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St. Gallen: Entwicklungen im Kindesschutz genauer beobachten

DMZ - SOZIALES ¦

 

Bisher existieren im Kanton St.Gallen Kennzahlen zum Kindesschutz nur sehr vereinzelt. Im Rahmen der kantonalen Strategie zum Kindesschutz wurden erstmals bestehende Kennzahlen zusammengetragen und neue Kennzahlen erhoben. Dadurch wird eine Gesamtsicht möglich. Zudem können längerfristig Entwicklungen nun besser beobachtet werden.

 

Die Vereinten Nationen fordern, dass es einfacher sein muss, die Situation von Kindern – insbesondere von gefährdeten Kindern – zu analysieren. Im Rahmen der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention wurde die Schweiz daher ermahnt, ihr Datenerhebungs­system zu verbessern. Im Kanton St.Gallen hat die Kindesschutz-Konferenz für das Jahr 2018 erstmals Kennzahlen zusammengetragen, die quantitative Aussagen zum Kindesschutz ermöglichen. Im Folgenden sind einige Beobachtungen daraus aufgeführt. Längerfristig sollen die Kennzahlen auch Entwicklungen und Veränderungen aufzeigen. 

 

Das Wohl von Kindern und Jugendlichen ist gefährdet, wenn ihre Grundbedürfnisse und Grundrechte nicht erfüllt sind und sie sich nicht entfalten können. Dies kann schwerwiegende Folgen für ihre Entwicklung haben. Kinder und Jugendliche müssen effektiv geschützt werden. Daher ist es essenziell, dass Bezugspersonen hinsehen, Gefährdungen früh erkennen und Unterstützung veranlassen. Die Erhebung von Kennzahlen im Kindesschutz kann einen Beitrag zur verbesserten Analyse und zur Sensibilisierung im Kindesschutz leisten. 

 

Kinder als direkte Opfer von angezeigten Straftaten 

Im Jahr 2018 wurden bei der Kantonspolizei 282 Straftaten mit Bezug zu Kindeswohlgefährdungen angezeigt, bei denen die Opfer minderjährig waren. Ungefähr die Hälfte davon waren Straftaten gegen die sexuelle Integrität (140 Straftaten). Dies sind beispielsweise sexuelle Handlungen mit Kindern oder Pornografie. Am zweithäufigsten waren Straftaten gegen Leib und Leben (84 Straftaten). Dazu gehören etwa einfache Körperverletzungen. Drohungen und andere Straftaten gegen die Freiheit wurden 53 Mal angezeigt. Straftaten im Bereich Familie, wie beispielsweise die Verletzung der Fürsorgepflicht, wurden bei der Polizei selten angezeigt (5 Straftaten). Diese Fälle werden jedoch häufig nicht angezeigt, sondern über die Kindes- und Erwachsenenschutz­behörden (KESB) bearbeitet. Von den 282 Straftaten waren in 139 Fällen Kinder unter 15 Jahren und in 143 Fällen Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren betroffen. Bei Kindern sind die Straftaten «Sexuelle Handlungen mit Kindern» oder «Pornografie» häufiger, bei Jugendlichen «einfache Körperverletzungen» oder «Drohungen». 

 

Kinder als Mitbetroffene von häuslicher Gewalt 

Jährlich rücken Stadt- und Kantonspolizei mehr als 1'000 Mal wegen häuslicher Gewalt, tätlichen Konflikten oder verbaler Streit-Eskalationen zu Paaren oder Familien aus. Insgesamt waren 658 Kinder und Jugendliche von solchen Polizeieinsätzen betroffen; 78 dieser Kinder bereits mehr als einmal in diesem Jahr. Auch wenn sich die Gewalt nicht direkt gegen Kinder richtet und auch wenn sie im Moment einer Eskalation nicht anwesend sind, so sind sie doch meist stark davon tangiert. Sie sind psychischer Gewalt ausgesetzt, wenn sie in einem Nebenraum Gewalthandlungen mitanhören müssen oder die Auswirkungen der Gewalt – wie Verletzungen oder Verzweiflung – an den Eltern wahrnehmen. 

 

Kindesschutzmassnahmen der KESB 

Die KESB treffen Kindesschutzmassnahmen, wenn Sorgeberechtigte nicht von sich aus Abhilfe schaffen oder ausser Stande sind, Kindeswohlgefährdungen abzuwenden oder akute Gefährdungssituationen zu lösen. Im Jahr 2018 waren im Kanton St.Gallen 2'698 Kinder von 3'403 Kindesschutzmassnahmen betroffen. In den meisten dieser Fälle wurde eine Beistandschaft errichtet, um die Eltern in der Erziehung zu unterstützen und die Interessen des Kindes zu wahren (2'450 Fälle bzw. 72 Prozent). Bei Massnahmen der KESB nach Art. 307 ZGB (339 Fälle bzw. 10 Prozent) werden beispielsweise die Eltern angewiesen, eine Erziehungsberatung aufzusuchen oder mit einer sozialpädagogischen Familienbegleitung zusammenzuarbeiten. In 291 Fällen (9 Prozent) ist das Aufenthalts­bestimmungsrecht aufgehoben und das Kind in einer Institution oder Pflegefamilie untergebracht worden. In elf Fällen (0.3 Prozent), wurde die stärkste Massnahme, der Entzug der elterlichen Sorge, ergriffen. Weitere Informationen etwa zu anderen Massnahmen (8.7 Prozent) erscheinen in Kürze im jährlichen Kenndaten-Bericht zu den Kindes- und Erwachsenenschutzmassnahmen im Kanton St.Gallen. 

 

Kinder und Jugendliche in sozialpädagogischen Einrichtungen und Pflegefamilien 

Im Jahr 2018 waren 260 Kinder und Jugendliche aus dem Kanton St.Gallen in sozialpädagogischen Einrichtungen mit IVSE-Anerkennung platziert, davon 182 in St.Galler und 78 in ausserkantonalen Einrichtungen. In Pflegfamilien waren 328 Kinder und Jugendliche untergebracht. Insgesamt lebten gleich viele Jungen wie Mädchen in diesen Wohnformen, wobei etwas mehr Mädchen in Einrichtungen und etwas mehr Jungen in Pflegefamilien lebten. Während in sozialpädagogischen Einrichtungen zum grössten Teil Jugendliche leben, sind es in den Pflegefamilien häufiger auch Kinder und Kleinkinder. 

 

Kinder in psychiatrischer Beratung und Behandlung 

Insgesamt berieten und behandelten die Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienste St.Gallen (KJPD St.Gallen) im Jahr 2018 3'226 Kinder und Jugendliche. Kindeswohlgefährdungen können bei vielen kinder- und jugendpsychiatrischen Fragestellungen eine Rolle spielen, sind aber meist nicht der primäre Anmeldegrund. Im Auftrag von Behörden und Gerichten hat das Zentrum für Forensik der KJPD St.Gallen im Jahr 2018 bei 34 Kindern und Jugendlichen aus dem Kanton St.Gallen Gutachten zur Frage des Kindeswohls erstellt. Die Gutachten betreffen Kinder der gesamten Alterspanne und etwa gleich viele Mädchen wie Jungen.

 

Beratung im Umfeld von rund 600 gefährdeten Kindern 

Die Beratungsstelle In Via des Kindesschutzzentrums ist ein kostenloses Beratungsangebot für gewaltbetroffene Kinder und Jugendliche, Eltern sowie Bezugs- und Fachpersonen. In Via ist auch die Opferhilfestelle für Kinder und Jugendliche für die Kantone St.Gallen, Appenzell Ausserhoden und Appenzell Innerhoden. Im Jahr 2018 hat in Via in neuen Fällen 584 Kinder und Jugendliche oder deren Bezugspersonen beraten und begleitet. In den weitaus meisten dieser Fälle sind die Kinder und Jugendlichen Opfer im Sinne des Opferhilfegesetzes und haben Anspruch auf Opferhilfeleistungen. In knapp 60 Prozent der Fälle waren es Mädchen, in 40 Prozent Jungen. 

 

Enge Begleitung von Familiensystemen mit Säuglingen 

Die regionalen Mütter- und Väterberatungsstellen des Kantons St.Gallen haben im Jahr 2018 Eltern von 8'626 Kindern (meist Säuglinge sowie kleine Kinder bis fünf Jahre), mit 25'866 Beratungen begleitet. Sie leisten damit einen wichtigen präventiven Beitrag zur gesunden Entwicklung in der frühen Kindheit. Im Auftrag der KESB wurden zudem 24 Kinder und deren Familien begleitet. 

 

Laufende Erweiterung in Folgejahren geplant 

Die aktuellen Kennzahlen zeigen ein erstes, noch unvollständiges Bild des Kindesschutzes im Kanton St.Gallen. Die Erhebung für das Jahr 2018 wurde bei Fachorganisationen und Behörden lanciert, die in der Kindesschutz-Konferenz vertreten sind. Einige Akteure wie zum Beispiel die Staatsanwaltschaft oder die Schulsozialarbeit fehlen noch in der Erhebung. In den kommenden Jahren wird die Erhebung laufend erweitert und differenziert, sodass ein Gesamtbild entsteht. Ziel ist es, Zusammenhänge zu erkennen. Zudem sollen Aussagen zu Alter und Geschlecht über alle Ebenen des Kindesschutzes (präventiv, zivilrechtlich, strafrechtlich) ermöglicht werden.

 

 

Quelle: Kanton St. Gallen ¦ 


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