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Schön (und) braun um jeden Preis?

DMZ – GESELLSCHAFT/GESUNDHEIT ¦

Patricia Jungo ¦

#mittelländische ¦

 

In unseren Breitengraden steht gebräunte Haut für Schönheit, frisches und gesundes Aussehen. Ungeachtet der Natur, die, Gott sei es gedankt, jedem Menschen seinen ganz persönlichen „Hautton“ gibt, legt sich Mensch in die Sonne oder ins Solarium. Zwar kennt jeder die Sache mit den gefährlichen UV-Strahlen. Aber für die (vermeintliche Sommerschönheit) vergisst man dies leicht wieder. Koste es, was es wolle: braun will man werden.

 

Dies nehmen sich anscheinend vor allem Menschen zu Herzen, die von Natur aus eine eher helle Haut haben, (welche übrigens in gewissen Ländern als absolutes Schönheitsideal gilt!). Oft kann man genau mitverfolgen, wie sich das Weiss stufenweise in grelles Krebsrot verwandelt. Aber ja, Schönheit muss eben leiden. Natürlich entgeht dieser Trend auch den Kosmetikherstellern nicht und da sie die armen nach Bräune hungernden Menschen nicht im Stich lassen wollen, haben sie bereits vor einiger Zeit eine vermeintlich wunderbare Rettung präsentiert: Selbstbräuner aus der Tube. Die Auswahl und entsprechende Werbung sind im Aufwärtstrend. Man hat um Nu gebräunte Haut (und oft sogar Streifen) und dies ganz ohne die gefährlichen UV-Strahlen. Innert kurzer Zeit färbt er als Lotion, Crème oder Spray die Haut dezent bis deutlich braun. Glaubt man den Angaben der Hersteller, ist dies für die Gesundheit absolut unbedenklich. Immer mehr Stimmen werden jedoch laut, die vor den darin enthaltenen chemischen Stoffen warnen und das bräunende Wunder scheint doch nicht so harmlos zu sein.

 

Unsere Haut stellt Farbstoffe, also Pigmente normalerweise selber her. Das Melanin, der braune Farbstoff, schützt auf natürliche Weise gegen die zellschädigende UV-Strahlung der Sonne. Darum „bräunen“ wir (mehr oder weniger, je nach Hauttyp) im Sommer. Kommt unsere Haut mit einer chemischen Substanz in Kontakt, bildet sie ganz ähnliche Pigmente. Es kommt zu einer Reaktion der Zuckerarten Dihydroxyaceton (kurz DHA) und Erythrulosereagieren mit den Eiweißbaustoffen der verhornten Zellen auf der Hautoberfläche (Hornschicht). Daraus resultieren braune Pigmente, die Melanoide.

 

Diese sind nicht mit dem Melanin identisch, welches in tieferen Hautschichten entsteht. Dies ist der Grund, warum die künstliche Bräune weniger natürlich aussieht als ein echter Sommerteint. Je nach Gehalt an DHA oder Erythrulose tritt der gewünschte Bräunungseffekt nach ein bis sechst Stunden ein. Umstritten ist vor allem das DHA, wenn es um gesundheitliche Risiken beim Selbstbräuner geht. Die Konzentration ist in den meisten Produkten zwischen drei und fünf Prozent. Bis zu zehn Prozent gilt als unbedenklich. Ist es zu warm oder wird das Produkt lange gelagert, zerfällt der Wirkstoff DHA jedoch in verschiedene chemische Substanzen. Dabei spaltet sich auch Formaldehyd ab; ein Stoff, der unter Gefahr steht, krebserregend zu sein, mutagen zu wirken, also das Erbgut zu verändern. Das Zusetzen von Formaldehyd ist seit 2016 nicht mehr zulässig. Das Gesetz gilt aber nicht für den Fall, wo es sich erst nach der Herstellung bildet. Dies bedeutet, dass die Hersteller von Selbstbräunern mit DHA also diesbezüglich auch keine rechtlichen Konsequenzen zu befürchten haben. Technisch wäre es möglich, durch Beifügen von Substanzen die Formaldehyd-Abspaltung zu minimieren. Ob dies aber eine wirkliche Lösung ist, darf bezweifelt werden. Seriöse Tests ergaben, dass immer noch eine grosse Anzahl Selbstbräuner Formaldehyd abspalten. Sogar Naturkosmetik-Produkte waren betroffen. Für die Hersteller von Selbstbräunern scheinen die Testergebnisse jedoch kein Grund zu sein, etwas zu ändern. Wer solche Produkte dennoch anwenden will, sollte dies nur vorübergehend tun, fürs Aufbewahren an einem kühlen Ort sorgen und sie nicht zu lange lagern.

Man kann also zusammenfassend sagen, dass weder Selbstbräuner noch zu intensive Sonnen-Strahlung gut für Haut und Körper sind. Bleibt die durchaus vernünftige und gewinnbringende Alternative sich mit seinem natürlichen Teint anzufreunden, Sonne im Mass zu geniessen und das überaus kostbare Kapital Haut nicht dem Wahn nach Bräune und vermeintlicher Schönheit zu opfern. Dass sich dies als nicht ganz einfach gestaltet, zeigt neben allen Werbungen, die uns überfluten, auch die zunehmende Anzahl an Angeboten zu Schönheit, Fitness, Schlankheit auf den Social Media, die unter dem Decknamen von Gesundheit und Wohlbefinden ihre Kreise ziehen. Dabei befinden sich durchaus seriöse und auch sinnvolle Ratschläge und Anstösse und die Menschen, die sich dafür einsetzen, tun ihre Arbeit meist mit Herzblut und Überzeugung. Jedoch wird oft indirekt suggeriert, und dies ist vor allem bei Jugendlichen nicht unbedingt positiv, dass wir nicht „gut genug“ sind, wie wir sind. Es muss also etwas getan oder gekauft werden, um zu genügen. Für Jugendliche ist dies kein Bild, das ihnen bei der Selbstfindung helfen kann. Es besteht die Gefahr, dass sie dabei auf einen weniger „gesunden“ Weg gelangen. Im Sinne von ab und zu etwas mehr „Sein als Schein“ hat Schönheit eben nicht nur ein Gesicht.