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Ungewissheit annehmen..

DMZ – SOZIALES/LEBEN ¦ Patricia Jungo ¦

 

Dass Ungewissheit zum Leben gehört, wurde uns wohl noch nie so klar vor Augen geführt wie zurzeit. Das beklemmende Gefühl, nicht zu wissen, ist für uns Menschen nur schwer zu ertragen. Wenn Wissen Macht ist, kann nicht zu wissen als wahre Ohnmacht empfunden werden. Ist uns der Ausgang einer Situation (länger) nicht bekannt, beginnen wir uns grosse Sorgen zu machen, was überaus quälend, beängstigend und blockierend sein kann. Ungewissheit vermag uns so auch wirklich krank zu machen. Darum scheint es umso wichtiger, dass wir auch lernen Ungewissheit und Unsicherheiten ein Stück weit auszuhalten. Sie sind Teil unseres Lebens.

 

Warum hat der Mensch Mühe mit Ungewissheit?

Auch wenn wir versuchen, uns immer wieder vom Gegenteil zu überzeugen, ist es uns doch sehr wohl bewusst, dass niemand um die Zukunft weiss und sie im wahrsten Sinne des Wortes ungewiss ist. Was heute richtig scheint, kann sich morgen als falsch erweisen. In keinem Lebensbereich gibt es die vom Menschen so oft erhoffte „Garantie“. Demzufolge scheint es auch absolut sinnlos, Ungewissheiten aus dem Weg gehen zu wollen. Dennoch haben viele Menschen Mühe dieses Gefühl anzunehmen. Der Mensch mag von Natur aus Tatsachen, auf die er bauen kann. Das Leben kann auch diese Weise einfacher geplant werden und „bösen“ Überraschungen soll ja auch vorgebeugt werden. Alltag, Routine, bewährte Sachverhalte sind wie Wegweiser, die uns Sicherheit und ein gewisses Gefühl der Kontrolle über unser Leben vermitteln. Auch wenn natürlich Kontrolle eine Illusion ist, gibt uns das Gefühl, diese zu haben, die wohltuende Sicherheit. Auf diese Weise fühlen wir uns geborgen und Ungewissheit ist da ein ungebetener Gast. Warum auch sollte man auf einmal die Kontrolle abgeben und auf nichts mehr Einfluss haben? Natürlich gehen die Menschen nicht alle gleich mit Ungewissheit um. Menschen mit einem ausgeprägten Kontrollbedürfnis leiden durch Ungewissheit stark und Unzufriedenheit macht sich oft schnell breit. Ein hohes Mass an Ungewissheit kann bei uns Menschen tiefe Angstgefühle, Selbstzweifel und auch Mutlosigkeit hervorrufen. Dies erklärt auch, warum Ratgeberseiten boomen (darunter gibt es durchaus viele gute..) und auch zurzeit alles gemacht wird, um das beklemmende Gefühl der Ungewissheit zu dämpfen. Bedauerlicherweise wird, wie sich gerade des Öfteren zeigt, manchmal auch das Gegenteil erreicht und Unsicherheiten werden noch verstärkt.

 

Ungewissheit gehört zu unserem Leben

Ungewissheit als Teil des Lebens zu akzeptieren und zu lernen, damit umzugehen, scheint der bessere Weg zu sein; auch wenn dies viel schwieriger ist, als es scheint.

Nicht alle Menschen können trotz Zweifel einfach mutig sein, den Schritt ins Unsichere wagen und die Kontrolle abgeben. Loslassen gilt als Schlüssel, um Ungewissheiten besser begegnen zu können. Für dieses Annehmen brauchen wir vor allem Zuversicht, Vertrauen und eine gesunde Portion „realistischen“ Optimismus. All das können wir auch lernen. So müssen uns beispielsweise Zweifel nicht zwingend blockieren, sondern können uns einfach auch anregen, einen Plan B ins Auge zu fassen. Auch einmal eine Entscheidung zu wagen, ohne tagelang mit oder ohne „Zweitmeinung“ Pro und Kontra abzuwägen, kann helfen, der Ungewissheit ins Auge zu sehen und festzustellen, dass sie gar nicht so arg ist, wie sich immer von der Komfortzone aus angefühlt hat.

 

Ungewissheit in der Krise

Was alles wie ein Kinderspiel tönt, gestaltet sich in der jetzigen Krise als wirklich anspruchsvoll. Sie verlangt wie nie zuvor nach unserem Vertrauen, in existentieller Hinsicht und auch im Umgang mit Medien und Informationen. Unsere Gesellschaft sieht sich mit grosser Unsicherheit und Ungewissheit konfrontiert. Die Corona-Krise bewegt uns Menschen zutiefst, ohne dass wir wissen, wohin. Und der Schlüssel zum Loslassen und Annehmen von Ungewissheit, bleibt irgendwie im Schloss stecken. Wo sollen wir das vielzitierte Vertrauen, die nötige Zuversicht, den Optimismus finden? Selbst, wenn wir schon dazu gelernt haben im Akzeptieren von Ungewissheit in unserem Leben, werden wir alle extrem auf die Probe gestellt und gefordert. Wir als Gesellschaft haben das Wissen nicht mehr in dem Masse, wie wir es uns wünschten und wie es hilfreich und beruhigend wäre. Dennoch sind wir aufgefordert im Lichte der Ungewissheit zu entscheiden, zu handeln und anzunehmen, dass bestimmte Entscheide sich wohl auch als nicht optimal oder gar falsch herausstellen werden. Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen. Was kommt, wird wohl bestimmt anders sein, als wir es jetzt wissen können. Um dieser Ungewissheit zu begegnen und sie zu akzeptieren, brauchen wir wirklich Vertrauen. Finden können wir es in uns selbst, in unserer Verbundenheit als Menschen, in unserer Kreativität, in der Natur und im Leben mit allen seinen Geheimnissen und Überraschungen. Der Ungewissheit gemeinsam ins Auge zu blicken, vermag diese vielleicht auch für viele Menschen etwas erträglicher zu machen und das Vertrauen zudem zu stärken.


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Kommentare: 1
  • #1

    Armin Berger (Montag, 27 April 2020 22:37)

    Danke für diesen Text!