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Archäologen tauchen im Thunersee vor dem Schloss Schadau

Quer durch den nördlichen Siedlungsbereich zieht sich eine Erosionskante, wo die Pfähle freigespült werden und letztlich umkippen. © Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Daniel Steffen
Quer durch den nördlichen Siedlungsbereich zieht sich eine Erosionskante, wo die Pfähle freigespült werden und letztlich umkippen. © Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Daniel Steffen

DMZ - WISSENSCHAFT ¦

 

Von Januar bis März 2020 untersucht die Tauchequipe des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern (ADB) bronzezeitliche Pfahlbauten im unteren Thunersee. Sie wurden erst vor fünf Jahren entdeckt. Bereiche der rund 3500-jährigen Siedlungen sind stark erosionsgefährdet und drohen demnächst zu verschwinden.

 

Erste Abklärungen in den Pfahlbauten haben gezeigt, dass sich der nördliche Bereich der Fundstelle in einem besorgniserregenden Zustand befindet. Aus den Siedlungsschichten freigespülte Funde liegen ungeschützt am Seegrund, weshalb sie stetig zerstört werden. Von manchen jahrtausendealten Pfählen sind nur noch letzte Reste im untersten zugespitzten Bereich erhalten. Besonders dramatisch ist eine quer durch das Areal verlaufende Erosionskante, die sich jährlich bis zu einem halben Meter weiter in die Seesedimente frisst. Die dort freigespülten Pfähle kippen um. Ursache für die gewaltige Seegrunderosion ist die starke natürliche Strömung in der Nähe des Aareausflusses sowie die intensive Schifffahrt.

Mittels dendrochronologischer Jahrringuntersuchungen wurden die Pfähle in die frühe Bronzezeit um 1590–1540 v. Chr. datiert. Um die wertvollen Zeugnisse vergangener Tage vor ihrem endgültigen Verschwinden zu dokumentieren, führt die Tauchequipe des ADB eine dreimonatige Rettungsgrabung durch. Die Taucharbeiten finden während der ausserordentlichen Seeabsenkung statt, wenn der Schiffsverkehr im Untersuchungsbereich eingeschränkt ist.

 

Pfahlbauten im unteren Thunersee waren eine unerwartete Entdeckung

Die Überraschung war gross, als ein Sporttaucher dem ADB 2014 verschiedene Bronzeobjekte überreichte, die er im Thunersee eingesammelt hatte. Nach seiner Fundmeldung startete die Tauchequipe eine Untersuchung: Schon beim ersten Tauchgang zeigten sich am Seegrund Pfähle und Keramikscherben, die eindeutig von prähistorischen Siedlungen stammen. Pfahlbauten waren im Thunersee bisher kaum bekannt. Hingegen gibt es reiche Grabfunde der frühen Bronzezeit aus Thun, Hilterfingen, Amsoldingen und Spiez. Entsprechend gross ist die wissenschaftliche Bedeutung der Neuentdeckung von Siedlungen jener Zeit.

Inzwischen sind mehrere Siedlungen aus der frühen (1590–1540 v. Chr.) und späten Bronzezeit (1050–950 v. Chr.) bekannt, die sich über ein Areal von mindestens 15 000 m2 im unteren Thunersee verteilen. Diese Ausmasse sind beachtlich und stehen den grossen Seeufersiedlungen jener Zeit an den Jurarandseen in nichts nach. An bestimmten Stellen lassen sich sogar ohne detaillierte Abklärungen typische Bebauungsmuster derartiger Seeufersiedlungen ausmachen, dazu gehören Umzäunungen oder dicht aneinandergereihte Häuser.

 

Pfahlbauten sind ein bedrohtes Bodenarchiv

Pfahlbauten sind ein aussergewöhnliches Kulturerbe. Sie zeichnen sich durch eine hervorragend gute Erhaltung aus, insbesondere auch von organischen Materialien. Denn in der sauerstoffarmen Umgebung unter Wasser konnten Konstruktionshölzer wie die Häuserpfähle, aber auch zahlreiche Alltagsgegenstände oder Speisereste Jahrtausende überdauern. Sie erlauben der Forschung detaillierte Einblicke in die Lebensweise der damaligen Seeanwohnerinnen und -anwohner. Deshalb sind die «Prähistorischen Pfahlbauten um die Alpen» seit 2011 Unesco-Welterbe. 

Pfahlbauten sind jedoch auch ein fragiles Kulturerbe, das geschützt werden muss. Natürliche Ereignisse wie Wellenschlag lassen die Siedlungsreste erodieren, und menschliche Eingriffe wie die Konstruktion von Hafenanlagen haben in der Vergangenheit oft zu deren unbeobachteter Zerstörung geführt.

 

 

Quelle: Kanton Bern


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