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Hat die Anonymisierung in Gerichtsurteilen gar keinen wirklichen Nutzen?

DMZ – WISSENSCHAFT/DIGITAL ¦ Patricia Jungo ¦

 

Es scheint, als wäre es möglich, die Anonymisierung in Gerichtsurteilen rückgängig zu machen. Dies ist Forschenden der Uni Zürich gelungen.

Namen von Personen und Firmen werden in Urteilen des Bundesgerichtes unkenntlich gemacht. So soll die Identität von Klägern oder Angeklagten geschützt werden.

 

Beispielsweise sind Personennamen und Namen von Pharmafirmen, die gegen die Preisfestsetzungen des Bundesamts für die Gesundheit (BAG) klagen, in den Urteilen des Bundesgerichts anonymisiert und die Wirkstoffe unkenntlich gemacht. Nun haben zwei Wissenschaftler der Universität Zürich Pharma-Urteile mit anderen Daten verknüpft und die Anonymisierung auf diese Weise aufgehoben. Charakteristische Informationen aus den Urteilen erschienen so auch in nicht-anonymisierten Dokumenten des BAG.

 

Es gelang ihnen, in 21 von 25 Bundesgerichtsurteilen die klagenden Pharmafirmen sowie die Arzneien und Wirkstoffe aufzudecken, indem sie diverse öffentlich zugängliche Informationen zusammenführten. Dies schafften sie dank der Technik des Web scraping. Ein Programm stellt Suchanfragen an eine Website und lädt auch Dokumente automatisch herunter. Auf diese Weise kamen die Rechtswissenschaftlerin Kerstin Vokinger und ihr Kollege, der Mediziner Urs Mühlematter, innert Kürze an über 120 000 Bundesgerichtsurteile, sowie fast 60 000 Urteile des vorinstanzlichen Bundesverwaltungsgerichtes.

 

Diese haben sie dann in einer Datenbank zusammengefasst. Carmela Troncoso, Leiterin des Labors für Sicherheits- und Datenschutztechnik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) erklärt, dass die Namen der Firmen und Medikamente zwar nicht erkenntlich sind, aber gewissen Begriffe als so genannte Pseudo-Identifikatoren eingesetzt werden können. Unter diese Pseudo-Identifikatoren fallen zum Beispiel Darreichungsform des Medikaments, die Art der Preissenkung (Prozente), um die es im Urteil geht usw. Weiter finden sich diese Pseudo-Identifikatoren ebenfalls in öffentlich zugänglichen Informationen, wie beispielsweise dem Bulletin des BAG und der Spezialitätenliste von Swissmedic. Auch diese wurden von den Forschern heruntergeladen und in die Datenbank mit den Gerichtsurteilen integriert. In den BAG-Bulletins und der Spezialitätenlisten waren auch Angaben wie Namen der Firma und Wirkstoff.

 

Die verschiedenen Datensätze wurden verknüpft, was den Forschenden erlaubte, die Anonymisierung der Urteile aufzuheben. Laut Troncoso sind dafür nicht einmal besondere Kenntnisse notwendig. Es gelte einfach, die richtigen Datensätze für die Verknüpfung herauszufinden, also zu wissen, in welchen Dokumenten Namen und auch die Pseudo-Identifikatoren genannt werden. Was mehr Fragen aufwerfe, sei, wie eine solche Re-Identifikation anonymisierter Daten verhindert werden könne. Gemäss Transparenzprinzip sei das Schwärzen sämtlicher Informationen, also auch der Pseudo-Identifikatoren verboten. Eine Möglichkeit wäre, Störsignale in die Datensätze zu integrieren (z.B. statt 14 Prozent immer 20 Prozent erwähnen). Dies werde jedoch auch durch das Transparenzprinzip erschwert und sei keinesfalls eine Garantie, um eine Verknüpfung unmöglich zu machen. Es scheint also zurzeit keine Lösung vorzuliegen, wie eine De-Anonymisierung in Fällen, wo die Informationen öffentlich, genau und transparent sein müssen, zu verhindern.

 

 

Quellen: higgs.ch/Studie: Re-Identifikation von Gerichtsurteilen durch «Linkage» von Daten(banken)


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