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Klimastreiks und Bürgeraufstände: Die junge Schweiz auf der Strasse

DMZ – GESELLSCHAFT/LEBEN ¦ Patricia Jungo ¦

 

Auf der politischen Agenda der Schweiz haben die grossen Bürgerbewegungen zum Klimaschutz und beim Frauenstreik im 2019 einen wichtigen Platz eingenommen. Die Jugend fordert direkt mitbestimmen und mitberaten zu dürfen. Gemäss Berechnungen des Schweizer Fernsehens SRF haben seit Anfang Jahr 170 Klimastreiks an 60 Orten stattgefunden.

 

So viele Aufmärsche hat unser Land seit den Anti-Atomkraft-Kundgebungen in den Siebziger- und Achtzigerjahren nicht mehr gesehen. Politikwissenschaftler Marco Giugni von der Universität Genf sagt, mit dem «Greta»-Effekt und dem Warnruf des Klimanotfalls hätten die Jugendlichen es geschafft, der Umweltthematik zu maximaler Aufmerksamkeit zu verhelfen. Kein Bestreben im Sachen Umwelt hatte bis anhin die Massen bewegen können. Auch am Frauenstreik am 14. Juni markierten eine halbe Million Menschen eine starke Präsenz. Was die beiden zeitgenössischen Bewegungen verbinde, sei die Idee des Bürgeraufstands zu Lebensbereichen, in denen die Politik bisher nichts erreicht habe, meint Marco Giugni.

 

Der «Streik»-Begriff, den die Klimaaktivisten übernommen hätten, sei nun sinnbildlich für den Widerstand der Bürger und den Aufstand des Volkes. Man geht davon aus, dass beiden Bewegungen auch ein Schlüssel zum Erfolg der Grünen und der Frauen bei den Eidgenössischen Wahlen am 20. Oktober waren. Dennoch haben die jungen Aktivistinnen und Aktivisten nicht vor, sich von der Politik vereinnahmen zu lassen. Lena Bühler, Berner Gymnasiastin und Aktivistin der ersten Stunde sagt klar, der Klimastreik unterstütze keine Partei und lasse sich auch nicht in das klassische Links-Rechts-Schema der institutionellen Politik zwingen. Für den nächsten nationalen Klimastreik vom 15. Mai will die Bewegung keine Partei beiziehen. Hingegen sollen Gewerkschaften, bäuerliche Organisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGO) bei der Mobilisierung mithelfen. Ziel dabei ist es, die Basis der Bewegung breiter abzustützen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) überlegt sich bereits, wie er die Bewegung unterstützen könnte. Dies berichtet die SGB-Zentralsekretärin Dore Heim.

 

Der SGB zieht es derweil vor, von einem Aktionstag zu reden und vermeidet den Begriff „Streik“. Die politischen Parteien entscheiden frei über ihre Teilnahme. Die Jungen wollen vor allem auf die Zivilgesellschaft zählen, was durchaus als Misstrauen gegenüber den Institutionen gedeutet werden könnte, doch sehr überrascht in unserer direktdemokratischen Schweiz. Der Genfer Wissenschaftler Marco Giugni bezeichnet dies als „schweizerisches Paradox“ und erklärt, die Jugendlichen würden nicht mehr auf Referendum und Initiative setzen und Abstimmen eher als einschränkend und reglementierend empfinden. Für sie geht es ums Mitbestimmen und Mitberaten. Bei der Politik muss es klar mehr ums Individuum gehen und es muss einen praktischen Bezug zum Alltag geben, wie beispielsweise beim nachhaltigen Konsum. Für Marco Giugni geht es bei der Abstimmung auf der Strasse um eine Erweiterung des demokratischen Ausdrucks und dies ist durchaus kompatibel mit dem Abstimmen an der Urne.

 

 

Quelle: bluewin news


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