Was sagt Kant?

DMZ - KULTUR ¦ Matthias Walter ¦

 

Immanuel Kant (1724-1804) war ein deutscher Philosoph. Er zählt zu den Begründern der Aufklärung. Sein bekanntestes Werk - "Die Kritik der reinen Vernunft" - sorgte für eine Neuordnung in der Philosophie. Kant war vielseitig interessiert - insbesondere in den Naturwissenschaften. Er gilt womöglich als der bekannteste und angesehenste Philosoph aller Zeiten. Allerdings ist auch er nicht unumstritten.

Grundsätzliches
Nach Kant entstehen Raum und Zeit erst mit dem Menschen, sie sind relativ, nicht absolut. Ohne den Menschen existieren Raum und Zeit also gar nicht - wir können nicht anders, als alles in Raum und Zeit zu ordnen! Sie sind die Aprioritäten ("a priori") des Denkens, Kategorien unseres Verstandes. Wir sind mit ihnen ausgerüstet, bevor die Erfahrungen in uns reinkommen, sie existieren vor aller Erfahrungen, und sind dann anzuwenden für die Erfahrungen! Mit ihnen öffnet sich uns die Sinnenwelt. Kant schlug sich weder auf die Seite der Rationalisten, noch auf die der Empiristen - sondern versuchte, beide Positionen zu versöhnen (Synthese), eine Neubildung eines Systems, das uns zeigt, wie unser Erkenntnisapparat mit dem Wissen der Außenwelt interagiert.

Mit Hilfe der Kausalität (eine weitere Verstandeskategorie) gehen wir an diese Erfahrungen heran, die auch nicht aus der Erfahrung stammt, sondern ein Mittel von uns ist (Rationalismus). Würden wir also Gott oder den Seinsgrund mit der Kausalität begründen wollen, würde dies schlichtweg keinen Sinn ergeben. Es wäre ein falscher Gebrauch dieser Kategorie des Verstandes. Auch das oft thematisierte "Ding an sich" - der prominente Ausdruck von Kant!, den viele Philosophen aufgreifen werden -, das dem Menschen verborgen bleibt bzw. ja bleiben muss, kann mittels der Kausalität nicht eruiert werden (es ist und bleibt unerkennbar). Die "Mittel in unserem Kopf", die wir also auf die äußere Welt legen, reichen nicht aus, um die reichhaltigere bzw. "andere" Außenwelt vollständig zu begreifen - unser Verstand bzw. unsere Sinne sind einfach zu begrenzt, es fehlt sozusagen an weiterer Ausstattung.

Das Sein - bzw. unser Sein - ist also ein vom Menschen vorgestelltes Sein - demnach nichts Absolutes. Die Welt spielt sich somit in unserem Bewusstsein ab. Der Begriff der "Kopernikanischen Wende" ist hier von zentraler Bedeutung. Kant vernichtete damit die traditionelle Metaphysik und schuf eine moderne Erkenntnistheorie. Schopenhauer wird ihn deshalb einen Spielverderber nennen (die fehlende Metaphysik). Hegel wird beispielsweise behaupten, dass das "Ding an sich" sehr wohl erkennbar sei, da wir es ja schließlich denken können und somit sei es auch in uns.

Unsere Sinne sortieren also zunächst alles räumlich und zeitlich. Unser Verstand sucht dann für bestimmte Erfahrungen entsprechende Begriffe. Unser Denken bedient sich hierbei der vier Kategorien (die auch Aristoteles annahm): Quantität, Qualität, Relation und Modalität. Jede Kategorie erhält drei weitere Kriterien (Quantität: Einheit, Vielheit, Allheit - Qualität: Wirklichkeit, Unwirklichkeit, Reichweite eines Urteils - Relation: Verhältnis von Substanz und Akzidenz, Ursache und Wirkung, Wechselwirkung - Modalität: Möglichkeit und Unmöglichkeit, Dasein und Nichtsein, Notwendigkeit und Zufälligkeit). Kant bezeichnet sie schließlich als zwölf unterschiedliche Kategorien, womit unsere Urteile geformt werden. Und dies können wir, weil diese seit unserer Geburt in uns angelegt sind (eine Position des Rationalismus - es ist bereits in unserem Verstand). Andererseits - im Bereich der Kausalität, wenn wir also die Welt mit ihr erfahren und somit auch konstruieren - spielt auch der Empirismus wieder eine zentrale Rolle. Hier also die bereits erwähnte Interaktion zwischen Rationalismus und Empirismus - Kant ist hier kein Dogmatiker!

Kant und der freie Wille
Ohne freien Willen kann es keine wirkliche Freiheit geben. Und wenn der Mensch in seinen Handlungen nicht frei ist, kann er auch für sein Handeln nicht zur Verantwortung gezogen werden. Wo ist hier Platz für die Ethik - eine Hauptdisziplin der Philosophie? In einer Welt der Ursache und Wirkung (Kausalität) ist eigentlich kein Raum für Willensfreiheit.

Kant sieht ein, dass in unserer Erscheinungswelt keine Freiheit da sein kann. Wenn sie in unserer Welt nicht da ist, dann vielleicht in der Welt außer uns, also in der Außenwelt? Das "Ding an sich", die unzugängliche Außenwelt ist nicht an unseren Verstand gekoppelt, also gibt es dort auch nicht die strikte Ordnung von Ursache und Wirkung. Für Kant ist diese unabhängige Außenwelt das "Reich der Freiheit". Der Philosoph aus Königsberg kann dieses Reich nicht beweisen, aber er fordert es! Wieso tut er das? Damit der Mensch eben frei handeln kann! Wir vermuten es, fordern es, und somit hat es Geltung, also ist es auch völlig korrekt. Als Naturwesen (Triebwesen) gehören wir nicht dem "Reich der Freiheit" an, sondern dem "Reich der Erscheinungen". Wenn wir aber unser Gewissen heranziehen und instrumentalisieren, sind wir nach Kant dieser Erscheinungswelt jedoch immer voraus (das Gewissen fordert uns ständig auf, immer und überall moralisch zu handeln). Wir "sollen" moralisch handeln. Aus diesem Sollen muss ein Wollen werden. Und wenn dies vollzogen ist, hat das "Ding an sich" gewonnen. Der Philosoph von Weltformat nennt dies "sittlich". Sittlich sind wir, wenn wir uns als Wesen der Triebnatur überragen. Die sogenannte "praktische Vernunft", die eben aus dem "Ding an sich" stammt.

Diese Gebote der "praktischen Vernunft" zielen nicht auf Belohnungen oder generell bestimmte Zwecke ab. Sie sind die Pflicht ihrer selbst Willen!

Der kategorische Imperativ
"Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde."

Kant ist nicht der Erste, der dieses Gebot aufstellt. Aber es ist nicht nur ein Gebot oder eine Weisheit des Lebens. Es soll unbedingt ein Gesetz sein! Wie bereits formuliert, ist dieses Gesetz im "Reich der Freiheit" beheimatet. Dieser Imperativ verdient es, nochmals hervorgehoben zu werden - weil er historisch so berühmt wie traditionell ist.

In "Die Metaphysik der Sitten" arbeitete Kant all dies akkurat aus.

Zum ewigen Frieden
Die Schrift "Zum ewigen Frieden" gehört zu den bekanntesten Werken von Immanuel Kant. Und doch gerät sie gefühlt immer etwas in Vergessenheit. Kant hat sich also auch Gedanken über Weltpolitisches gemacht und versuchte auf Grundlage seiner Moralphilosophie zu erklären, wie ein permanenter Frieden zwischen allen Staaten der Welt möglich sein könnte. Ähnlich wie bei Hobbes gibt es wohl auch bei Kant einen chaotischen Naturzustand - der Frieden ist also keineswegs naturgegeben und gesichert! Er muss viel mehr errichtet, gesichert, gestiftet werden. Das Gewaltverbot der UNO-Charta (ein völkerrechtlicher Vertrag) wurde von Kant maßgeblich beeinflusst. Die Vergangenheit - und auch jüngere Ereignisse - haben jedoch gezeigt, dass die Umsetzung alles andere als einwandfrei funktioniert.

Zum Inhalt: Die Schrift enthält sechs sogenannte Präliminarartikel an denen drei Definitivartikel angefügt sind.

Der erste der Präliminarartikel besagt, dass es nach dem Krieg einen echten Friedensschluss geben muss. Es darf also beispielsweise aus dem Hinterhalt keine neuen Kriegsvorbereitungen geben. Zweitens: Man soll Länder nicht erwerben können - weder durch Tausch, Kauf, Schenkung oder Vererbung. Dies würde die Bürger demütigen. Der dritte Artikel: Stehende Heere sollen mit der Zeit ganz verschwinden, um Bedrohungen und somit auch ein Wettrüsten zu verhindern. Kant befürwortet eine reine Verteidigungsarmee. Viertens: Keine Verschuldung für Kriege! Kant spricht sich hier einfach gegen Kredite für Kriege aus. Je mehr Mittel zur Verfügung stehen, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines Krieges. Staaten können Derartiges sogar als Kriegserklärung verstehen. Auch Spekulationsgeschäften wären hier Tür und Tor geöffnet. Der fünfte Präliminarartikel: Kein Staat soll sich in die Angelegenheiten eines anderen Staates einmischen. Man soll sich gegenseitig als Staaten die Souveränität zubilligen. Das bedeutet konkret, dass sich weder in die Verfassung eingemischt werden darf, noch das direkt interveniert werden sollte - auch, wenn es die Bedingungen eigentlich fast schon erfordern. Einen derartigen Rechtsbruch möchte Kant unter keinen Umständen (hier denkt man sofort an die Interventionspolitik der USA, die nach dem Zweiten Weltkrieg zahlreiche völkerrechtswidrige Angriffskriege ausführte). Sechstens: Im Krieg müssen bestimmte Regeln eingehalten werden. Der Krieg soll also so geführt werden, dass ein Frieden auch wieder möglich werden kann.

Das sind also Kants sechs Präliminarartikel. Wie erwähnt, sind drei weitere Artikel - die sogenannten Definitivartikel - angeheftet. Erster Artikel: Die Machtzusammenballung innerhalb eines Staates soll verhindert werden. Die Verfassung in in jedem Staat soll republikanisch sein. Niemand darf über dem Gesetz stehen, es gilt die Gleichheit vor dem Gesetz für jeden. Selbstverständlich spielt hier auch die Gewaltenteilung die zentrale Rolle. Exekutive und Legislative müssen getrennt sein. Für Kant taugt nur die Republik für einen ewigen Frieden. Heutige Systeme ähneln Kants Entwurf sehr stark. Zweitens: Kant fordert einen Völkerbund auf föderaler Ebene. Die Staaten sollen also im Sinne der Friedenssicherung zusammenarbeiten. Der dritte und letzte Definitivartikel: Ein Weltbürgerrecht in Form eines Besuchsrechtes: Jeder soll Menschen in anderen Staaten besuchen dürfen. Dies begünstigt widerrum Friedensprozesse, da sich Menschen vielseitig verbinden und verständigen können. In bestimmten Fällen dürfen Besucher aber auch abgewiesen werden. Grundsätzlich muss der Besucher also immer auch den Gastgeber anerkennen.

Der Weltweise aus Königsberg
Immanuel Kant gilt als wohl der bedeutendste Philosoph der deutschen Geistesgeschichte. Für viele ist Kant ein Genie und "der Größte" aller Philosophen.

Er pflegte einen strikten Tagesablauf (um 5 Uhr stand er auf und dann stets um 22 Uhr ins Bett) und war bekannt für seinen Humor. Zeit seines Lebens blieb Kant jedoch allein, das Glück in der Liebe fand er nie. So hatte er konstant alle Kapazitäten für sein Denken zur Verfügung. Und diese nutzte er wie kaum jemand anderes. Kant ist weltweit anerkannt. Unumstritten ist niemand, also auch nicht Kant. Ohne jeden Zweifel kann man jedoch sagen, dass Kant ein absoluter Überflieger innerhalb der Philosophiegeschichte gewesen ist. Größen wie Schopenhauer lehnten sich an "den großen Kant" an und versuchten, ihn weiterzuentwickeln. Auch in den Schulen und Universitäten steht Kant ganz oben auf den Lehrplänen.

 

Ja, Kant war und ist einfach ein Weltstar!


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