Hausaufgaben – gestern – heute – morgen?

DMZ - Gesellschaft - Patricia Jungo ¦

 

Auch die Hausaufgaben entkommen dem gesellschaftlichen Wandel nicht und ein Blick auf ihre Geschichte reicht, um festzustellen, dass dieses Thema nicht erst seit heute die Gemüter erhitzt. Es ist geradezu verblüffend, wie lange Hausaufgaben schon der Kritik ausgesetzt sind. Ihre Geburtsstunde liegt im 15. Jahrhundert und nach der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im 18. Jahrhundert erlangten Hausaufgaben den Status eines klaren Bestandteils des Unterrichts. Bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts warnten jedoch Eltern, Erzieher und Ärzte vor zeitlicher Überlastung und Hausaufgaben waren sehr umstritten.

 

Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder die Befürworter in der Überzahl waren, erfolgten nach dem Zweiten Weltkrieg erste Untersuchungen zur Hausaufgabenpraxis. Die massgebenden Entwicklungen unserer Gesellschaft können Schule und Öffentlichkeit trotz fest verankerter Tradition der Hausaufgaben schon lange nicht mehr übersehen. So wird seit einigen Jahren die Hausaufgabenpraxis oft und zu Recht kritisch überprüft. Untersuchungen und Studien häufen sich und die Debatte um Sinn und Unsinn von Hausaufgaben entfacht immer wieder neu. Wo die einen zu einer totalen Abschaffung aufrufen und Hausaufgaben als sinnlosen, täglichen Kampf verschreien, bleiben andere bei der festen Überzeugung, dass Hausaufgaben unbestritten zur Schule gehören und ein wichtiges Fenster zur Schule für die Eltern bleiben. Mit der Einführung des Lehrplans 21 wurden die Hausaufgaben beispielsweise in bestimmten Kantonen auf ein Minimum reduziert oder ganz abgeschafft. In anderen Kantonen wiederum wurden sie nach einer Abschaffung wieder eingeführt. Beleuchtet man das brisante Thema von mehreren Seiten, wird rasch klar, dass es auch hier nicht nur „Weiss oder Schwarz“ gibt.

 

Gemäss neusten Studien machen die Hausaufgaben unsere Kinder nicht klüger. Sie fördern den Lernerfolg demnach nur sehr wenig. Dieser geringe Nutzen ist ebenfalls vom Zeitaufwand abhängig, den die Kinder in die Hausaufgaben investieren müssen. Je grösser dieser ist, desto geringer ist auch der Nutzen. Im Durchschnitt ziehen also vor allem ältere und leistungsstarke Schüler Nutzen daraus. Studien, die belegen, dass Leistung und Wissen durch das systematische Erledigen von Hausaufgaben gesteigert wird, liegen keine vor. Des Weiteren sind Kinder, die sich zu Hause an niemanden wenden können, mit dem klassischen Hausaufgabenmodell benachteiligt, was keinesfalls dem Bestreben nach Chancengleichheit entspricht. Hausaufgaben im traditionellen Sinn bergen in Familien viel Konfliktpotential, sei es wegen fehlender Unterstützung oder zu viel Kontrolle mit Eltern als Hilfslehrer. Fragt man die Hauptbetroffenen, also die Schülerinnen und Schüler selbst, geben sie an, vom Nutzen der Hausaufgaben überzeugt zu sein, wenn diese gut vorbereitet und in den Unterricht integriert seien. Weisen sie uns, wie so oft, die vernünftige und gewinnbringende Richtung in Sachen Hausaufgaben? Liegt der Schlüssel nicht eher in der Art der Hausaufgaben und im Versuch, sie in neue Formen zu integrieren, sie im Zeichen der Individualisierung zu personalisieren? Statt sie abschaffen zu wollen, wäre es eventuell wertvoller, ihnen ihren wahren Sinn wiederzugeben: Sie sollten den Kindern helfen, Vertrauen in ihr Können zu gewinnen und Erfolgserlebnisse zu haben.

 

Die pädagogische Absicht muss sein, die Selbsttätigkeit der Kinder zu fördern. Entsprechende Versuche laufen bereits an vielen Schulen. So werden vermehrt vorbereitende und denkanregende Hausaufgaben erteilt, die auch differenziert werden können, die Hausaufgabenzeit wird in Lernateliers in die Schule integriert, es wird betreute Aufgabenzeit angeboten und Kinder können auch einmal wählen, was sie für andere schon „andenken oder vorbereiten“ wollen oder was sie gerade am meisten weiter bringt. Der Weg ist noch lang und eine für alle zufriedenstellende Lösung liegt auch bei diesem emotionalen Thema in weiter Ferne. Jede Schule hat die Aufgabe, ihre bewusste „Hausaufgabenkultur“ regelmässig zu überdenken. Wenn Hausaufgaben, dann mit „Qualität“ und als Mehrwert für unsere Kinder! Sieht eine Schule von Hausaufgaben ab, muss sie für Eltern neue „Fenster“ finden und für die Kinder andere „Gefässe“ schaffen, um an ihren möglichst individuellen Aufträgen zu arbeiten. Es bleiben uns unbestritten noch etliche „Hausaufgaben“! Packen wir sie im Interesse der Kinder gemeinsam an! 

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