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ETH weckt Hoffnung auf CO2-neutrale Luftfahrt

DMZ - UMWELT/POLITIK ¦ Patricia Jungo ¦

#mittelländische ¦

 

Aus Sonnenlicht und Licht zu Benzin: Die Forscher der ETH glauben an eine CO2-neutrale Luftfahrt und die entsprechende nachhaltige Technologie könnte bald ihre Sternstunde feiern.

ETH-Professor Aldo Steinfeld hält ein mit nur wenigen Dezilitern Flüssigkeit gefülltes Fläschchen in den Händen. In diesem kleinen Behälter steckt die Vision einer Zukunft der nachhaltigen Luftfahrt. Der Leiter der Professur für Erneuerbare Energieträger der ETH Zürich erklärt, man würde CO2-neutrale Flüssigstreibstoffe aus Sonnenlicht und Umgebungsluft produzieren. Hergestellt wird der solare Treibstoff mittels einer Pilotanlage, die auf einem Dach des ETH-Zentrums in Zürich steht. Steinfeld, der über zehn Jahre in dieses Projekt investiert hat, sagt, die Produktionskette von solaren Treibstoffen funktioniere und diese kleine Raffinerie belege dies. Seit drei Jahren wird das Verfahren ausserhalb des Labors auf einer Anlage in Móstoles, nahe Madrid vom EU-Projekt „Sun to Liquid“ getestet. Dabei wird das Sonnenlicht von 169 beweglichen Spiegeln, den Heliostaten, mit einer Fläche von knapp zwei Tennisplätzen auf einen Turm gebündelt. Dort liegt das Herzstück, der Solarreaktor, der von der ETH entwickelt wurde. Steinfeld erklärt, dass dieser Reaktor zehnmal grösser sei als der der Pilotanlage in Zürich. Das sei wichtig, um den Beweis zu erbringen, dass die Technologie auch im grossen Massstab klappt. Die sich im Kern des Solarreaktors befindende poröse Struktur aus Ceriumoxid hat sich die ETH patentieren lassen. Bei 1500 Grad Celsius kommt es durch die gebündelten Sonnenstrahlen zu einer thermochemischen Reaktion sowie zur Spaltung von Wasser (H₂O) und CO₂, das zuvor der Umgebungsluft entnommen wurde. Was bleibt, ist Synthesegas, eine Mischung aus Wasserstoff (H₂) und Kohlenmonoxid (CO). Es kann zu Benzin oder Kerosin verflüssigt werden. Mit dem solaren Treibstoff kann man Autos oder Flugzeuge direkt betanken. Die Tatsache, dass bei der Verbrennung nur so viel CO₂ frei wird, wie zuvor der Luft entnommen wurde, macht den Treibstoff CO₂-neutral. Philipp Furler war als Doktorand in Steinfelds Gruppe an der Entwicklung des Solarreaktors mitbeteiligt. Sein Ziel ist es nun als Mitgründer des ETH-Spin-Offs «Synhelion» die Grundlagenforschung industriereif machen, um das Verfahren zu kommerzialisieren. Bedingung dafür ist, dass die Anlage in Móstoles um das 100-Fache vergrössert und die Effizienz des Prozesses gesteigert werden müssten. Ein effizienterer Prozess heisse eine kleinere Spiegelfläche. Die Heliostaten seien der Hauptkostentreiber der Anlage, erklärt Furler Eine Erhöhung des heutigen Effizienzgrades von sechs Prozent auf 20 bis 25 Prozent sei notwendig. Weiter schätzt Furler derzeit die Kosten für das solare Kerosin etwa doppelt so hoch wie für jenes fossilen Ursprungs. Somit sei dies auf dem Markt nicht konkurrenzfähig. Furler betont aber, dass Kerosin von Steuern befreit sei, was bei Benzin und Diesel nicht der Fall sei. Man nehme an, dass zukünftig auch für fossiles Kerosin Steuern anfallen würden. Dies erhöhe natürlich die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Technologie. Dieses Potenzial sei dem italienischen Erdölkonzern Eni bewusst und man suche nun Lösungen in Form von Treibstoffen mit viel weniger oder gar keinem CO2.Ausstoss. Eni strebt an, zusammen mit Synhelion bis 2025 eine erste kommerzielle Anlage mit einer 400-mal grösseren Spiegelfläche als jene in Móstoles zu eröffnen, deren Standort aber noch nicht klar ist.