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Horror: Jugendamt nimmt Müttern ihre Kinder weg, weil Beziehung zu eng ist

DMZ - SOZIALES ¦

 

Mutter und Kind werden ohne triftigen Grund voneinander getrennt, das Kind kommt ins Heim. Was nach einem Horror-Märchen klingt, ist bittere Realität für mehr als 42 Familien in Deutschland. Ein Soziologe hat die Fälle untersucht, seine Entdeckungen machen sprachlos. Auf Anfrage werden (allerdings nur anonym) ähnliche Vorfälle in der Schweiz bestätigt.

 

Deutschland

Wolfgang Hammer ist Soziologe, Experte im Jugendhilfewesen und war Koordinator der Bundesländer für den Bereich Kinder- und Jugendpolitik. Ein wirklicher Experte, wenn es um Fragen rund um das Kindeswohl geht. Als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats beim Deutschen Kinderhilfswerk (DKHW) begleitet er das Forschungsprojekt "Umsetzung der UN - Kinderrechtskonvention in Deutschland".  Betroffene, Anwälte und auch Jugendamtmitarbeiter wenden sich immer häufiger an ihn udn sprechen von zweifelhaften Fällen von Inobhutnahme. Mütter und Kinder werden voneinander getrennt, gegen ihren Willen und ohne Begründung einer unmittelbar drohenden Kindeswohlgefährdung. Diese Menschen haben in Jugendamt und Politik  kaum noch Vertrauen, auch die Medien wollten bisher nicht über ihre Fälle berichten. Bei Hammer hingegen haben sie Erfolg.

 

 

Wegen "zu enger" Beziehung ins Heim?

Der Soziologe wählt aus den 167 Fällen 42 Stück aus, die er in einer Fallstudie näher beleuchten möchte. Denn bei diesen hat er Einblick in alle wichtigen Unterlagen: hilfebegründete Berichte, Hilfeplan-Protokolle, begleitende Korrespondenz der Jugendämter mit den Betroffenen und den Gerichten, Gutachten sowie Gerichtsbeschlüsse.

Das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit zwischen den 42 Fällen. Alle Betroffenen sind alleinerziehend und weiblich, darunter 39 Mütter und drei Grossmütter. Ihnen allen wurde ihr einziges Kind weggenommen - und das nur, weil angeblich die Mutter-Kind-Beziehung zu eng war.

Eine Horrorvorstellung und für Betroffene unbegreiflich. Viele verfallen einer Ohnmacht. Denn eine "dringende Gefahr für das Wohl des Kindes" bestand in keinem der 42 Fälle, die Hammer untersucht hatte. Im Gegenteil: "Es gab in keinem Fall vorher Meldungen an das Jugendamt durch Dritte mit Hinweisen auf eine Kindeswohlgefährdung", hält der Soziologe in seiner Studie fest.

 

Schlimmer noch, Mütter wandten sich hilfesuchend ans Jugendamt - das nahm ihnen ihre Kinder weg. Meist wandten sie sich an diese Stellen mit der Bitte um Unterstützung bei Unterhaltsforderungen bzw. Transferleistungen (Kindergeld, Wohnungsgeld) oder bei Ferien mit dem Kind, Mutter-Kind-Kuren, Kosten von Schulausflügen, Nachhilfe, Schulbedarf und ähnlichem. "Keine der Mütter äußerte, dass sie mit der Erziehung ihres Kindes so überfordert sei, dass sie sich nicht mehr in der Lage sah, ihr Kind zu erziehen und zu versorgen."

Statt den Müttern zu helfen, unterstellten die Jugendämter eine zu enge oder zu belastete Mutter-Kind-Beziehung und legten 31 Müttern eine ambulante Erziehungshilfe nah und trennten die Familien schliesslich in allen Fällen voneinander. Alles, ohne ein psychologisches Gutachten, das den Verdacht auf eine symbiotische Mutter-Kind-Beziehung bestätigt hätte. Diese wurden erst nach der Inobhutnahme in Auftrag gegeben. Die Frauen müssen sich wie vor den Kopf gestossen gefühlt haben.

Ähnliche Fälle gibt es gemäss einem Experten, der anonym bleiben will, auch in der Schweiz. Ob eine Mutter-Kind-Beziehung einfach nur eng oder schon symbiotisch ist, ist ein himmelweiter Unterschied. Der Experte betont: "Eine wirklich symbiotische Beziehung wird man selten finden."

 

 

Letztlich sind diese Trennungen auch traumatisierend für die Kinder. Es sind die Kinder, die den grössten Schaden davon tragen. Wesensveränderungen, aggressives Verhalten, Essstörungen, sogar Selbstmorddrohungen waren bei den Betroffenen keine Seltenheit.

 

Immerhin - aber dennoch unnötig

Die Familiengerichte hingegen erkannten sehr wohl, dass hier etwas nicht stimmte. Zudem warfen die nach der Inobhutnahme erstellten psychologischen Gutachten ein ganz anderes Licht auf die Familienverhältnisse. Entsprechend wurde bei fast allen Fällen gerichtlich verordnet, Kinder und Mütter wieder zu vereinen.

 

 

Es ist zu hoffen, dass die Studie von Hammer Fachleute und die Politik wachrüttelt. Denn es bedarf dringender Massnahmen. Mit der Angst vor dem Versagen und dem Druck das Richtige zu tun, spielen die Ämter mit dem Leben der Jüngsten unseres Landes. Auch das Vertrauen der Hilfesuchenden ist damit dahin. 

"Das Schlimme ist, dass solche Institutionen geschaffen wurden, um Eltern und Kinder zu unterstützen - und ihr staatliches Wächteramt der Inobhutnahme nur dann auszuüben, wenn es keine Alternative gibt", sagt Hammer. "Inobhutnahmen aus Angst oder Unsicherheit bewirken aber genau das Gegenteil. Es ist an der Zeit, dass alle Jugendämter wieder zu Orten der Hilfe und Beratung werden, an die Eltern sich vertrauensvoll wenden können." 

 

 

Quellen: Website Wolfgang Hammer ¦ Focus ¦ unilu


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