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75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz und Politische Gedanken zum Gedenktag

DMZ - GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ Urs Berger ¦

 

Am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von der roten Armee erobert und die Gefangenen befreit. Die teilweise nachgestellten Bilder der russischen Fotografen gingen danach um die Welt. Sie sorgten erst Jahre später für die nötige Empörung.

 

Als wir in der Schule den zweiten Weltkrieg behandelten, war die »Shoah« nur eine Randbemerkung. Das rund 11 Millionen Menschen in Konzentrations- oder Vernichtungslager umgebracht wurden, wurde thematisiert, jedoch in ungenügender Tiefe. Auch Heute wird dieses Thema offenbar ungenügend abgehandelt. Anders kann ich mir den Rassismus gegen Menschen auf der Flucht oder gegen andere Glaubensrichtungen nicht vorstellen.

 

Wenn wir nach Deutschland blicken, wird es mir ganz fahl im Magen. Da spricht doch der AfD- Politiker Alexander Gauland davon, dass die Zeit des dritten Reiches »nur ein Vogelschiss« in der Geschichte sei. Seine Parteikollegen Björn Höcke und Alice Weidel äussern sich ähnlich. Der Antisemitismus ist wieder in der Politik angelangt.

 

Die SVP ist die AFD der Schweiz

In der Schweiz übernimmt diese Rolle die SVP. Mit Maden hat die Wählerstärkste Partei der Schweiz in diesem Jahr den Wahlkampf angeheizt. Bei der Masseneinwanderungsinitiative setzte die Partei auf ein Messerschlitzer Inserat und wurde rechtskräftig verurteilt. Auch bei anderen Fragen zu Europa oder zu Menschen auf der Flucht zeigt sich die Partei von Christoph Blocher wenig zimperlich.

Die Schweizer »Volkspartei« dreht den Ärmsten der Schweiz tagtäglich die Schraube noch mehr an. Die Sozialhilfe soll generell gekürzt werden, die Renten noch weiter gesenkt und die Pensionskassen ausgehöhlt werden. Mit all diesen Provokationen und Diskussionen verfolgt die Partei ein einziges Ziel: Die anderen sind schuld, dass es uns schlecht geht. Nicht wir, die Class Politique.

Mit denselben Mitteln wurde der Boden für die folgende Vernichtung der Juden, Sinti- und Roma, den Homosexuellen und »Arbeitsscheuen Elementen« vorbereitet. Die National Sozialistische Deutsche Arbeiter Partei und deren Führer sahen früh, wie sie die Bevölkerung beeinflussen konnten. Als mit Joseph Goebbels ein begnadeter Rhetoriker (»Wollt ihr den totalen Krieg?«) Die Bühne der NSDAP betrat, wurde deren Machtanspruch und Aufstieg kaum mehr gebremst. Mit dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 begann das Leiden der Deutschen Bevölkerung und der Welt.

 

Gezielt geschürter Hass

Der Hass auf anders denkende Menschen, auf Muslime, Juden, schwarze Menschen oder Homosexuelle nimmt erneut zu. 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz-Birkenau müssen wir uns heute erneut den gleichen Mitteln ausgesetzt sehen, wie vor dem zweiten Weltkrieg. Gezielt setzten gewisse Kreise aus dem bürgerlichen Lager eine verschärfte Tonart gegen diese Menschen in unserem Land an. Bezieht ein Bürger in der Schweiz Sozialhilfe, so wird er als »Sozial Schmarotzer« hingestellt. Menschen auf der Flucht werden pauschal als »Sozialhilfe Flüchtlinge« oder als Wirtschaftsflüchtlinge abgekanzelt. Obwohl unterdessen die ganze Welt über die Zustände in Syrien, Iran, Irak, Afghanistan oder Eritrea Bescheid wissen sollte.

 

Wieder heisst es »Wir gegen die anderen« oder »Wir gegen die Islamisierung«. Offenbar haben wir in Europa nichts aus der Vergangenheit gelernt. Eilenden Schrittes laufen wir der SVP und anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa in die Arme. Wir denken nicht nach, überlegen nicht, wohin dies führen könnte. Wenn sogar eine Bundesrätin eine Verordnung verabschiedet, in welcher die Humanitären Grundrechte von Menschen auf der Flucht ausgehebelt werden, wenn der Kanton Aargau Einbürgerungen von Ausländern damit verknüpfen will, dass diese in den letzten 10 Jahren (!) keine Sozialhilfe bezogen haben und in verschiedenen Kantonen eine weitere Verschärfung der Sozialhilfe anstreben, dann kehren schlechte Gedanken zurück.

 

Wir haben nichts gelernt

Haben wir aus der Vergangenheit nicht die richtigen Lehren gezogen? Haben wir die Gräueltaten des zweiten Weltkriegs bereits wieder vergessen? Mir scheint so. Doch wir müssen nicht bis in die 30/40er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückreisen, um zu sehen zu was der Mensch fähig ist, wenn er von Ideologen missbraucht wird. Ein Blick auf den in den 1990er Jahren tobenden Krieg in Ex-Jugoslawien reicht, um zu realisieren, dass wir nie vergessen dürfen. Dort wurden Bürger des eigenen Landes hin gemetzelt, interniert, erschossen. Nur weil diese nicht Serben waren.

Wenn wir den bisher grössten Völkermord, begonnen an Juden, Sinti, Roma oder Homosexuellen, in der modernen Geschichte vergessen oder verdrängen, ermöglichen wir, die Bürger, den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien auf der ganzen Welt. Die rund 11 Millionen Opfer des Holocaust wären uns dann wirklich nichts anderes Wert, als ein »Vogelschiss in der Geschichte«. Für mich ein unerträglicher Gedanke.  


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