Covid-19 - Schulen werden wahrscheinlich zu früh geöffnet - es ist noch nicht vorbei

Ist es verfrüht die Schulen zu öffnen? (Bild: CC0 1.0 Universal (CC0 1.0))
Ist es verfrüht die Schulen zu öffnen? (Bild: CC0 1.0 Universal (CC0 1.0))

DMZ – BILDUNG/GESELLSCHAFT/POLITIK ¦ David Aebischer ¦

 

Aus einer aktuellen Umfrage auf Swiss-Radio (swiss-radio.ch) geht klar hervor, dass es ausnahmslos für alle Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen eindeutig zu unsicher und gefährlich ist, jetzt (11. Mai) die Schulen wieder zu öffnen. "Die Schulen bereits zu öffnen, ist verantwortungslos und bringt nichts", "Nach den Sommerferien ist früh genug, wenn man das Virus besser einzuordnen vermag", so einzelne Stimmen.

Die geplante Wiederaufnahme des Schulbetriebs am 11. Mai wird kritisiert, auch von Lehrerverbänden.

 

Gemäss Angaben von SRF wird im Kanton Waadt die geplante Wiederaufnahme des Schulbetriebs am heftigsten kritisiert. Der Präsident des Waadtländer Lehrerverbandes (SPV) verstehe den Entscheid des Bundesrates überhaupt nicht: "Es gibt kein Konzept zur Einhaltung der Hygienevorschriften und wir haben keine Garantie, dass die Kinder das Virus nicht übertragen. Unter diesen Umständen können die Schulen am 11. Mai nicht geöffnet werden." Ähnliche und identische Äusserungen machten verschiedene angefragte Lehrpersonen aus verschiedenen Kantonen.

 

Viele Eltern sind besorgt

Es gibt zu viele Unklarheiten. Ansteckungsgefahr und Übertragungsrisiko. Gewährleistung von Distanz. Zum aktuellen Zeitpunkt kann man noch nicht klar sagen, wie stark Kinder von Erkrankungen am neuen Coronavirus betroffen sind. Gemäss aktuellem Wissen erkranken Kinder weniger am neuen Coronavirus. Die Symptome sind meist die gleichen wie bei Erwachsenen. Doch sie bleiben meistens mild und manche Kinder haben gar keine Symptome. Von den Kindern, die krank werden, werden deutlich weniger schwer krank als bei Erwachsene und älteren Menschen. Schwere Krankheitsverläufe sind jedoch auch bei Kindern nicht völlig ausgeschlossen. 

 

Das neue Coronavirus ist leicht übertragbar bei nahen Kontakten. Da Kinder oft nah mit anderen Kindern zusammen sind und da sie oft trotz Ansteckung keine oder milde Symptome haben, ist es wahrscheinlich, dass sie das Virus an andere Personen weitergeben.  

 

Schulbeginn vor allem politischer Entscheid

Der Entscheid des Bundes wird auch von Ärzten hinterfragt. Zu SRF sagt Philippe Eggimann, Präsident der Waadtländer Ärztegesellschaft, es gäbe keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Kinder nicht Träger des Coronavirus seien: "Wenn der Schulbetrieb am 11. Mai wieder aufgenommen wird, dann müssen die Kinder jetzt prioritär getestet werden auf Antikörper." Und für ihn ist klar: «Dieser Entscheid wurde nicht aufgrund der sanitarischen Situation getroffen, sondern aus gesellschaftlichen oder politischen Gründen.»

 

Frage stellt sich, ob alle bereit sind, sich zu schützen.

Die Uneinigkeit der Epidemiologen, ob Kinder Träger des Coronavirus sind oder nicht und die Tatsache, dass ein Schulbesuch bald kein Problem mehr sein soll, obwohl die Grosseltern weiterhin gemieden werden sollen – das verunsichert die Bevölkerung in der Schweiz zusätzlich. Prof. Dr. med. Dr. h.c. Paul Robert Vogt, einer der meistzitierten Experten, sagt dazu: "Kinder sind in der Tat viel seltener von COVID-19 befallen. In einer Studie von 425 Kindern in China verstarb eines - und es gab auch in England Kinder, die daran verstorben sind." Auf die Frage, wie er den Schulstart am 11. Mai 2020 sehe, sagt er, dass das Problem eher sein wird, dass die Kinder nicht alleine in die Schule gehen, sondern vielfach gebracht werden. "Die Frage wird sein, ob alle bereit sind, sich zu schützen oder nicht. Momentan kann man sagen: nicht ohne Risiko, aber quantifizieren kann das niemand! Vielleicht kriegen wir zwischen dem 27. April und 11. Mai mehr zu wissen!"

 

Weltgesundheitsorganisation warnt vor verfrühten Lockerungen

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor verfrühten Lockerungen der Kontakteinschränkungen und anderen Pandemie-bedingten Verboten. Andernfalls drohe eine Wiederbelebung der Infektionswelle. "Bis ein Impfstoff oder eine sehr effektive Behandlungsmethode gefunden wird, wird dies unsere neue Normalität sein", erklärt Takeshi Kasai von der WHO mit Blick auf die Einschränkungen.

 

Auch das BAG warnt vor zu frühem Exit

Auch Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit macht deutlich, dass eine zu frühe Lockerung der Massnahmen problematisch sei: "Massnahmen lockern kommt eigentlich erst dann infrage, wenn wir wirklich sehen, dass die Fallzahlen zurückgehen. Sonst wäre jede Lockerung mit einem sehr hohen Risiko verbunden, dass die Zahlen weiter ansteigen."

 

Nicht zu Ende gedachte Entscheide kann man sich nicht leisten

Ein Schuldirektor, welcher nicht namentlich erwähnt werden möchte, sagt klar: "Schulöffnungen sind zu früh, auch in einem Monat wäre noch zu früh. Das Halbjahr ist ohnehin gelaufen, es wäre sinnvoller, wenn wir nach den Sommerferien weitermachen würden."

Eine Lehrerin spricht vielen anderen Lehrpersonen aus dem Herzen: "Nach der ersten Freude über das baldige Wiedersehen mit meiner Klasse nahmen rasch die vielen Fragen Überhand. Natürlich ist es für alle wünschenswert, wieder echte Sozialkontakte zu haben und dass gerade leistungsschwächere Kinder und Jugendliche wieder die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Aber nicht wirklich zu Ende gedachte Entscheide können wir uns zurzeit meiner Meinung auf keinen Fall leisten. Dies ist in meinen Augen einer."

 

Wir wissen alle, dass die Schutzmassnahmen in der Schule nicht eingehalten werden können. Das ist Fakt

"Es geht darum, dass die Wirtschaft wieder funktionieren muss. Das wissen wir alle. Aber es bestehen so viele Ungewissheiten, dass eine zweite Welle durchaus denkbar ist leider. Der Schutz des Lebens soll trotz allem vorgehen.", dies ein klares Statement einer Lehrperson. "Es gibt Kinder und Jugendliche, die Risikopersonen in der Familie haben, unter den Lehrpersonen gibt es Risikopersonen und auch werdende Mütter. Auch Kinder und Jugendliche können selber Risikopersonen sein."

Auch in unserem Team hat es Pädagoginnen und Pädagogen. Patricia Jungo (Lehrerin an der OS Tafers / FR) sagt aus gemachter Erfahrung: "Man spürt die Angst der Eltern um die Sicherheit ihrer Kinder, weil es keine „definitiv beruhigenden“ Tatsachen gibt. Wir wissen alle, dass die Schutzmassnahmen in der Schule nicht eingehalten werden können. Das ist Fakt. Dann sollte man wenigstens den Mut haben, das auch so zu sagen und zuzugeben, dass man ein Risiko eingeht, statt so zu tun, als hätte man dann schon irgendwie alles im Griff. Momentan ist nichts klar und während bei den Kantonen und den Schulleitungen zweifelsohne auf Hochtouren an einem Konzept gearbeitet wird, werden die kritischen Stimmen immer lauter."

 

Umfrage

Liebe Leserinnen und Leser. Wie sehen Sie der kommenden Schuleröffnung entgegen? Ihre Kommentare und Argumente sind herzlich willkommen.

 

Quellen: SRF ¦ BAG ¦ Swiss-Radio - www.swiss-radio.ch ¦

 


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