Wer gewählt werden will, muss lügen!

DMZ - GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ David Aebischer ¦

So einfach ist das Prinzip beliebt zu sein, wählbar zu sein. Man muss lügen. Die Unwahrheit setzt sich auf Twitter, Facebook wie auf allen anderen Plattformen eher durch als die Wahrheit. Das ist das Resultat einer empirischen Studie. Die Wahrheit lässt sich  beliebig zurechtbiegen, aber immerhin nicht auf Dauer.

Deshalb ist man bereits nach relativ kurzer Zeit wieder ernüchtert über seine persönliche Wahl.

Ehrlich sein ist unpopulär

Seien wir doch einmal ehrlich. Menschen, die stets die Wahrheit sprechen, sind unpopulär, stören die Befindlichkeit, sind unbeliebt. Aus einem einzigen Grund, man will die Wahrheit nicht hören, sehr viel lieber das, was man hören will. Auch wenn man schlecht aussieht, will man vom Gegenüber hören, dass man gut aussieht. Genau das spielt den Leuten mit egoistischen Zielen immer in die Karten. Sie werden ihre Ziele erreichen, mit geschickten Lügen, Schmeicheleien, Versprechen - alles Schall und Rauch. Auf der anderen Seite werden Menschen, die die Wahrheit sagen, ausrangiert, angegriffen, geächtet, zerstört, bekämpft u.v.m. Das war schon zu Urzeiten so. Erfolgreich ist, wer lügen kann.

Wie gesagt, zum Glück nicht auf Dauer, dies auch aus egoistischen Gründen. Sonst würde man nämlich niemals ein treffendes Feedback über sich selbst erhalten, wenn nur gelogen würde. Wer wirklich sehen will, wo er steht, sollte die Wahrheit suchen. Nur ist die eben manchmal schmerzhaft, und so neigen wir dazu, sie zu meiden.

Das Ideal, nie zu lügen, ist zu respektieren. In wichtigen Dingen sollte man wahrhaftig sein. Aber wenn es darum geht, im Alltag mit anderen Menschen auszukommen, macht man sich das Leben sehr schwer, wenn man diesem Ideal strikt folgt. Wer stets unverblümt die Wahrheit sagt, ist meist unbeliebt. Wer davon betroffen ist, weiss, wovon die Rede ist. Für Menschen, die laufend die Wahrheit sprechen, ist es einfach nicht nachzuvollziehen, dass das Gegenüber lieber belogen werden will, als die Wahrheit hören zu müssen.

Gute Lügner sind sympathischer

Politiker und auch sozial geschickte Menschen lügen häufiger. Sie verstehen besser, was die soziale Situation erfordert. Weniger beliebte Menschen sind nicht so sensibel dafür, was ihre Gesprächspartner hören wollen, daher sind sie eher verletzend. Gute Lügner sind sympathischer. Für einige Menschen kommt dieses Verhalten schleimig rüber, andere suhlen sich gerade zu in solchen Kreisen und belügen sich wissentlich gegenseitig mit Wonne.

Allerdings kann man nicht sagen, dass man bewusst lügen sollte, um sich beliebt zu machen. Aber die meisten sozial kompetenten Menschen praktizieren das Lügen unbewusst als eine wirksame Technik. Es geht in ihr natürliches Repertoire ein. So natürlich, dass sie oft gar nicht merken, dass sie lügen. Noch viel verbreiteter ist dieses Phänomen in asiatischen Ländern. Da gehört es zum guten Ton, das Gegenüber nicht das Gesicht verlieren zu lassen.

Geführt von Lügnern

Auch wenn man dies alles weis, ist es freilich ernüchternd und nicht sehr erbauend. Denn das heisst ja dann auch, dass man Lügner in Führungspositionen und an der politischen Spitze sitzen hat. Ein wenig erbaulicher Gedanke. Wenn man dies ändern will, müsste man künftig die unangenehmen Kandidaten wählen, die mit der unbequemen Wahrheit argumentieren, statt nur immer dies zu wiederholen, was man selber gerne hören will, nämlich, dass die anderen Schuld sind, die oben, die drüben, die anderen! Nur eben niemals man selbst.

Ein Mensch lügt, wenn er etwas sagt, das der Realität, wie er sie sieht, widerspricht. "Unabsichtlich lügen" heisst, dass, wenn man darüber nachdenken würde, es auch als Lüge erkennen würde. 

Es gibt soziale Situationen, in denen Lügen nur minimale Folgen haben, weil der andere die Wahrheit weder kennen will noch muss. In anderen Situationen hat es verheerende Auswirkungen und ist inakzeptabel, was die Geschichte und die vielen Missstände deutlich aufzeigen.