehn Tage kommen die Einheitswagen (EW) IV in die Instandhaltung. Dort prüfen Techniker standardmässig den Einklemmschutz bei allen Türen. Ausserdem führt die SBB in regelmässigen Abständen Unterhaltsarbeiten an den Türen aus. So wird zum Beispiel alle 240 Tage der Antrieb geschmiert. Die SBB hat beschlossen, aufgrund des tragischen Unfalls die Prüfung zu erweitern und eine Sonderkontrolle der EW IV durchzuführen. Dabei werden alle Sicherheitselemente der Einstiegstüren kontrolliert und bei Feststellen von Fehlern instandgesetzt. Es wird voraussichtlich sechs bis sieben Wochen dauern, bis alle Wagen kontrolliert sind. Pro Tag werden 10 bis 15 Wagen kontrolliert.

 

Versteckter Mangel entdeckt

Aufgrund des Unfalls analysiert die SBB zurzeit die gesamte Einklemmschutz-Technik im Detail. Dabei haben erste Tests einen bisher versteckten Mangel zutage gefördert. Dieser hat zur Folge, dass der Einklemmschutz bei EW-IV-Wagen im so genannten UIC-Modus zwar funktioniert, aber weniger sensibel reagiert als vorgegeben. Im UIC-Modus leitet der Kundenbegleiter den Schliessvorgang aller noch offener Türen ausser der eigenen ein, nachdem er sich vergewissert hat, dass alle Reisenden eingestiegen sind.

Die SBB hat das BAV und die SUST über diesen bisher versteckten Mangel informiert. Die SBB ist daran, die Ursache zu finden, um den Mangel zu beheben. Gemäss jetzigem Wissensstand und der Sicherheitseinschätzung der SBB ist es nicht nötig, die EW-IV-Wagen ausser Betrieb zu nehmen. Zum tragischen Unfall vom 4. August 2019, bei dem ein Chef Kundenbegleiter sein Leben verlor, besteht gemäss dem heutigen Stand der SUST-Untersuchung kein Zusammenhang.

 

Sofortmassnahmen gewährleisten die Sicherheit

Die SBB hat eine Taskforce zur Koordinierung der Arbeiten eingesetzt. Die Sofortmassnahmen, welche die SBB bis jetzt beschlossen hat, gewährleisten nach heutigem Kenntnisstand die Sicherheit von Reisenden und Mitarbeitenden. Die Taskforce wird diese Einschätzung aufgrund der Sonderkontrollen und der Untersuchungen der SUST laufend überprüfen. Sollte sich die heutige Einschätzung verändern, wird die SBB geeignete Massnahmen ergreifen, unabhängig von den Auswirkungen auf den Betrieb.

Die EW IV-Wagen stehen nach heutiger Planung noch bis in die 2030er-Jahre im Einsatz– ab den 2020ern nur noch als Verstärkungsmodule zusammen mit IC2000. Entsprechend werden dann noch rund 200 Fahrzeuge im Einsatz stehen. Die Zeitspanne hat keinen Zusammenhang mit den Verzögerungen bei der Einführung des FV-Dostos.

Seit einiger Zeit führt die SBB an den EW IV im Werk Olten werterhaltende Massnahmen aus. Sie beseitigt Korrosionen, setzt Komponenten instand und lackiert die Wagenkästen neu. Aus Kapazitätsgründen finden dieselben Arbeiten an weiteren 93 Wagen ab 2020 voraussichtlich in Deutschland statt.

SBB-Rollmaterial der neuen Generation verfügt im Bereich der Türen im Vergleich zu den EW IV über weitere Sicherheitselemente wie Lichtschranken und Sensoren.

 

Unfalluntersuchung erfolgt durch Staatsanwaltschaft und SUST

Die Staatsanwaltschaft und die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) untersuchen den tragischen Unfall vom 4. August 2019. Unabhängig davon führt die SBB eigene Analysen durch. Nach ersten Aussagen der SUST war der Einklemmschutz der betroffenen Wagentür zum Zeitpunkt des Unfalls nicht funktionsfähig. Der Grund dafür ist Gegenstand der laufenden Untersuchung. Die SBB hat den betroffenen Wagen am 31. Juli zum letzten Mal kontrolliert und keine Auffälligkeiten festgestellt. Die SUST hat der SBB nach der Überprüfung des Wagens bis jetzt keine Sofortmassnahmen angeordnet.