Gedanken - Heuer

DMZ – Kultur – Amanda Baeriswyl ¦

 

Wie lange habe ich diese Veränderung herbeigesehnt? Unzählige Jahre und schon vor Monaten fühlte ich, dass es nicht mehr lange dauern würde. Schon damals spürte ich die Energie, die der Wind mit sich trug. Eine Energie, die Unglaubliches versprach. Und jetzt ist sie da und ich fühle diesen Frieden in mir und so unglaublich es auch sein und klingen mag, aber ich fühle den Frieden auch um mich rum.

 

Wenn ich mich im Wald zu meiner herzallerliebsten Buche begebe, lösen sich alle meine Gedanken in Luft auf, ja, sie verschwinden und übrig bleibt mein Sein. Es ist, als ob sich meine Wurzeln zu den Wurzeln des Baumes begeben und sich miteinander verbinden würden. Ich sitze dort, das weiche Moos empor des Baumstammes an meinem Rücken, mein Blick beobachtend, die Sonne, die endlich wieder alles durchlichtet, in meinem Gesicht. Meine Sinne frei, fühlend, hörend, riechend und spürend, finde ich eine Ruhe und eine Stille in mir und um mich rum. Einen Frieden, der vor wenigen Wochen noch unendlich weit weg schien. Ja, sogar meine Hündin sitzt einfach nur da, still, ruhig und fast andächtig geniesst auch sie diesen Frieden. Ich sitze dort beim Baum, die Blätter der letzten Sommer unter meinen Beinen und um mich rum, und ein sanfter Wind beginnt zu spielen. Er nimmt sich das Laub und lässt es tanzen und leben. Ein kleiner Zauber versprüht Magie und mir wird bewusst, wie unwichtig viele Dinge, die zum Stolz der Menschheit wurden, doch sind. Ich stehe wieder auf, verabschiede mich dankend von meinem Buchenfreund und gehe weiter meines Weges. Die verschwundenen Gedanken tauchen manchmal wieder auf. Manches Mal verzweifle ich an ihnen und jedes Mal, am Punkt des nicht mehr weiter Wissens, sehe ich ihn: den Huflattich. Mit seiner zarten, leuchtend gelben Blüte erhellt er meinen Blick, schenkt mir Liebe, Gesundheit und Vertrauen.

 

Eine Weile kniend, erfreue ich mich seines Anblicks, sauge auf seine Worte und verabschiede mich dankbar von ihm. Etwas weiter stehe ich jedes Mal still und sehe die kräftigen Stämme einst stolzer, kräftiger und dennoch weicher Bäume, gefällt am Boden liegen. Ein weinig schmerzt mich dieser Anblick, doch wissend, dass die saftige Erde immer noch Leben trägt und es nicht mehr lange dauern wird, bis es sich wieder in saftigem Grün, Gelb, Weiss, Blau, Lila und Braun zeigen wird, lässt er mich verstehen, dass Leben und Tod sich nicht voneinander unterscheiden. Direkt nebenan und dahinter, blüht das Leben weiter. Fichten, Buchen, Immergrün, Vögel, Hummel und unzählige weitere Wunder machen weiter und gedeihen im Vertrauen.

 

Zurück bei mir zuhause im Garten, begrüsst mich sanft die Magnolie. Sie streckt mir ihre Blüten entgegen und lässt mich feierlich ihr wunderschönes Inneres bestaunen. Sie lässt mich mehr denn je ihre Dankbarkeit fühlen. Heute spüre ich, wie sehr sie es liebt ihre Blüten zu zeigen und mir und meinem Hund mit ihren grossen, saftigen Blättern Schatten zu spenden. Der Löwenzahn, der mich frech und neugierig aus seiner Ecke anschaut, die Hummel, die es sich in meinem Insektenhotel gemütlich gemacht hat, die Hornisse, die neugierig meinen Garten erforscht und sich gelegentlich in meine Wohnung verirrt. Die Bienen, die sich an den letzten Blüten meines griechischen Blaukissens sattessen und die Wildwespen, die sich auch dieses Jahr wieder ihr Nest in meinen grünen Fensterläden bauen werden. Ja, dem Frühling, den Tieren und den Pflanzen ist es egal. Sie gedeihen und sprechen wie immer, doch nehme ich ganz klar wahr, wie dankbar sie uns doch sind für den Rückzug und die Stille, die dadurch einkehrt.

Für unsere Ahnen war es das normalste der Welt die Sprache der Tiere, der Pflanzen und der vier Elemente zu hören, zu fühlen, zu verstehen und zu sprechen. Sie waren eins mit Mutter Erde. Lange habe ich mich danach gesehnt diese auch wieder zu fühlen, zu hören, zu verstehen und zu sprechen. Ich glaubte sie verloren, doch heuer zeigt sie sich mir wieder. 


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