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Covid-19 - "Kein signifikanter Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen" - Virologe Christian Drosten und Berliner-Charité zerlegen Aussagen von Daniel Koch

Corona-Studie der Berliner-Charité sagt klar: "Kinder sind genauso infektiös wie Erwachsene" (Bildquelle: Christian Drosten Twitter)
Corona-Studie der Berliner-Charité sagt klar: "Kinder sind genauso infektiös wie Erwachsene" (Bildquelle: Christian Drosten Twitter)

DMZ – WISSENSCHAFT / FORSCHUNG ¦

 

Noch am Montag sorgten die Aussagen von Daniel Koch (65) vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) für Augenreiben. Obschon die Forschung noch längst nicht soweit ist, irgendwelche Schlüsse zu ziehen, wagte sich Daniel Koch weit auf die Äste hinaus und verursachte vielleicht damit nicht nur Verwirrung. Wörtlich sagte er: "Es ist so, dass Kinder praktisch nicht infiziert werden und vor allem das Virus nicht weitergeben".

 

Die Berliner Charité und Virologe Christian Drosten sind anderer Meinung. "Kein signifikanter Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen", schrieb Drosten auf seinem Twitterkanel (Viral loads by PCR as seen in our laboratories. No significant difference between children and adults. Age categories: Kindergarten (KG), Grade school (GS), Highschool (HS), etc. with age ranges and (counts). https://bit.ly/SARS-2-load).

 

Corona-Studie der Berliner-Charité sagt klar: "Kinder sind genauso infektiös wie Erwachsene"

"Kinder zeigen bei einer Corona-Infektion selten Symptome. Ansteckend sind sie dennoch", sagen Forscher – und raten zur Vorsicht bei Kita- und Schulöffnungen. Bisher war klar: Kinder infizieren sich ähnlich häufig wie Erwachsene mit dem neuartigen Coronavirus, erkranken aber seltener an der von Sars-Cov-2 ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19. Unklar war allerdings bislang, wie infektiös Kinder sind, wenn sie sich mit dem Coronavirus infiziert haben.

Nun wurde festgestellt: Kinder entwickeln im Rachen genauso viele Viren wie Erwachsene und sind somit genauso ansteckend. Zu diesem Ergebnis kam eine Studie der Berliner Charité, die am Mittwochabend veröffentlicht wurde."

 

Virologe Christian Drosten, der auch an der Studie beteiligt war, veröffentlichte auf Twitter eine Grafik, die die Viruslast der verschiedenen Altersgruppen zeigt (y-Achse). „Kein signifikanter Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen“, schrieb Drosten dazu.

Diese Erkenntnis dürfte die Kita- und Schulöffnungsdebatte neu anheizen. Denn wenn Kinder mit dem Coronavirus infiziert sind, aber keine Symptome zeigen, könnten sie die Viren unbemerkt weiter verbreiten.

 

Die Forschergruppe schreibt: „Was die unbegrenzte Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten angeht, müssen wir in der gegenwärtigen Situation, in der immer noch ein Grossteil der Bevölkerung nicht immun ist und die Übertragung allein durch nicht-pharmakologische Massnahmen niedrig gehalten werden muss, äusserste Vorsicht walten lassen.“

 

Forscher warnen vor uneingeschränkter Kita- und Schulöffnung

Die Wissenschaftler schlussfolgern: „Wir warnen vor einer uneingeschränkten Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten in der aktuellen Situation. Kinder könnten genauso infektiös sein wie Erwachsene.“ Gleichzeitig geben die Wissenschaftler aber auch zu Bedenken, dass symptomfreie Kinder - weniger Husten und somit weniger infektiöses Material verbreiten würden. Ein Gefahrenfaktor sei jedoch der enge Körperkontakt - etwa beim Spielen.

Für die Untersuchung wurden insgesamt 3712 Infizierte verglichen, die seit der ersten Testung im Januar 2020 bis zum 26. April an der Berliner Universitätsklinik erfasst wurden. Davon waren 37 Kinder im Kindergartenalter, 16 Grundschüler und 74 Jugendliche, die auf weiterführende Schulen gehen. Insgesamt wurden also 127 Kinder untersucht. Das scheint wenig - weltweit wurden den Berliner Wissenschaftlern zufolge jedoch lediglich erst 1065 Kinder positiv getestet.

 

Das Fazit

Was das Ansteckungsrisiko angeht, so sehen es jedenfalls die Berliner Virologen, sollte man Kinder und Erwachsene gleich behandeln. Aber was ist mit den Studien, etwa aus den Niederlanden, die Drosten in seinem Podcast selbst schon als hochseriös bewertet hat und die Hinweise dafür sammelten, dass von Kindern seltener Infektionsketten gestartet werden? In ihrem Paper sprechen die Forscher von einem Bündel möglicher Erklärungen für solche Befunde. Etwa die: Weil Schulen und Kindergärten in den meisten Ländern  früh geschlossen und die Kinder zu Hause geblieben waren, könnte es so aussehen, als würden sich Kinder vorwiegend bei Erwachsenen anstecken – wo sie sich tatsächlich unter ihresgleichen gar nicht mehr bewegen konnten. Heisst also: Der Lockdown hat die Infektionsquellen Kindergarten und Schulen quasi ausgeblendet.

 

Dass Kinder keine oder nur minimale Symptome zeigen, aber doch Überträger von Sars-Cov-2 sein können – also messbar Virenmaterial ausscheiden – haben schon Studien im März nahegelegt. Eine rückblickende Studie mit Betroffenen in Wuhan kommt zu dem Ergebnis, dass Kinder sich genau so häufig ansteckten wie Erwachsene. Zudem gibt es immer mehr Nachweise zu Verläufen, in denen Kinder deutliche Symptome zeigen. Auch Todesfälle sind dokumentiert.

 

Lockerungen klar verfrüht 

Dass die Schulen nun geöffnet werden, befinden viele Experten als verfrüht. Denn auch eine in  „The Lancet Infectious Diseases“ veröffentlichte Untersuchung aus der chinesischen Millionenmetropole Shenzhen bestätigt klar, dass Kinder genauso infektiös sind wie Erwachsene.  Die Analyse von knapp 400 Infizierten und ihren fast 1300 Kontakten hat fast ein gleichlautendes Resultatet ergeben - wie dasjenige der Berliner-Charité. Virologe Drosten hatte sich zuletzt für den Fall einer Öffnung von Kindergärten und Schulen für klare Handlungsempfehlungen ausgesprochen: zum Beispiel, dass man sich der möglichen Infektionseinschleppung bewusst ist und bei Symptomen gleich zu Hause bleiben und sich testen lassen sollte. Zudem sollte man keine älteren Menschen besuchen.

 

Daniel Koch erklärte am Donnerstag an einer Medienkonferenz in Zürich, er habe die Daten von Drosten analysiert und sie auch mit einem Kinderinfektiologen besprochen. «Das stellt die Wiedereröffnung der Schulen nicht infrage.» Kinder könnten auch am Virus erkranken, das sei schon bekannt. «Die Kinder sind aber nicht die Treiber der Epidemie.»

 

 

 

Quellen: charite.de ¦ berlin.de
Studie der Charité: An analysis of SARS-CoV-2 viral load by patient age
https://www.thelancet.com


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