Flüchtlings-Handys werden ausgewertet

DMZ – POLIKTIK/SOZIALES ¦

Patricia Jungo ¦

#mittelländische ¦

 

Bei vielen Asylsuchenden fehlen Ausweispapiere, mit denen sie ihre Identität belegen können. Nun hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) im Rahmen eines Pilotprojekts eine Auswertung von Handys und Laptops von Flüchtlingen zu deren Identitätsprüfung vorgenommen. Die Flüchtlingshilfe taxiert dieses Vorgehen als klaren und tiefen Eingriff in die Privatsphäre. In den Tamedia-Zeitungen vom Samstag wird berichtet, dass vom SEM von November 2017 bis Mai 2018 in den ehemaligen Empfangs- und Verfahrenszentren Chiasso und Vallorbe 565 freiwillig abgegebene Datenträger zur Identitätsüberprüfung ausgewertet wurden. Dies führte in 15 Prozent der Fälle zu brauchbaren Hinweisen zur Identität oder zum Reiseweg der betroffenen Flüchtlinge. Gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone SDA bestätigte Daniel Bach, Sprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM), das Bestehen eines internen Berichts zum Pilotprojekt, auf den sich die Zeitungen berufen. Details zum Bericht liegen jedoch keine vor und er wurde auch nicht zur Verfügung gestellt. Bach sagte, die Resultate des Pilotprojektes würden aufzeigen, dass solche Evaluationen wichtige Hinweise zur Herkunft und Identität der Asylsuchenden und auch zu deren Reiseweg liefern könnten. Da es sich dabei um Auswertungen auf freiwilliger Basis gehandelt habe, sei der Schutz der persönlichen Daten zu jeder Zeit gewährleistet gewesen. Für die Schweizer Flüchtlingshilfe (SFH) gibt dieses Vorhaben Anlass zu scharfer Kritik, da es unter anderem nicht klar sei, ob die Daten von den Behörden nicht auch für andere Zwecke als Identitätsabklärungen benutzt würden. Dies sagte Mediensprecherin Eliane Engeler auf Anfrage. Für sie ist dieses Vorhaben sowohl rechtsstaatlich wie auch aus Sicht des Datenschutzes sehr bedenklich und ein drastischer Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen. Sie wies auch auf die im Strafrecht sehr restriktive Regelung betreffend Auswertung von Handydaten hin. So wäre es nur bei schweren Gesetzesüberschreitungen und bei begründetem Tatverdacht erlaubt, Smartphones von mutmasslichen Straftätern zu analysieren. Es fehle jegliche Argumentation, dass für Schutzsuchende dieselben oder gar noch strengeren Regeln gelten sollten. Der SEM-Sprecher bezeichnet die Datenauswertung als Eingriff in das Grundrecht, das informationelle Selbstbestimmung zusichert. Demzufolge sei eine gesetzliche Basis für alle Auswertungen notwendig, welche nicht auf freiwilliger Grundlage stattfinden würden. Zurzeit sei eine entsprechende Vorlage im Parlament hängig. Gemäss Zeitungsbericht soll die Staatspolitische Kommission des Nationalrates am nächsten Donnerstag über eine systematische Datenauswertung befinden. Weiter teilt das SEM mit, dass eine Person, die in der Schweiz Schutz suche und erhalte, auch glaubhaft machen müsse, dass sie bei einer Rückkehr Verfolgung und schweren Menschrechtsverletzungen ausgesetzt wäre oder einer unzumutbaren Lebenssituation. Es sei also durchaus auch im Interesse der Asylsuchen, die gelieferten Angaben mit Handy-Daten zu stützen. Der SEM-Sprecher erklärte, dass etwa drei Viertel der Asylsuchenden in der Schweiz ihre Identität nicht mit Ausweisen belegen könnten. Dabei seien die Gründe dafür vielfältig. Es gebe Länder, wo weder Geburtsurkunden noch Identitätspapiere existierten, wie beispielsweise in Teilen Afghanistans. Auch komme es oft vor, dass Schleuser oder Kriminelle den Flüchtenden die Pässe wegnähmen. Auch aus Seenot gerettete Menschen hätten auf der Reise oft ihre Identitätspapiere verloren. Das SEM berichtet auch, dass Handydaten im Asylverfahren in diversen europäischen Ländern auf freiwilliger Basis ausgewertet würden. In Deutschland bestehe dazu sogar eine gesetzliche Grundlage, die ein systematisches Auswerten der Daten ermöglichten.

 

 

Quelle: Bluewin news ¦