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Jean-Pierre Gallati: «3 Millionen Franken für zwei Fälle bei Asylanten»

DMZ - POLITIK / SOZIALES ¦ Urs Berger ¦

 

In einem Artikel (siehe Screenshot) greift der Aargauer Regierungsratskandidat Jean-Pierre Gallati (SVP) Menschen auf der Flucht an. Ein perfider Artikel welcher vor Fehlern nur so strotzt.

 

In der Einleitung zum Artikel schreibt Jean-Pierre Gallati: «Im Jahre 2012 ist die ledige, damals 32-jährige xy* aus Eritrea in die Schweiz eingewandert. Ihr Asylbegehren hat das Bundesamt für Migration gutgeheissen, so dass xy eine Aufenthaltsbewilligung B erhalten hat. Seit dem Jahr 2013 hat ihre Wohngemeinde CHF 165`000.--- an Sozialhilfe bezahlt.»

 

Diese Aussage ist nicht richtig. Im Juni 2017 beantwortete der Bundesrat ein Postulat des Ständerates vom 30. März 2017 wie folgt: «Der Bund gilt dabei den Kantonen die Kosten der Sozialhilfe mit pauschal festgesetzten Bundesbeiträgen ab (Art. 88 AsylG; Art. 87 Abs. 1 AIG). Der Bundesrat legt dabei die Höhe der Pauschalen aufgrund der voraussichtlichen Aufwendungen für kostengünstige Lösungen fest. Er bestimmt die Ausgestaltung der Pauschalen sowie die Dauer ihrer Ausrichtung und die Voraussetzungen dafür.» Damit wird sowohl der Kanton als auch die Gemeinde vom Bund durch Pauschalen entschädigt.

 

Keine Gesetzteskenntnisse…

Weiter behauptet Gallati, dass die Eritreerin die Aufenthaltsbewilligung B habe. Auch dies ist nachweislich nicht richtig. Im gleichen Postulat schreibt der Bundesrat folgendes: « Das Ausländerrecht sieht vor, dass eine Zulassung durch eine Bewilligungserteilung grundsätzlich nur dann möglich ist, wenn in der Schweiz keine Sozialhilfe beansprucht wird. Zudem regelt es die Voraussetzungen für den Entzug und den Widerruf von Bewilligungen beim nachträglichen Bezug von Sozialhilfe.»

 

Auch der zweite Fall ist von Fehlern durchsetzt. Jean-Pierre Gallati schreibt hier folgendes: «Im Jahre 2009 reisten yz* und seine Familie mit dem damaligen zweijährigen Sohn aus Syrien in die Schweiz ein. Als vorläufig aufgenommene Flüchtlinge haben sie den Ausweis F. Von der Wohnsitzgemeinde haben sie bisher Sozialhilfe im Betrag von CHF 180`000.--- erhalten. Hinzu kommen die Kosten für das Kinderheim ihres heute 12-jährigen Sprösslings, was die Gemeinde bisher ca. CHF 200`000.--- kostete.»

 

... und auch Rechnen ist nicht einfach

Wie im ersten Beispiel verschweigt Gallati, dass die Kosten für die Sozialhilfe nicht durch die Gemeinde übernommen wird. Auch die Unterbringung des 12-jährigen Sohnes in einem Kinderheim werden vom SVP Fraktionschef nicht richtig angegeben. In einer Interpellation im Grossen Rat des Kanton Aargau schreibt der Regierungsrat: «Die Kosten werden in Form von Monatspauschalen berechnet (Fr. 8'060.– pro Kind).» Dieser Betrag bezieht sich aber auf eine Notfallintervention wie dies zum Beispiel bei einem Unfall beider Eltern oder dem Ableben der Eltern der Fall ist.

 

Weiter schreibt der Regierungsrat des Kanton Aargau weiter: «Die Wohnsitzgemeinde bezahlt Fr. 1'240.– pro Kind und Monat.» Auch hier greift der Aargauer Politiker in die Kiste der grossen Unwahrheiten. Der 12-jährige Sohn hätte direkt nach dem Einreisen mit seinen Eltern in ein Kinderheim kommen müssen und hätte dennoch nicht die von Jean-Pierre Gallati angeprangerten CHF 200`000.--- gekostet. Dazu hätte der Sohn bereits 5 Jahre früher in die Schweiz einreisen müssen. Dies war aber nicht möglich, da dieser bei der Einreise in die Schweiz erst 2 ½ Jahre alt war.

 

Drei Millionen kosten für fünf Personen – Flüchtlinge müssten 577 Monate in der Schweiz leben

Regierungsratskandidat Jean-Pierre Gallati fabuliert am Ende des Artikels wie folgt weiter: «Beide Fälle zusammen werden die Schweizer Bevölkerung Mindestens CHF 3`000`000.--- kosten.» Wie kommt der Politiker zu einer solchen immensen Zahl? Rechnet man die von der Sozialhilfe vorgegebenen Budgets um, so müssten die fünf Personen 577 Monate oder 48 Jahre in der Schweiz leben.

 

Ich frage mich, ob Jean-Pierre Gallati wirklich eine Ahnung von Sozialhilfe, Asylwesen oder dem Gesundheitswesen hat. Nach seinen eigenen Einschätzungen ja. Doch wenn ich den Artikel des Regierungskandidaten lese, dann kommen mir grosse Zweifel. Wer mit Unwahrheiten operiert, der wird auch in einer Regierung Unwahrheiten verbreiten.

 

*Die Namen wurden geändert.


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