Gedenkjahr für Kräuterpfarrer Johann Künzle

DMZ - GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ Marco Perroulaz ¦

KOMMENTAR

Vor fünfundsiebzig Jahren verstarb der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte »Kräuterpfarrer Johann Künzle«, ein wahrer Experte in Kräuterheilkunde. Er hatte die letzten fünfundzwanzig Jahre seines Lebens als Heilpraktiker in Zizers gewirkt. Im aktuellen Gedenkjahr widmet ihm das Bündner Dorf darum ein abwechslungsreiches Programm mit mehreren Ereignissen, dessen erstes eine Gedenkmesse und dessen zentraler Event ab Mai ein Themenweg ist. Absicht der Organisatoren ist es unter anderem, insbesondere den Jungen die Kräuterkunde wieder vertrauter zu machen.

Der katholische Pfarrer Johann Künzle (03.09.1857-09.01.1945) hatte elf Jahre in Wangs (heute Vilters-Wangs) im Sankt Galler Rheintal für seine Schäflein gesorgt, bevor er nach Zizers umzog. Einerseits wurde es ihm wohl zuviel, zugleich als Dorfpfarrer zu amtieren und der steigenden Nachfrage nach seiner Heilkunde nachzukommen. Und andererseits passte sein Erfolg den Ärzten natürlich überhaupt nicht. Jedenfalls hatte ihn mindestens einer davon, ein Arzt in Wangs, bei seinem Bischof angeschwärzt, worauf Künzle das Bistum wechselte und sich als Priester zurückzog. In einem zeitgenössischen Filmdokument kann man Künzle selbst berichten hören, wie er in Zizers von den Schulmedizinern empfangen wurde. Sie machten offenbar massiv Stimmung gegen ihn und forderten das Volk auf, gegen ihn zu votieren. Doch dieses tat genau das Gegenteil und erlaubte ihm schliesslich seine Tätigkeit sogar per Abstimmung. Bekannt ist, dass er vor der Aufnahme seiner Tätigkeit beim ‚Sanitätsdepartement‘ ein Staatsexamen abzulegen hatte, das er bestens meisterte. Die Prüfungsexperten brachte er mit der Frage in Verlegenheit, ob er die Antworten auf Latein oder Griechisch geben solle.

»Joh. Künzle Pfr.« wurde nun immer bekannter und befasste sich mit Heilpflanzen, Menschen, Krankheiten. Die steigende internationale Nachfrage erforderte eine gewerbliche Produktion und seine Bücher kann man bis heute kaufen. Sein bekanntestes ist »Chrut und Unchrut«, das er so schrieb, dass auch Laien begriffen, welche Kräuter gegen ihre Beschwerden helfen können. Es wurde ein Renner und wurde sofort stark nachgefragt und im Laufe der Zeit millionenfach verkauft. Mit nachweisbar gutem Erfolg behandelte Künzle allein mit seinen Kräutern und -mischungen Fieber und Unwohlsein ebenso wie Nierenleiden, Tuberkulose und sogar die Spanische Grippe.

»In seiner Wohngemeinde Wangs gab es während der Spanischen Grippe keinen einzigen Todesfall: Hier trank man in jedem Haus prophylaktisch die von ihm eigens zusammengestellte Teemischung: Stechpalme, Wermut

und Salbei.« schreibt Susi Oser in einer Buchbesprechung zum ‚Roman‘ von Marianne Künzle »Uns Menschen in den Weg gestreut«, über ihren Namensvetter Kräuterpfarrer Johann Künzle, seine Person und sein Leben, der 2017 im Berner Zytglogge Verlag erschienen ist.

Nur wenige Monate nach dem Ableben von Kräuterpfarrer Johann Künzle im Alter von über 87 Jahren erschien auch noch sein Lebenswerk, »Das grosse Kräuterheilbuch«, das aktuell mit Nachdruckabsicht vergriffen ist.

Noch vor wenigen Jahren gab es nebst Kräutermischungen und -tees eine ganze Palette von Pastillen, die unter dem Namen »Lapidar Nr. X« mit seinem Konterfei und der typischen Signatur »Joh. Künzle Pfr.« versehen in der Apotheke zu bekommen waren. Davon sind nur zwei übrig geblieben. Heute befasst sich das Familienunternehmen ›Schaer Pharma‹ in Itingen BL mit ›Künzles Erbe‹, welches diese erst 2007 antreten durfte. Leider sind längst nicht mehr alle Produkte der einst grossen Palette erhältlich, die noch dazu teilweise (die Tees) auch im Coop zu bekommen sind. Hergestellt werden die Produkte nach wie vor in der Schweiz.

»Die Gründe wieso nicht mehr alle ursprünglichen Produkte angeboten werden sind vielfältig. Im Laufe der Zeit haben sich die Kundenbedürfnisse und der Markt verändert und gewisse Produkte wurden nicht mehr nachgefragt. Die Gesetze haben geändert oder teilweise auch die Verfügbarkeit gewisser Substanzen/Kräuter in der notwendigen Qualität.« erläutert Marketingleiter Thomas Müller auf Anfrage die Situation.

Kommentar: Bei seiner Ankunft in Zizers sah sich Johannes Künzle wohl ähnlich wie schon Theophrastus Bombastus von Hohenheim, Paracelsus, dreihundert Jahre zuvor, einer Armada von unfreundlich gesinnten Schulmedizinern ausgesetzt. Das Prozedere ist heute noch dasselbe. Wenn die Schulweisheit keinen plausiblen Grund für die Wirksamkeit eines alternativen Mittels kennt oder dieses sogar effizienter ist, wird es eben verschrien und als ›Hokuspokus‹ dargestellt. Letztlich hat recht wer die Macht hat und die Macht hat wer das Geld hat...Dank unseren obligatorischen Krankenkassenbeiträgen.

Biografie Kräuterpfarrer Joh. Künzle

https://www.pfarrerkuenzle.ch/de/index.php/pfarrer-kuenzle/biographie

Das »Joh. Künzle Pfr.« Angebot

https://www.kp-kuenzle.ch/produkte_a-z/

Jubel-Programm

Verein »Chrut & Uchrut«

https://www.chrutunduchrut.ch/2020.html