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Riesige Empörung und Gegenwehr: Administrative Versorgung im Aargau wieder Realität!?

DMZ – SOZIALES ¦ David Aebischer ¦

 

Der Kanton Aargau hat per Gesetz die Möglichkeit zur administrativen Versorgung wieder eingeführt. Ob die Regierung realisiert hat, was damit angerichtet wurde, ist offen. Seit 1. März 2019 können Armutsbetroffene nämlich auch gegen ihren Willen in Heimen untergebracht werden. Was wie ein Alptraum aus längst vergangenen und unschönen Tagen klingt, ist leider aktuell und wahr. In der Schweiz waren wir bereits einmal soweit und sind aktuell erst an der Aufarbeitung dieser ungeheuren Geschichte und der vielen Straftaten im Namen des Staates gegen seine Bevölkerung.

 

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis 1981 praktizierte die Schweiz öffentlich-rechtliche Zwangsmassnahmen, die durch eine Verwaltungsbehörde verfügt wurden. Die administrative Versorgung, also die Einsperrungen waren oft zeitlich unbefristet, konnten bei Widersetzlichkeiten verlängert werden und wurden, je nach kantonalen Gesetzen, auch als «Detention», «korrektionelle Versorgung», oft auch einfach «Einweisung» oder «Massnahme» bezeichnet.

 

Sind wir tatsächlich schon wieder soweit?

Es gibt glücklicherweise aktive Gegenwehr gegen dieses verstörende und unglaubliche Gesetz. Aber alleine diese Bewegung reicht kaum aus, hier eine menschliche Korrektur vorzunehmen.

Der Regierungsrat vom Aargau hat eine entsprechende Verordnungsänderung wie gesagt erst gerade beschlossen, deshalb ist es umso wichtiger, dass man diese Menschen unterstützt, die mit einer Petition das Schlimmste wieder rückgängig machen wollen.

So heisst es im neuen Gesetz z.B. «Personen, die in verschiedenen Lebensbereichen Unterstützung bedürfen, können zur Umsetzung entsprechender Betreuungs- oder Integrationsmassnahmen einer Unterkunft zugewiesen werden».

 

Die Petitionsverantwortlichen schreiben dazu dann auch klare Worte: „Diese neue Regelung schafft Willkür und ist unhaltbar. Wir fordern von der Regierung, dass sie ihren Beschluss rückgängig macht.“ Weiter fordern sie alle Menschen auf, zusammen gegen das Gesetz zu kämpfen, mit Unterzeichnung der Petition.

 

Das sind die wichtigsten Argumente gegen die Verordnung der Regierung:

  • Der Regierungsrat ermöglicht es Aargauer Gemeinden, Menschen in Heime zu stecken, weil sie arm sind. Anstatt den Armen zu helfen, werden diese stigmatisiert, ausgegrenzt und ihrer Rechte enthoben.
  • Die neue Bestimmung ist ein Rückfall in dunkle Zeiten. Im Aargau gab es einst so viele Armenhäuser wie nirgendwo sonst – und bis 1981 litten auch im Aargau viele unter «administrativen Versorgungen». Eben erst wurden diese unrühmlichen Kapitel aufgearbeitet. Doch das Vorgehen der Aargauer Regierung zeigt, dass daraus offenbar wenig gelernt wurde.
  • Für fürsorgerische Heimunterbringungen sind eigentlich die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden zuständig. In solchen Verfahren können sich die Betroffenen rechtlich wehren. Wenn die Regierung nun zusätzlich den Gemeinden das Recht gibt, Heimeinweisungen vorzunehmen, ist das unnötig und widerrechtlich.

Armenhäuser Nein! Petitionstext:

„Wir fordern den Aargauer Regierungsrat auf, den am 1. März  2019 eingeführten Artikel der Sozialhilfe- und Präventionsverordnung (Art. 8 Abs 3bis SPV) umgehend und ersatzlos zu streichen. Dieser macht den Weg für Willkür frei, ist stigmatisierend, diskriminierend und eines Rechtsstaates unwürdig.“

 

Auch Betroffene unterstützen die Petition

Gabriela Merlini-Pereira durchlebte im Kanton Aargau eine schreckliche Kindheit. Als sie 18 Monate alt war, wurde ihre Familie auseinandergerissen – und sie als kleines Mädchen in Wohlen als „administrativ Versorgte“ in ein Heim gesteckt. Es folgten Jahre voller Erniedrigung und Gewalt. Mit einem offenen Brief (3.9.2019) gelangt sie an den Regierungsrat und warnt vor einer Wiederholung der Geschichte. Mit der Verordnungsänderung sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass es bald wieder zu unfreiwilligen Heimunterbringungen kommen kann. Eine Katastrophe!

 

Hier kann man helfen und die Ungerechtigkeit rückgängig machen helfen: www.armenhaeuser-nein.ch. Jede Stimme zählt!

 

 

Quellen: www.armenhaeuser-nein.ch ¦ admin.ch ¦ http://uek-administrative-versorgungen.ch


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