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Rebellieren oder Untergehen

DMZ - POLITIK / UMWELT ¦ Daniel Ott ¦

 

Klimaaktivistinnen/-aktivisten stellen sich tod und treiben in grün gefärbter Limmat den Fluss hinunter.

Am Dienstag, 10. September hat Extinction Rebellion die Limmat mit leuchtend grüner Farbe eingefärbt. Umweltaktivistinnen und -aktivisten liessen sich mitten in der Stadt Zürich, zwischen Münster- und Rathausbrücke, wie Leichen flussabwärts treiben. Mit dieser Aktion will die aus London stammende Bewegung, Extinction Rebellion, auf den drohenden Kollaps des Ökosystems und das mögliche Aussterben der menschlichen Spezies aufmerksam machen.

 

Plötzlich war das Wasser der Limmat im Kreis 1 grün verfärbt. Zwischen der Münster- und Rathausbrücke trieben dutzende Aktivistinnen und Aktivisten mit Kleidern im Wasser. Rundherum informierten Mitglieder der Organisation und unabhängige Forschende in weissen Kitteln die vorbeigehenden Menschen über den bevorstehenden Kollaps unseres Ökosystems und die existenzielle Bedrohung, die dies für das Überleben unserer eigenen Spezies auf diesem Planeten darstellt.

 

Was macht ihr hier und warum stellt ihr euch tot?

Das ist eine Aktion von Extinction Rebellion. Wir rebellieren gegen das Untergehen und wollten mit unserer Aktion auf die Klima- und Biodiversitätskrise aufmerksam machen. Die Wissenschaft ist sich einig: Wir steuern auf das sechste Massenaussterben zu, eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht. Darunter auch unsere eigene Spezies. Das sollen die toten Menschen im Wasser zeigen. Wir müssen jetzt handeln.

 

Viele werden sich Fragen, ist die grüne Farbe giftig?

Nein, das ist sogenanntes Uranin. Der Name kommt von der farblichen Ähnlichkeit mit dem radioaktiven Uran. Anders als der Name und die giftgrüne Färbung vermuten lassen, ist der Stoff komplett ungefährlich. Er hat ungefär die gleiche Toxizität wie Speisesalz. Das rote Pulver besteht aus wasserlöslichem Natriumsalz und Fluorescein und ist biologisch völlig unbedenklich: Es schadet Mensch und Natur nicht, lagert sich nicht ab und zerfällt am Sonnenlicht innerhalb weniger Tage.

 

Das harmlose Material wird auch zur Leckortung verwendet, oder von Hydrologen, welche die Fliess-geschwindigkeit eines Gewässers bestimmen möchten. Bereits eine kleine Menge des Stoffs reicht, um eine riesige Gewässermenge einzufärben.

 

Gewässerschutz und Feuerwehr wurden von Extinction Rebellion über die Grünfärbung der Limmat und deren Unbedenklichkeit informiert. Mit unserer Aktion wollen wir die Aufmerksamkeit auf die Klima- und Biodiversitätskrise lenken.

 

Und warum die Farbe grün?

Wir wollen auf das toxische System aufmerksam machen, in dem wir uns befinden. Seit Monaten sind Klimathemen in aller Munde, eine Stadt nach der anderen ruft den Klimanotstand aus und auch der Bundesrat verspricht nun netto Null bis 2050. Doch die Politik reagiert zu langsam und die Medien berichten nur zögerlich über die Dringlichkeit von Lösungen.

 

Und wie kommt Ihr zu diesem Pulver?

Der Stoff ist frei verkäuflich, wird auch im Eventmanagement oder für Mottopartys verwendet und wurde schon oft für Aktionen eingesetzt. Der dänisch-isländische Künstler Olafur Eliasson färbte für seine Aktionskunst bereits Flüsse in Stockholm, Tokyo und Los Angeles mit Uranin und der Chicago River wird bereits seit 1962 alljährlich zum St. Patrick’s Day grün gefärbt.

 

Ist das nicht gefährlich für die Umweltaktivistinnen und -aktivisten?

Nein. Die Menschen im Wasser sind alle sichere Schwimmerinnen und Schwimmer und wir haben für ausgebildete Rettungsschwimmerinnen und -schwimmer, gesorgt, die die ganze Aktion begleiten.

 

Diese Aktion ist nicht bewilligt?

Ja, die Aktion ist nicht behördlich bewilligt. Dadurch, dass Einzelpersonen sich gegen das Gesetz verstossen und eventuell sogar ihre eigene Freiheit aufopfern, können wir der Öffentlichkeit noch klarer machen, in welcher Notlage wir alle uns befinden.

 

Aber dies ist doch verboten!

Ja, das stimmt. Durch gewaltfreien zivilen Ungehorsam wollen wir auf unsere Ziele aufmerksam machen. Dadurch, dass Einzelpersonen sich gegen das Gesetz verstossen und eventuell sogar ihre eigene Freiheit aufopfern, können wir der Öffentlichkeit noch klarer machen, in welcher Notlage wir alle uns befinden.

 

Mit dieser unbewilligten Aktion will Extinction Rebellion auf die toxische Situation aufmerksam machen, in der wir uns momentan befinden. Seit Monaten sind Klimathemen in aller Munde und eine Stadt nach der anderen ruft den Klimanotstand aus. Doch die Klimaerhitzung und die Biodiversitätskrise werden noch als abstrakte und entfernte Bedrohung wahrgenommen.

 

«Engagierte junge Aktivistinnen wie Greta Thunberg werden zur Zielscheibe der Klimawandelleugner, die sich in den Kommentarspalten zahlreicher Schweizer Onlinemedien tummeln und sogar in unserem Parlament sitzen», sagt ein Mitglied der Bewegung. «Statt einzusehen, dass wir alle zusammenarbeiten müssen, um das Aussterben der Menschheit zu verhindern, verlässt sich die Mehrheit der Bevölkerung auf die Politik.» 

Diese ignoriert allerdings die Alarmglocken der Wissenschaft, die seit mehr als 30 Jahren ertönen und setzt sich nicht angemessen dafür ein, dass zukünftige Generationen eine lebenswerte Welt vorfinden.

 

Statt diese starre, toxische Situation weiter hinzunehmen, ruft Extinction Rebellion in der ganzen Schweiz zum zivilen Ungehorsam auf und macht so auf die Dringlichkeit ihrer Forderungen aufmerksam. An erster Stelle steht dabei, die Wahrheit der klimatischen Veränderung und der Biodiversitätskrise in den Fokus der Öffentlichkeit zu stellen. Extinction Rebellion will das Bundesrat und Parlament öffentlich anerkennen, dass es sich bei der Klimaerhitzung um einen akuten Notstand handelt.

 

Vom 9. bis 20. September finden in neun Schweizer Städten Aktionen von Extinction Rebellion statt. Die Tour startete am Montag in Bern. Nach der Aktion in Zürich folgen Fribourg, Martigny, Neuchâtel, Luzern, Genf und Delémont. Die Aktion in Lausanne am 20. September wird das grosse Finale bilden.

 

Wer ist Extinction Rebellion

Extinction Rebellion (Rebellion gegen das Aussterben, abgekürzt auch XR) wurde am 31. Oktober 2018 in London gegründet und ist mittlerweile in über 50 Ländern vertreten. Die Schweizer Sektion gibt es seit Ende 2018 und hat mittlerweile Ortsgruppen in der ganzen Schweiz, darunter Zürich, Bern, Luzern, Waadt und Genf.

Die Bewegung sorgt mit Massenprotesten und Blockaden weltweit für Aufsehen: Im April 2019 blockierten 10'000 Rebellinnen und Rebellen während einer Woche mehrere wichtige Plätze in London – über 1000 liessen sich festnehmen, um die Bevölkerung über die Klimaerhitzung und die bevorstehende ökologische Krise zu informieren und die Politik zu sofortigen Massnahmen bewegen.

 

Durch zivilen Ungehorsam und gewaltfreie Protestaktionen will Extinction Rebellion auf ihre drei Forderungen aufmerksam machen:

  1. Die Dringlichkeit der Klima- und Biodiversitätskrise offen und unmissverständlich kommunizieren
  2. Die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2025 auf Null reduzieren
  3. Eine Bürgerinnen- und Bürgerversammlung einberufen, welche die Erarbeitung und Umsetzung der Klima- und Biodiversitätsschutzmassnahmen mitbestimmt und sicherstellt

 

Ab dem 7. Oktober wird Extinction Rebellion rund eine Woche lang durch Blockaden die alltägliche Routine in mehreren Grossstädten stören. Im Zentrum der friedlichen Aufstände stehen Berlin, Amsterdam, London, Paris und New York.


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