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US-Präsidentschaftswahlen - wie funktionieren sie?

DMZ - POLITIK / INTERNATIONAL ¦ Matthias Walter ¦

 

Die Wahlen in den USA sind nicht so einfach wie in zahlreichen europäischen Staaten. Es handelt sich auch um eine andere Form der Demokratie.

 

In Deutschland beispielsweise haben wir es mit der sogenannten "parlamentarischen Demokratie" zu tun (es werden Volksvertreter ins Parlament gewählt - "repräsentativ"). Kurz und knapp: Mit der Erststimme wählt man einen Anwärter aus seinem Wahlkreis, mit der Zweitstimme - die wichtigere - wählt man eine Partei, die von einem Kandidaten aus der Landesliste vertreten wird. Nach der Auszählung der Stimmen - was relativ rasch am Abend des Wahltages geschieht - und der Zusammensetzung des Parlaments, wählt der Bundestag den Bundeskanzler, der vom Bundespräsidenten vorgeschlagen wurde. Interessant: Der Bundeskanzler, als "Vorstand des Kabinetts", hat gewissermaßen mehr Machtspielräume als der Bundespräsident - absolut gesehen ist der Bundespräsident aber dennoch sehr mächtig: er setzt z.B. Unterschriften unter Gesetze! In der Rangordnung sehr weit oben steht zudem der Bundestagspräsident.

 

In den USA ist dies etwas anders - und womöglich etwas vereinfacht. Für den ein oder anderen vielleicht aber auch komplizierter. Eins nach dem anderen...

 

In Amerika konzentriert sich nicht alles auf einen Wahltag bzw. auf den Wahlkampf in "klassischer Art" zuvor. In den Vereinigten Staaten gibt es das sogenannte "Wahljahr" - der ganze Prozess erstreckt sich über mehrere Monate.

 

Zunächst gibt es die Vorwahlen innerhalb der Parteien in dem "Zwei-Parteien-System" (Demokraten und Republikaner). Das heißt, beide Parteien bestimmen erstmal einen Kandidaten - dieser muss älter als 35 Jahre sein, die US-Amerikanische Staatsbürgerschaft haben, seit 14 Jahren in den USA leben und höchstens einmal Präsident gewesen sein (die Präsidentschaft darf maximal 8 Jahre laufen!). Außerdem darf er nicht vorbestraft sein.

Sind alle Punkte erfüllt, ist der Kandidat berechtigt gegen andere Kandidaten anzutreten. Diese können nun von Parteimitgliedern und Bürgern direkt gewählt werden. Danach stehen die Präsidentschaftskandidaten der verschiedenen Parteien fest.

 

Jetzt kommen die - oft gehört - Wahlmänner ins Spiel. Jeder Bürger mit Wahlrecht (z.B. volljährig - 18 Jahre) wählt zunächst durch "indirekte Wahl" den Präsidenten - dabei wählen sie nicht direkt - abschließend - den Präsidenten, sondern tun dies letztlich über die Wahlmänner (538 an der Zahl, wovon jeder Bundesstaat zunächst 3 feste Wahlmänner hat, die restlichen werden anhand der Bürgeranzahl aufgeteilt, was zur Folge hat, dass nicht jeder Wahlmann gleich viele Bürger vertritt)! Dabei gilt das Prinzip "the winner takes it all": hat ein Präsidentschaftskandidat die meisten Stimmen in einen Bundesstaat erhalten, so bekommt er im Endeffekt alle (!) diese Wahlmänner zugesprochen. Auch wenn ein Kandidat sehr viele Stimmen in einem bestimmten Bundesstaat geholt hat und nur denkbar knapp verloren hat - davon bleibt am Ende nichts übrig, die Stimmen zählen nicht mehr, er geht in diesem Bundesstaat leer aus. Es gibt sogar Fälle, wo der Sieger der Präsidentschaftswahlen nicht zwingend die meisten Wählerstimmen (insgesamt) erhielt. Derjenige mit der absoluten Mehrheit an Wahlmännerstimmen (270) wird schlussendlich Präsident. Das "Electoral College" (deutsch Wahlmännerkollegium) wählt diesen am Ende - die Wahlmänner sind an das vorangegangene Ergebnis gebunden.

 

In der Historie oft entscheidend waren die "swing states". Von vornherein ist klar, dass es in diesen Bundesstaaten sehr knapp werden wird, ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Hier ringen die Kandidaten besonders heftig um die Wählerstimmen. In anderen Staaten hingegen ist so gut wie direkt klar, wer gewinnen wird - man kennt den Wahlausgang seit jeher, wenn man so will.

Am 03.03.2020 war der sogenannte "Super Tuesday". Ein Dienstag, an dem gleichzeitig in mehreren Bundesstaaten die Delegierten gewählt werden. Die Kandidaten müssen hier gut abschneiden, damit sie in der Gunst ihrer Partei steigen und später eventuell gewählt werden. In 14 Staaten wurde abgestimmt, wer für die Demokraten als Kandidat eingesetzt werden soll. Joe Biden (80), damals Vizepräsident von Obama, hat 9 Staaten gewonnen, obwohl man ihn vorher abgeschrieben hatte - als Favorit galt Bernie Sanders (lediglich 3 Staaten gewonnen). Der schwerrreiche Bloomberg, der mehrere hundert Millionen Dollar in den Wahlkampf investiert hat, blieb blass. Wie bereits erwähnt, ist aber nicht die Anzahl der gewonnenen Staaten entscheidend, sondern die der Delegierten!

 

Das System ist nicht unumstritten. Nicht zuletzt deshalb, weil die bevölkerungsreichen Länder so stark gewichtet sind. Andere Kritik setzt direkt beim Zwei-Parteien-System an. Zahlreiche andere Kritiker bemängeln, dass der Präsidentschaftskandidat aberwitzige Geldsummen auftreiben muss (Obama 2008 beispielsweise rund 1 Milliarde), der somit in die Abhängigkeit der Geldgeber gerät. Nicht jedes Land der Welt ist gleich strukturiert - die Umstände sind andere, hier und dort ist es grundsätzlich komplizierter (denken wir an das riesige Russland - "die gelenkte Demokratie") etc.

Historisch brisant: George W. Bush wurde im Jahr 2000 nur Präsident, weil er im bevölkerungsstarken Florida (circa 8 Millionen Wähler) nur ein paar hundert Stimmen vor Al Gore lag.

 

Der Gesamtfavorit für 2020 dürfte wohl Donald Trump heißen. Wer zweifelt aktuell schon ernsthaft an einer zweiten Präsidentschaft des temperamentvollen Twitter-Königs?

 

 

Quelle: ZDF, youknow (YouTube-Channel), Bundeszentrale für politische Bildung, tagesschau.de, wikipedia.org, welt.de


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