Jugendkriminalität: Zunahme an Gewaltdarstellungen und Pornografie

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Ehrverletzungen, Drohungen und Nötigungen fanden im vergangenen Jahr wieder vermehrt offline statt. Dafür nahmen Pornografie und Gewaltdarstellungen bei Jugendlichen erneut zu, wie die jährliche Erhebung der Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich zeigt. Auffallend ist, dass mehr Minderjährige pornografisches Material von sich selbst erstellen.

Schnell den Mitschüler per Snapchat beschimpfen, einen Porno in den Klassenchat raufladen oder die Kontrahentin mit nächtlichen Telefonanrufen bombardieren – Jugendliche agieren im digitalen Raum oft impulsiv, zeitweise überfordert und ohne an allfällige Konsequenzen zu denken. Konflikte, die früher auf dem Pausenplatz stattfanden, haben im digitalen Raum einen neuen Schauplatz gefunden – mit einer grösseren Öffentlichkeit und weitreichenden Folgen für die Opfer. Mit der zunehmenden Verbreitung der Smartphones sowie günstigen Flatrate-Abos nahmen in den letzten Jahren auch die durch Jugendliche begangenen Straftaten zu, in denen das Smartphone oder das Internet eine Rolle spielt. Es ist zudem davon auszugehen, dass viele deliktische Handlungen im Dunkeln bleiben und nicht angezeigt werden.

 

Gewaltdarstellungen nehmen zu

Zugenommen haben im vergangenen Jahr insbesondere die Gewaltdarstellungen, wobei die Fallzahlen noch immer tief sind. Wurden 2016 noch 18 Jugendliche wegen Gewaltdarstellungen verzeigt, waren es 2017 bereits 43 und im vergangenen Jahr sogar 56 minderjährige Personen. In knapp jedem zweiten Fall wurden die Gewaltdarstellungen auf dem Smartphone abgespeichert, in drei von zehn Fällen mittels Nachricht weitergeleitet oder in einen Chat gestellt. Verbreitet sind vor allem Videos, welche massive Gewaltanwendungen wie die Tötung von Menschen und Tieren zeigen. Vermehrt lässt sich aber auch beobachten, dass sich Jugendliche bei Schlägereien filmen lassen und die Aufnahmen teilweise auch weiterleiten.

 

Fallbeispiel 1

Im Rahmen des Spiels «Wahrheit oder Pflicht» erstellt der 14-jährige A. ein Foto seines erigierten Penis und verschickt dieses mittels Whatsapp an mehrere gleichaltrige Mädchen. A. wird wegen Pornographie verurteilt.

 

Explizite Aufnahmen mit weitreichenden Folgen

Ebenfalls leicht zugenommen mit 84 Beschuldigten hat die Zahl der wegen Pornografie verzeigten Jugendlichen (2017: 81). In jedem dritten Fall spielte selbsterstelltes pornografisches Material eine Rolle. Waren es früher primär Mädchen, die sich nackt in expliziter Pose fotografierten, filmen sich vermehrt auch männliche Teenager bei sexuellen Handlungen. Die weitreichenden Konsequenzen sind vielen zu wenig bewusst. Erstellen Jugendliche unter 16 Jahren explizite Videos oder Fotos von sich bei sexuellen Handlungen, gilt dies rechtlich gesehen als Kinderpornografie. Sind solche Aufnahmen erst einmal im Umlauf, können sie sich unkontrollierbar weiterverbreiten, geraten unter Umständen in falsche Hände und können als mögliches Druckmittel eingesetzt werden. So ging der Anteil der online begangenen Nötigungen im vergangenen Jahr zwar zurück und betrug noch 18 Prozent (2017: 30 Prozent), bei jeder zehnten Nötigung spielten aber Nacktbilder oder selbst erstellte Videos von sexuellen Handlungen eine Rolle.

 

Fallbeispiel 2

Der 15-jährige B. veröffentlich mehrere Videos mit verbotenen Gewaltdarstellungen und harter Pornografie im Klassenchat. Nach dem Grund gefragt, antwortet er, dass er sich nichts dabei gedacht habe. Er wird wegen Gewaltdarstellungen und Pornografie verurteilt.

 

Drohungen und Ehrverletzungen im Netz rückläufig

Zwar haben die Ehrverletzungen – wozu Beschimpfung, Verleumdung und üble Nachrede gehören – im vergangenen Jahr zugenommen, allerdings fanden sie vermehrt wieder offline statt. So sank der prozentuale Anteil von Ehrverletzungen im digitalen Raum von 66 auf 42 Prozent, wobei insbesondere Verzeigungen wegen Ehrverletzungen in Gruppenchats markant zurückgingen. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Drohungen; wurde 2017 noch jede dritte Drohung online ausgestossen, war es im vergangenen Jahr noch jede fünfte.

 

Fallbeispiel 3

Der 14-jährige C. droht einem anderen Jugendlichen mittels Sprachnachricht, ihn aufzuschlitzen, bedroht ihn mit dem Tod und beschimpft ihn massiv. Als Grund gibt er an, wütend auf den anderen gewesen zu sein, dieser hätte ihn in letzter Zeit immer wieder genervt. Ausserdem sei ihm langweilig gewesen. Er wird wegen Beschimpfung und Drohung verurteilt.

 

Sensibilisierung von Eltern und Jugendlichen als Ziel

Auch wenn sich weniger Jugendliche wegen Ehrverletzungen, Drohung und Nötigung im digitalen Raum vor den Jugendanwaltschaften des Kantons Zürich verantworten mussten, wäre es noch verfrüht, von einer Trendwende zu sprechen. Trotz zahlreichen präventiven Anstrengungen sind sich viele Jugendliche der Tragweite ihres Onlineverhaltens zu wenig bewusst. Die Oberjugendanwaltschaft des Kantons Zürich erhofft sich, mit der jährlich stattfindenden Erhebung einen Beitrag zur Sensibilisierung von Eltern und Jugendlichen für die Möglichkeiten und Gefahren des Internets zu leisten. Denn unüberlegtes Onlineverhalten lässt sich kaum mehr rückgängig machen und kann nicht nur strafrechtliche Konsequenzen, sondern auch psychische Schädigungen sowie persönliche Nachteile für die Zukunft, beispielsweise bei der Lehrstellensuche, zur Folge haben.

 

 

Quelle: Oberjugendanwaltschaft Zürich