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PET Recycling: Modifiziertes Enzym zersetzt Plastikflaschen in Rekordzeit

Getränkeflaschen aus dem Kunststoff PET (Foto: DMZ Mittelländische Zeitung)
Getränkeflaschen aus dem Kunststoff PET (Foto: DMZ Mittelländische Zeitung)

DMZ – UMWELT ¦ Patricia Jungo ¦

 

Viele Haushalte sind sehr pflichtbewusst im Entsorgen von Getränkeflaschen aus dem Kunststoff PET. Wirklich recycelt wird jedoch bis anhin nur ein Drittel des PET. Aus den gesammelten, dann entweder geschredderten oder eingeschmolzenen Plastikflaschen entsteht nur eine minderwertigere Mischung, die danach nicht mehr tauglich genug ist, um wieder als Plastikverpackung zu dienen. Die teilweise enthaltenen Farb- und Zusatzstoffe sind problematisch.* Nun gibt es neue Hoffnung. Ein Forscherteam aus Toulouse hat ein Enzym entwickelt, das fähig ist, 200 Gramm PET innerhalb von zehn Stunden zu 90 Prozent zu zerlegen. Das daraus resultierende Material konnte von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zur Fabrikation neuer hochwertiger Plastikflaschen genutzt werden.

 

Plastikzersetzendes Enzym bereits seit 2012 bekannt

Das allgegenwärtige Plastik zu recyceln, ist immer noch schwierig. Mechanisch recyceltes Plastik büsst an Qualität ein und das chemische Recycling ist noch nicht sehr verbreitet. Nun scheint es aber, als sei dem französischen Unternehmen Carbios, welches wegweisende bioindustrielle Lösungen anbietet, ein Durchbruch in Richtung Kreislaufwirtschaft gelungen. Das Team rund um den wissenschaftlichen Leiter von Cabrios, Alain Marty, hat in Zusammenarbeit mit Isabelle André von der Universität Toulouse, das schon bekannte, aber vergessene Enzym LCC (von Leaf-Branch Compost Cutinase) mit der Hilfe von Aminosäuren so verändert, dass es hitzebeständiger wird und zudem schneller arbeitet. Entdeckt wurde LCC schon im Jahre 2012 von japanischen Forschern auf einem Komposthaufen. Sie deckten dabei auf, dass das Enzym die wachsartige Schicht von Blättern bricht. Bei ihrer Arbeit hatten die Forscher auch das Ziel, mit dem Enzym auch Plastik aufzubrechen. Die originale Version wies jedoch einige Probleme auf, es arbeitete ziemlich langsam und zerfiel bei 65 Grad Celsius schon nach nur wenigen Tagen. Ab genau dieser Temperatur wird Plastik wie PET aber erst weicht und erleichtert dem Enzym das Eindringen in das Polymer.

 

Modifiziertes Enzym verträgt Hitze und ist 10.000 Mal wirkungsvoller als das Original

Alan Marty und seine Forscherkolleginnen und Forscherkollegen untersuchten in einem ersten Schritt bei der Suche nach einem geeigneten Plastikaufspalter eine Vielzahl von Mikroorganismen auf ihre Eignung als Werkzeug für biologisches Kunststoff-Recycling. Dabei wurden sie auf LCC aufmerksam. Rasch war ihnen klar, dass LCC am optimalsten war. Nach einigem Experimentieren mit Aminosäuren, die das Enzym noch effizienter und widerstandsfähiger machen sollten, kamen die Forscher zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Nachdem es vor bereits acht Jahren entdeckt worden war, ist das modifizierte LCC jetzt sogar bei einer Temperatur von 72 Grad Celsius (Schmelztemperatur von PET) noch stabil und arbeitet 10'000 Mal effizienter als das Original. Das Resultat der Studie wurde nun im Fachmagazin Nature publiziert. Laut John McGeehan, Leiter des Centre for Enzyme Innovation an der Universität von Portsmouth soll das neuartige Enzym Farben und andere Kunststoffe ignorieren. Der klare Vorteil dabei ist, dass so PET-Flaschen nicht mehr sortiert werden müssen.

 

Lancierung für den Massenmarkt in vier bis fünf Jahren

Wie Cabrios mitteilte, soll das modifizierte Enzym 2024/2025 im industriellen Massstab auf den Markt kommen.

 

Ziel ist die Verminderung von Plastikmüll

Carbios hat es geschafft, ein Enzym, welches natürlicherweise PET in seine beiden Bausteine Terephthalsäure und Ethylenglykol zerlegen und so modifizieren kann, dass die Abbaurate des thermoplastischen Polymer bereits nach wenigen Wochen von 1 Prozent auf 90 Prozent erhöht werden konnte. Das Recyclingverfahren von Carbios existiert noch nirgends. Es kann einen wichtigen Beitrag leisten im Kampf gegen den umweltbelastenden Plastikmüll in den Ozeanen und auf unserem Planeten. Dank dieses neuen Verfahrens wird es auch möglich sein, PET nicht nur zur Herstellung von Flaschen einzusetzen, sondern auch für Polyesterfasern in Kleidern, diversen thermogeformten Verpackungen, Lebensmittelbehältern und anderen Komponenten. Es gibt immer wieder vielversprechende Entdeckungen bei der Suche nach natürlichen Plastikkatalysatoren. Im Jahre 2017 haben Forscher in Pakistan einen Pilz auf einer Müllhalde gefunden, der Plastik frisst. In Leipzig haben Forscher vor kurzer Zeit ein Bakterium entdeckt, das es auch schafft, schwer recyclebares Plastik zu zersetzen.

 

*Situation und Zahlen aus der Schweiz:

Das Bundesamt für Umwelt weist jährlich die Verwertungsquoten (effektives stoffliches Recycling) für PET-Getränkeflaschen aus. Seit vielen Jahren schwankt die Verwertungsquote in der Schweiz zwischen 81 bis 83 Prozent. Die Hälfte davon ist von so hoher Qualität, dass damit neue PET-Getränkeflaschen mit einem Rezyklat-Anteil von bis zu 100 Prozent hergestellt werden können. Dank der im April 2019 eröffneten Verwertungsanlage in Bilten (GL), wird dieser Anteil in diesem Jahr weiter steigen. Aus dem Rest werden andere PET-Produkte (u.a. Folien, Textilien) hergestellt, wodurch der Einsatz von Neumaterial erheblich verringert wird.

 

 

Quellen: trendsderzukunft.de/nature.org


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