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Neue Notfallsteuer, Revision Raumplanungsgesetz wird an die Handgenommen und Kohäsionsmilliarde gesprochen

DMZ - POLITIK ¦ Urs Berger ¦

 

Am zweiten Tag der neuen Session kamen das neue Zivilschutzgesetz, das Raumplanungsgesetz und die Kohäsionsmilliarde zur Diskussion. Ebenfalls nahm der Nationalrat eine Parlamentarische Initiative an, welche deine Notfall Gebühr in Spitälern fordert.

 

Das neue Zivilschutzgesetz wurde im Nationalrat noch einmal behandelt. Dabei galt es, die Differenzen zum Ständerat zu bereinigen. Von den fünf Differenzen beantragte die Sicherheitspolitische Kommission (SIK-N) des Nationalrates vier zu Übernehmen. Bei der fünften Differenz entschied sich die SIK-N dagegen. Kommissionssprecher Nicolo Paganini der CPV begründetet diese Vorschläge wie folgt: « Bei Artikel 9 will der Ständerat ausdrücklich im BZG festgeschrieben haben, dass die Systeme zur Warnung, Alarmierung und Information im Ereignisfall auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich sein müssen. Die Kommission nahm zur Kenntnis, dass diese Forderung ausser beim Notfallradio bereits heute umgesetzt ist. Auch ohne Festschreiben im vorliegenden Gesetz besteht die Verpflichtung zudem aufgrund des Behindertengleichstellungsgesetzes. Gleichwohl kann sich die SiK-N dem Ständerat anschliessen. Die Ergänzung kann beispielsweise beim Abwägen zwischen verschiedenen Systemen den entsprechenden Ausschlag zugunsten des Systems geben, das hörbehinderten Menschen zugänglich ist.

 

Bei Artikel 25 Absatz 2 Litera b hat der Ständerat auf Antrag der Redaktionskommission eine Präzisierung betreffend die Kostenaufteilung zwischen Bund und Kantonen bei bestimmten Kommunikationssystemen eingefügt. Die Kommission beantragt mit 24 zu 0 Stimmen, dem Ständerat zu folgen. Auch die Differenz in Artikel 42 ist kein Casus Belli dieser Gesetzesberatung. Es geht um die Frage, ob auch freiwillig geleistete Schutzdiensttage besoldet sein sollen. Personen, die freiwillig Schutzdienst leisten, sind überwiegend Frauen, Ausländer und Schweizer über 37 Jahre. Sie sind nicht wehrpflichtig und bezahlen folglich auch keine Wehrpflichtersatzabgabe.

Betroffen von der vorliegenden Bestimmung sind zwei Gruppen. Es geht einerseits um Personen, die das Schweizer Bürgerrecht erst nach dem 30. Altersjahr erwerben, sowie um Schweizer, die nach der Rekrutenschule untauglich werden. Beide haben nicht die erforderliche Zahl Militärdiensttage absolviert und müssen daher eine Wehrpflichtersatzabgabe leisten. Gleichzeitig unterstehen sie aber von Gesetzes wegen nicht mehr der Schutzdienstpflicht und können so nur noch freiwillig Schutzdienst leisten. Es dürfte sich in der Praxis nur um sehr wenige betroffene Personen handeln, da von den genannten Kategorien nur ein kleiner Teil freiwillig Schutzdienst leisten will. Gewisse Kantone leiden unter der sinkenden Zahl von Schutzdienstpflichtigen. Will nun zum Beispiel ein eingebürgerter 32-Jähriger freiwillig Schutzdienst leisten, so ist dies im Interesse der Sache. Die Kommission hat sich mit 25 zu 0 Stimmen einstimmig dafür ausgesprochen, dass diese geleisteten Tage bei der Wehrpflichtersatzabgabe angerechnet werden können.»

 

Die fünfte Differenz war die Kostenbeteiligung der Schutzräume und wie diese gelöst werden soll. Die Kommission entschied sich gegen die Variante des Ständerates. Der Kommissionssprecher erklärte dies wie folgt: «Es geht ganz konkret um die Frage der Verwendung der Ersatzbeiträge im Schutzraumbau und um den Unterhalt privater Schutzräume. Die Differenz ist wohl nicht zuletzt deshalb entstanden, weil in einem auf der Homepage einsehbaren Arbeitspapier des Bundesamts für Bevölkerungsschutz in Zusammenhang mit der Verwendung der Ersatzbeiträge fälschlicherweise festgehalten war, es könne nur die Erneuerung des Lüftungssystems über Ersatzbeiträge finanziert werden. Dies ist bereits unter geltendem Recht nicht so, und es soll an der heutigen Rechtslage auch nichts geändert werden.

 

Unter Erneuerung im Sinne von Artikel 63 Absatz 3 versteht man substanzerhaltende Massnahmen wie die Reparatur oder den Ersatz der technischen Systeme und der Bausubstanz. Zu den technischen Systemen gehört das Lüftungssystem mit allen Komponenten wie Überdruckventil, Ventilationsaggregat und Filter. Zur Bausubstanz gehören zum Beispiel die Betonhülle und die Panzertüre mit Dichtung. Alle Kosten, die für die Erneuerung dieser Teile anfallen, können mit der Version von Bundesrat und Nationalrat mit Ersatzbeiträgen gedeckt werden. Die Details gehören selbstverständlich in die Verordnung und nicht ins Gesetz.

Viel weiter geht nun aber der Ständerat mit seiner Formulierung "sämtlicher Kosten". Der Ständerat wollte bewusst eine Differenz schaffen, damit die Frage nochmals fundiert abgeklärt werden kann. Mit seiner Fassung wäre dem Einreichen von Rechnungen für die Folgen mutwilliger Beschädigung des Schutzraums ebenso Tür und Tor geöffnet wie von Rechnungen für eine neue Glühbirne, einen Farbanstrich oder die Reinigung des Schutzraums».

 

Raumplanungsgesetz 2. Etappe Teilrevision

Die zweite Etappe des Raumplanungsgesetztes und dessen Teilrevision droht zu scheitern. Der Nationalrat beschloss nicht eintreten. Die Voten waren in einer interessanten Diskussion geprägt von den meisten Bürgerlichen. Angeführt von der SVP wurde vor allem um die Planungs- und Kompensationsansätze. Dies hätten vorgesehen, dass bestimmte Bauten hätten weichen müssen oder an anderer Stelle zu kompensieren seien. Mehrheitssprecher Mike Egger von der SVP begründete die Entscheidung der Kommission auf das Nichteintreten mit den Worten: «Die UREK-N beurteilt gerade den vom Bundesrat beantragten Planungs- und Kompensationsansatz als nicht umsetzbar und nicht praxistauglich. Speziallandwirtschaftszonen werden als nicht zweckmässig erachtet, da aufgrund der Nähe zu Siedlungsgebieten neue Probleme wie beispielsweise Lärm oder Geruchsemissionen entstehen können. Ebenso ist fraglich, ob die vorgesehene Rückbaupflicht in der Praxis umsetzbar sowie verhältnismässig ist. Denn sie würde insbesondere in der Landwirtschaft hohe Zusatzkosten verursachen. Eine Betriebsübergabe würde damit erschwert.

Hier muss man schauen, ob ein solches Gesetz praxistauglich ist, ja oder nein. Wir von der UREK-N kommen zum Schluss, dass mit diesen Forderungen, mit diesen Massnahmen in dieser Botschaft die Praxistauglichkeit schwer umstritten ist. Die beantragten Instrumente lassen gemäss der Kommission somit zu viele Fragen offen und stellen eine nicht zweckmässige Stossrichtung der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes dar, welche in vorliegender Form von einer Mehrheit der Kommission als nicht praxistauglich eingestuft wurde.»

 

Der Minderheiten Sprecher der Kommission Martin Bäumle (GLP) hielt dem entgegen, «Die Ängste der Landwirtschaft können die Grünliberalen durchaus nachvollziehen, aber sie sind falsch. Wer einen solchen Weg, der die Landwirtschaft stärken kann, blockiert, riskiert zu einem späteren Zeitpunkt den Erfolg einer radikalen Initiative. Die Zersiedelung ausserhalb der Bauzone wird sich bei einem Nichtstun noch weiter verstärken, und der Druck wird weiter ansteigen.

Es lagen immer Initiativen und Vorlagen auf dem Tisch, die mit dem Versprechen abgelehnt wurden, es komme etwas Besseres. Die grünliberale Fraktion findet den Entwurf des Bundesrates gut und findet, dass man auf die Vorlage eintreten soll und kann. Es darf nicht sein, dass man nur deshalb nicht darauf eintritt, weil das Thema als zu komplex erscheint. Das ist eine Ausrede. Ein Nichteintreten wäre schade. Die Vorlage hat das Eintreten verdient. Wir könnten uns auch vorstellen, diese Vorlage später mit einem Experimentierartikel zu ergänzen oder umzubauen, damit die Kantone sie freiwillig anwenden könnten. Um solche Möglichkeiten zu eröffnen, um Alternativen zu schaffen, müssen Sie auf die Vorlage eintreten. Treten Sie mit der grünliberalen Fraktion auf diese Vorlage ein und geben Sie ihr eine Chance, damit wir mit dem Raumplanungsrecht ausserhalb der Bauzone endlich vernünftig regulieren können.»

 

Die SVP führte weiter aus, dass diese Probleme auf die Migration zurückzuführen seien. So stellte Nationalrat Christion Imark (SVP) seinem Kollegen Beat Jans von der SP die folgende Frage: «Herr Kollege Jans, inwiefern sind Sie, um die Zersiedelung zu stoppen, bereit, das Problem an der Wurzel anzupacken, nämlich bei der Zuwanderung? Inwiefern sind Sie dazu bereit? Oder sagen Sie beim Thema Zuwanderung auch "Nichteintreten"?»

 

Jans antwortet darauf: «Herr Imark, ich verstehe, dass Sie bei jedem Problem den Zusammenhang zur Migration herstellen wollen. Aber in diesem Fall scheint mir das doch allzu weit hergeholt. Es geht, wie gesagt, nicht um das Bauen innerhalb der Bauzone und um das Schaffen von Bauzonen für zusätzlich zugewanderte Leute, sondern es geht um das Bauen ausserhalb der Bauzonen. Dort nimmt die Zahl der Gewerbetreibenden, die dieses Land beanspruchen, ab - und nicht zu. In diesem Fall liegen Sie hier mit Ihrer Analyse, die ja jedes Mal kommt, völlig falsch.»

Auch den Angriff von SVP Präsident Alfred Rösti wies Beat Jans gekonnt ab. Der SP Nationalrat wies in seinen Ausführungen darauf hin, dass die Bauern auch selber schuld seien, dass ein neues Raumplanungsgesetz nötig sei. Zu oft würden neue Ställe einfach neben alte gebaut und in den alten dann «irgendetwas eingelagert, welches nicht den Zweck eines Stalles erfülle.» Die brachte den SVP Präsidenten auf die Palme: «Herr Kollege Jans, ist das nicht eine ungeheure Unterstellung, die Sie jetzt gerade an die Adresse der Bauern gemacht haben, nämlich dass diese sozusagen freiwillig Land verschwenden würden? Ist es nicht vielmehr so, dass gerade Sie sehr oft gefordert haben, dass - ich stelle das nicht infrage - tierschutzmässig und ökologisch viel grössere Ställe gebaut werden müssen? Sie sollten nicht den Bauern unterstellen, dass Boden verschwendet wird.»

Beat Jans konterte mit einer Statistik. «Die Statistik gibt eigentlich die Antwort, Herr Rösti. Ich sage es noch einmal: Die Fläche mit landwirtschaftlichen Bauten ist innerhalb von 35 Jahren um 27 Prozent angewachsen - um 27 Prozent! -, obwohl sich die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe halbiert hat. Das Problem sind nicht unbedingt die neu gebauten Ställe, sondern dass auf der anderen Seite die alten falsch, ineffizient und nicht im Sinne des Raumplanungsgesetzes genutzt werden.»

 

Nicht nur Jans musste sich mit den teilweise unlogisch konstruierten Fragen der SVP auseinandersetzten. Auch der Grüne Bastien Girod bekam eine solche zu spüren. Nach seinen Ausführungen, wieso die Grünen für das Eintreten sei, wollte Andreas Glarner von der SVP wissen, ob «es nicht ein bisschen absurd, wenn Sie hier den Verlust von Fruchtfolgeflächen beklagen und gleichzeitig einer der Haupttreiber einer ungehinderten Zuwanderung von rund 60 000 Personen im Jahr sind, was netto die Überbauung einer Fläche von rund 3000 Fussballfeldern zur Folge hat?»

 

Girod`s Antwort sorgte im Rat für Heiterkeit: «Vielen Dank, Herr Kollege, für diese Frage. Zuhören scheint nicht Ihre Stärke zu sein; denn es ist so, ich kann es wiederholen: Die Bevölkerung, die Wohnbevölkerung, hat im Nichtbaugebiet abgenommen - nicht zugenommen, sondern abgenommen. Dennoch hat die Siedlungsfläche zugenommen. Das ist die Herausforderung. Deshalb sollten wir hier Lösungen finden.»

Dennoch hackte die SVP erneut nach und brachte ihre Begrenzungsinitiative ins Spiel. Ihr Präsident führte dabei aus, dass alles doch einfach wäre: «Das Beste, das Sie tun können, um die landwirtschaftliche Kulturfläche zu schützen und noch die Biodiversität zu erhöhen, ist, im Mai einfach der Begrenzungs-Initiative zuzustimmen - da brauchen Sie dieses Gesetz nicht. Es ist einfach so! Es ist einfach so: Wenn in diesem Land zu viel bebaut wird, wenn Sie Fläche schützen wollen, dann können Sie diese 50 000 Leute, die jährlich ins Land einwandern, nicht unter der Brücke schlafen lassen. Das ist das Perfide an dieser Gesetzesvorlage. Deshalb sind wir klar für Nichteintreten.»

 

Bundesrätin Simonatta Somaruga wies nach Abschluss der Eintretensdebatte noch einmal darauf hin, dass die zweite Etappe der Teilrevision des Raumplanungsgesetztes von Nöten sei. An die Adresse des Rates sagte sie abschliessend:  «Sie dürfen selbstverständlich schon sagen, dass Sie diesen Ansatz nicht wollen, aber irgendwann werden Sie der Bevölkerung sagen müssen, was Sie tun wollen, um die Zersiedelung in der Landwirtschaftszone zu stoppen.»

Trotz all dieser Voten setzte sich die Ablehnende Haltung durch. Der Nationalrat entschied sich mit 108 gegen 83 Stimmen für ein nicht eintreten auf die Revision. Damit verpasste es der Nationalrat einen wichtigen Schritt zur Zersiedelung der Landwirtschaftszone zu tun. Dies wird sich an der Urne in den kommenden beiden Jahren vermutlich rächen.

 

Kohäsionsmilliarde – «Für was zahlen wir eigentlich?»

In der Diskussion über die Kohäsionsmilliarde wurde vor allem über die Teilnahme an Schule und Forschung gestritten. Dabei ging es um die Programme Horizon und Erasmus. Dabei stiess Nationalrat Eric Nussbaumer sauer auf, dass der Bundesrat in diesen Bereichen nicht vorwärts macht. «Leider ignoriert das der Bundesrat seit Jahren, und er handelt gerade in Bezug auf die Kooperationsbemühungen nicht gemäss den Aufträgen unseres Parlamentes. Ich muss es leider sagen, wie es ist: Die Parlamentsentscheide werden vom Bundesrat geringgeschätzt. Im Jahr 2017 hat das Parlament eine Motion überwiesen, welche die erneute Vollassoziierung der Schweiz ans Programm für Bildung Erasmus plus verlangt. Der Bundesrat macht nichts und will anscheinend auch nichts machen. Verhandlungen hat er jedenfalls bis heute nicht aufgenommen. Beim Forschungsprogramm Horizon Europe ist es das Gleiche. Man weiss nicht, ob der Bundesrat auch für die nächste Periode die Vollassoziierung will; man weiss nicht, ob er verhandelt oder ob er bereits akzeptiert hat, dass unser Forschungsplatz und unsere Hochschulen auf Drittstaatenniveau zurückgestuft werden.

Gleiches im Jahre 2018: Damals wurde der Bundesrat mit einem Postulat beauftragt, die zukünftige Zusammenarbeit mit der EU in einem Bericht darzulegen. Der Bundesrat erklärte sich bereit, das Postulat von alt Nationalrat Martin Naef bis zum Ende der letzten Legislatur zu beantworten. Ich zitiere aus der Antwort des Bundesrates zur Annahme des Postulates: "Der Bundesrat wird dem Parlament in der laufenden Legislaturperiode einen solchen Bericht mit einer Standortbestimmung seiner Strategie vorlegen." Diese Legislatur fand gestern ihr Ende, den Bericht haben sie nicht erstellt. Warum der Bundesrat die parlamentarischen Aufgaben nicht erledigt und Fristen verstreichen lässt, das weiss hier niemand.»

Anders sah es die Ratsmitte und die anderen Bürgerlichen Parteien. Vor allem die SVP legte sich wieder ins Zeug. «Für was zahlen wir die Milliarden an die EU, wenn diese uns nicht entgegenkommt?»

 

Dabei übersieht die SVP jedoch, dass gerade sie mit ihrem Verhalten die EU dazu verleitet, sich nicht der Schweiz anzunähern. Angeführt sei hier die Abstimmung über die Masseneinwanderung, die kommende Abstimmung über die Begrenzungsinitiative oder die Durchsetzungsinitiative. Alle drei Initiativen sind und waren für die EU immer ein Stein des Anstosses. Da kann es nicht erstaunen, dass die EU keine (weiteren) Zugeständnisse macht und auf die Ratifizierung des Rahmenabkommens pocht.

Weiter ignoriert die Partei, dass die Wirtschaft von der Beziehung mit der EU profitiert. Ohne diese wäre die Schweiz schon längst finanzielle nicht mehr so gut aufgestellt wie heute.

Notfallsstrafe kommt

Gegen den Willen der Ratslinken nahmen die anderen Parteien ohne grosse Diskussion eine «Notfallstrafe» an. Diese sieht vor, dass die Spitäler in Zukunft für jeden einzelnen Fall 50 Franken erheben müssen. Die bürgerlichen wären hier lieber weiter gegangen. Für sie reichen diese 50 Franken nicht aus, um die Patienten vom Notfall weg zu halten.

Dabei übersehen diese wissentlich, dass nicht der Patient das Problem ist, sondern die seit Jahren dauernden Kürzungen im Pflegebereich. Die Notfallstationen sind wegen dem fehlenden Personal dauern überlastet, können den Dienst nicht richtig versehen und arbeiten unter Dauer Stress. Nicht selten warten die Patienten bis zu einer Behandlung weit über vier Stunden oder länger.

Die Politik hat hier wahrlich ein sehr schlechtes Signal gesetzt. Kommissionssprecherin Yvonne Feri von der SP blieb den auch von der Mehrheit und ihrer Argumentation ungehört. «Wir haben es gehört: Die gesetzlichen Regelungen sind so anzupassen, dass alle Patienten und Patientinnen, die eine Spitalnotfallpforte aufsuchen, vor Ort eine Gebühr von beispielsweise 50 Franken bezahlen müssen. Diese ist nicht an die Franchise oder Kostenbeteiligung anrechenbar. Von dieser Gebühr können Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sowie alle Patienten und Patientinnen mit ärztlicher Zuweisung oder einer nachfolgenden stationären Behandlung ausgenommen werden.

Ist das wirklich die Lösung, um Kosten zu sparen oder die Bevölkerung über Geld quasi zu erziehen? Eine Gebühr belastet vor allem die Ärmsten, alte Personen und chronisch Kranke. Zudem würde sie neue Fehlanreize setzen, denn Patientinnen und Patienten könnten unnötigerweise stationäre Behandlungen verlangen, um die Gebühr zu umgehen. Der Entscheid muss bei den Notsuchenden liegen, ob sie eine Apotheke, einen Hausarzt oder eine Konsultation auf einer Spitalnotfallstation benötigen. Sie mit einer Gebühr abzuschrecken, würde auch bedeuten, die freie Arzt- und Spitalwahl zu umgehen.

Sehr viele Menschen haben keinen Hausarzt mehr und reagieren erst im Notfall. In der Stadt ist es einfacher, ins Spital zu gehen, und auf dem Land findet man in der Regel nicht so schnell einen Hausarzt oder eine Hausärztin, weshalb wiederum die Notfallstation zum Zuge kommt. In unserer heutigen Gesellschaft findet jeder seinen eigenen Notfall so dramatisch, dass er oder sie ins Spital geht und nicht noch lange eine Alternative sucht. Säumige Prämienzahler und Prämienzahlerinnen werden vorzugsweise Ambulatorien ausserhalb ihres Gebiets aufsuchen, weil sie nur dort überhaupt noch behandelt werden.

 

Es bleiben auch viele offene Fragen. Ein Patient oder eine Patientin hat kein Geld dabei. Was geschieht mit dieser Person? Wird sie weggewiesen und hat dadurch nachfolgend grössere gesundheitliche Probleme? Wer übernimmt dafür die Verantwortung? Wie gross ist der administrative Aufwand für den Vollzug dieser Gebühr? Frisst dieser Aufwand die Aufnahmen weg?

Spitäler haben schon vor einigen Jahren angefangen, bei Eintritten in den Notfall eine Triage durchzuführen, um zwischen leichten, mittelschweren und schweren Notfällen zu unterscheiden.

Ausserdem wurden sogenannte Notfallpraxen vorgelagert. Dieses System funktioniert sehr gut und kommt gleichzeitig dem veränderten Patientenverhalten mit einer medizinischen Rund-um-die-Uhr-Betreuung entgegen. Die Kantone und Spitäler können von sich aus aktiv werden, um die Triage zu handhaben. Wir brauchen dafür keine Gebühr zu installieren.

Zudem sind im Einzelfall Streitigkeiten darüber zu erwarten, ob es sich um einen Bagatellfall handelt oder eben nicht. Denn die Definition eines Bagatellfalls liegt nicht vor, und oft stellt sich heraus, dass aus einem Bagatellfall ein Notfall wird - was dann?

Die SGK-S und eine Minderheit der SGK-N, welche ich hier vertrete, lehnen daher die vorliegende parlamentarische Initiative ab. Tun Sie es auch - sie ist nicht die Lösung.»

Am Ende nahm der Nationalrat die Vorlage an. Sie behebt mit der Annahme keine Probleme, sondern schafft neue, grössere.


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