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C-Promis wie Naidoo, Schweiger, Soost glauben an Verschwörungstheorien

YouTuber Luna Darko und Ardy: "Ein Nazi ist nicht nur ein schlechter Mensch." - Sie empfehlen auch KenFM.
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DMZ – GESELLSCHAFT / LEBEN ¦

 

Fake News und Verschwörungstheorien haben Konjunktur momentan. In der Corona-Krise schafft sich demnach jeder Staat gerade selber ab und Bill Gates wird für den Virus-Ausbruch verantwortlich gemacht, sowie weitere abstruse Theorien. Verbreitet werden diese Theorien aber nicht nur von Normalsterblichen ohne Reichweite und Schlagkraft. Promis wie Attila Hildmann, die grünen Nationalräte Alec von Graffenried und Geri Müller, PR-Berater Klaus J. Stoehlker, Ex-Mister Glückskette Roland Jeanneret oder die Berner alt Regierungsrätin Dori Schaer, Till Schweiger, Detlef D! Soost, Luna Darko und Xavier Naidoo verbreiteten in der Vergangenheit und viele von ihnen auch aktuell kruden Irrsinn – und machen ihn damit noch gefährlicher.

 

Dass die Erde so flach wie eine Pizza ist, glaubt Til Schweiger hoffentlich nicht. Im März sagte er allerdings, dass er „Team Xavier“ sei – und Xavier Naidoo soll auf Telegram die Theorie verbreiten, dass die Erde eine Scheibe ist. Ansonsten verbreitet Naidoo dort aktuell vor allem Verschwörungstheorien über die Corona-Krise – und für solche scheint auch Schweiger empfänglich zu sein. Zumindest empfahl er seinen fast 400.000 Instagram-Followern im April Youtube-Videos von Bodo Schiffmann mit den Worten: „Sehr informativ“. Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Schiffmann hat die Partei „Widerstand2020“ mitgegründet, die in Berlin regelmässig gegen die Corona-Massnahmen protestiert. Kürzlich gab er Ken Jebsen ein Interview, einem bei Verschwörungstheoretikern beliebten ehemaligen Radiomoderator. Darin verglich Schiffmann die aktuellen Massnahmen der Regierung mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933. Anfang April hatte Schiffmann auf Youtube eine Bastelanleitung für eine „Querdenkerbommel“ veröffentlicht: Der Ball aus Aluminiumfolie, der an einem Band baumelt, soll ein Erkennungszeichen für „Querdenker“ sein. Damit wurde Til Schweiger immerhin noch nicht gesehen. 

 

Aktuell hält sich jede und jeder für eine Expertin / einen Experten

Schuster bleib bei deinen Leisten: Leute, die hauptberuflich nichts mit intellektueller Arbeit zu tun haben und sich auf einmal aufspielen als die grossen Wahrheitsverbreiter, also z.B. ein veganer Koch, ein Tanzcoach, ein Regisseur von schnulzigen Romcoms, die alle die Arroganz haben zu glauben, sie hätten eine Pandemie besser verstanden als Virologen und Politiker. Attila Hildmann, Detlef D! Soost und Til Schweiger an, die in den vergangenen Tagen immer wieder fragwürdige Posts verbreitet hatten sind Verschwörungstheoretiker. Jüngst äusserte sich auch Schauspieler John Cusack via Twitter, dass sich 5G als "sehr, sehr schlecht für die Gesundheit" herausstellen werde, ohne auf genaue Details einzugehen. Seine Aussagen seien von Quellen in der Wissenschaft und im Gesundheitswesen gestützt, so der "High Fidelity"-Darsteller, ohne dies jedoch ebenfalls weiter auszuführen. Dafür soll er seine Kritiker als "dumm" bezeichnet haben.

 

Zuvor hatte Woody Harrelson auf seinem offiziellen Instagram-Account einen Bericht "über die negativen Auswirkungen von 5G" und seine angebliche Rolle in der Coronavirus-Pandemie veröffentlicht. Laut "New York Post" kommentierte der Schauspieler den mittlerweile wieder gelöschten Beitrag mit den Worten: "Ich habe es noch nicht vollständig überprüft. Ich finde es aber sehr interessant." In dem Bericht wird behauptet, dass die "5G-Strahlung" die Ausbreitung des Virus "verschärft" und tödlicher mache.

 

"Schlimmste Art von Fake News"

Die britische Rapperin M.I.A glaubt zwar nicht, dass man wegen 5G Covid-19 bekommen könne, sieht aber einen anderen Zusammenhang, wie sie twitterte. Sie ist der Meinung, es könne den Körper im Heilungsprozess beeinträchtigen bzw. diesen verlangsamen, da der Körper gleichzeitig mit der Frequenz der neuen Signale und Covid-19 umgehen müsse.

 

Wissenschaftler bezeichnen den Zusammenhang zwischen 5G und Covid-19 als "völligen Müll" und biologisch unmöglich. Stephen Powis, der medizinische Direktor von Englands National Health Service, nannte die Verschwörungstheorie "die schlimmste Art von Fake News".

Doch nicht nur 5G treibt die Promis um. US-Komikerin Roseanne Barr, die bereits in der Vergangenheit mehr als nur einmal mit kontroversen Aussagen für Wirbel gesorgt hat, wittert wiederum eine ganz andere Verschwörung. Die 67-Jährige ist der Meinung, das Coronavirus werde gezielt dafür eingesetzt, ihre Generation loszuwerden. Das sagte sie US-Medienberichten zufolge in einer Youtube-Talkshow mit ihrem kanadischen Kollegen Norm Macdonald. Belege für ihre Aussagen brachte auch sie nicht vor.

 

Hildmann und Naidoo

Wo soll man anfangen, wenn man über den Wust an Verschwörungstheorien schreibt, den der vegane Koch Atilla Hildmann aktuell in den sozialen Medien verbreitet? Vielleicht mit dieser Nachricht, die er am Mittwoch auf Telegram veröffentlichte: „Ich sage es noch mal deutlich: Ich werde sie ALLE holen und vors Strafgericht stellen lassen oder geh dabei drauf (...) Sie oder ich, aber nicht wir beide nebeneinander! Eine Partei wird fallen!“ Auch Hildmann verbreitet die Theorie, dass am 15. Mai in Deutschland ein Ermächtigungsgesetz in Kraft tritt. Für ihn ist das „Hochverrat am Deutschen Volk“. Eine seiner „Thesen“ lautet: „Sie wollen die Eugenik-Pläne der Nazis (...) jetzt mal so richtig umsetzen und zwar global! Völkermord 2.0!“ Interessant ist an seinen Beiträgen eigentlich nur, wie vollkommen konsequenzlos man in den sozialen Medien offenbar die schlimmsten Unterstellungen über und Beleidigungen gegen konkrete Personen verbreiten kann. Hildmann nennt Bill Gates auf Telegram gerne „Kinderficker“ oder „satanistischen Kinderschänder“, auch auf Instagram führen vergleichbare Beleidigungen nicht dazu, dass sein Account gesperrt wird. Aber dadurch würde sich der Koch am Ende wohl auch nur bestätigt sehen.  

Verbrüdert hat sich Hildmann bei seinem verantwortungslosen Tun inzwischen mit Xavier Naidoo. Der Mannheimer Sänger war zuletzt wegen einer Reihe wirrer Videos aufgefallen, in denen er bizarre Verschwörungstheorien verbreitet hatte. Er will angeblich die versunkene Stadt Atlantis gefunden haben und beschäftigt sich derzeit in seinen Theorien mit der Corona-Krise – und sieht natürlich eine „höhere Macht“ dahinter. Beweise legt auch er nie vor.

Um sein angebliches Wissen zu teilen, liess er sich von Eva Herman interviewen. Wegen Bemerkungen über das Frauenbild während des Dritten Reiches hatte sich die ARD 2007 von der Ex-Tagesschau-Sprecherin getrennt. Seither fällt sie als Publizistin von rechtspopulistischen und verschwörungstheoretischen Thesen auf. In dem 45-minütigen Interview mit Naidoo, das „Wir erleben die letzten Atemzüge der BRD“ heisst, werden wilde Theorien über eine neue Weltordnung, Bill Gates und Angela Merkel aufgestellt. Kritisch hinterfragt werden die jeweiligen Aussagen von niemandem – dafür pflichten sich Naidoo und Herman andauernd zu, sind sich einig in ihren Thesen. 

 

Der Tanzlehrer und Ken Jebsen

Tanztrainer „Detlef D! Soost“, der aus der Castingshow „Popstars“ bekannt ist, hat besagtem Ken Jebsen schon vor Jahren ein Interview gegeben. Jebsen verbreitet aktuell die Verschwörungstheorie, dass sich Bill und Melinda Gates über die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in die Weltdemokratien „hineingehackt“ und „mehr Macht als Roosevelt, Churchill, Stalin und Hitler seinerzeit zusammen“ hätten. Dafür kann Soost natürlich nichts. Aber ihm scheint die Verschwörungstheorie, dass ab dem 15. Mai in Deutschland eine „Neue Weltordnung“ die Macht übernehmen wird, nicht ganz fremd zu sein. Auf Facebook schrieb Soost am 4. Mai: „Impfpflicht ab 15.5??? Ohne die Möglichkeit selbst für meine Kinder, für meine Family entscheiden zu können, ob wir das wollen oder nicht ?????!!! Begrenzung der Grundrechte wenn ich das nicht tue ??? Ohne dass ich mich dazu äußern kann ohne dass ich mich frei entscheiden kann in diesem Land ??? Sind wir demokratisch oder diktatorisch ????? Wie seht ihr das?????“ Man wird ja wohl noch fragen dürfen. 

 

Führender Aluhut der C-Promis 

Nach seinem Rauswurf bei RTL hat Xavier Naidoo nicht mehr viele Freunde im Showbusiness, aber der Dschungelcamp-Moderatorin Sonja Zietlow sprach er kürzlich seinen Respekt aus. Zietlow hatte auf Facebook eine Liste von Menschen mit Doktortitel verbreitet, die ihrer Meinung nach offenbar zu Unrecht als Verschwörungstheoretiker gelten, darunter waren auch Bodo Schiffmann und andere Ärzte, die das Coronavirus verharmlost hatten. Die Empörung über diesen recht harmlosen Beitrag war danach so gross, dass Zietlow wegen vieler Beleidigungen ihren Facebook-Account löschte und mitteilte, dass sie „diesem digitalen Watschen-Karussell bis auf Weiteres den Rücken“ kehren werde. Ihr stehe es „nicht zu, die Massnahmen, die zum Schutz unserer aller Gesundheit getroffen wurden, zu bewerten oder gar zu kritisieren“. Diese Behauptung war dann wieder Futter für Fans von Verschwörungstheorien: Natürlich steht es jedem zu, die Massnahmen zu kritisieren – auch Sonja Zietlow.

 

Die Psychologin Pia Lamberty forscht zu Verschwörungstheorien. Sie hat beobachtet, dass Narzissmus und Einzigartigkeitsgefühle ein Antrieb für Verschwörungstheoretiker sind. "Wenn man selbst der Verkünder der Wahrheit ist, fühlt sich das gut an", sagt sie zu bento. Entsprechend könne es gut sein, dass einige Promis, die es in normalen Zeiten gewohnt sind, immer Aufmerksamkeit zu bekommen, nun über das Verbreiten von Absurditäten neue Zielgruppen suchen.

 

Verschwörungsideologien und Gewalt

Der historische Überblick über die Konjunkturen der Verschwörungsideologien zeigt die immense Gewaltbereitschaft, die mit diesem Denken oft einhergeht: Auf die angebliche Entlarvung vermeintlicher Verschwörer und Volksfeinde folgte nur allzu häufig deren Eliminierung. Daniel Pipes verweist auf den Lebensschützer John Salvi, der 1994 in zwei Abtreibungskliniken um sich schoss, weil er an eine freimaurerische Verschwörung gegen die katholische Kirche glaubte, und auf den Bombenanschlag von Oklahoma City, bei dem 1995 168 Menschen ums Leben kamen. 

Doch Gewalt ist nicht nur die Folge staatlicher Verschwörungstheorien „von oben“: In den beiden grossen Freiheitskämpfen des 18. Jahrhunderts spielen Verschwörungstheorien „von unten“ für die Motivation der Revolutionäre eine nicht zu unterschätzende Rolle. Von George Washington etwa ist bekannt, dass er hinter dem konfliktträchtigen Handeln der britischen Regierung, das zum Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg führte, eine Verschwörung witterte: 1774 behauptete er, die Briten folgten „einem regulären, systematischen Plan, uns zu zahmen, gemeinen Sklaven zu machen“. Die Besteuerung der Kolonisten ohne ihre Repräsentation im Parlament erschien ihm nicht als rationale Verfolgung britischer Interessen, die nur eben den seinen widersprachen und die politisch, das heisst durch Verhandlung und Kompromiss, zu regeln wären, sondern als absichtliche und vor den Amerikanern lange geheim gehaltene Böswilligkeit, die es zu bekämpfen gelte – eine Interpretation, die den Kämpfern für die Unabhängigkeit gewiss mehr Anhänger zuführte, als wenn er sie rein rational dargestellt hätte. 2015 ging der Höhepunkt der Pegida-Demonstrationen, wo die rechtspopulistische Verschwörungstheorie über eine „Lügenpresse“ popularisiert wurde, mit einem signifikanten Anstieg der Gewalt gegen Journalisten in Deutschland einher.

 

Tatsächlich liegt Gewaltausübung in der logischen Konsequenz von Verschwörungsideologien: Wenn die Bedrohung durch die als übermächtig vorgestellten Verschwörer so gross ist und wenn es aufgrund der ideologischen Selbstabdichtung keinerlei Mittel gibt, diese Phantasievorstellung zu widerlegen, dann muss – in dieser Vorstellungswelt – buchstäblich jedes Mittel recht sein, sich ihrer zu erwehren. Die Dämonisierung der Gegner, die Verschwörungstheorien mit sich bringen, legitimieren Gewalt ebenso wie der in mehreren gewaltbereiten Gruppen verbreitete Eindruck, die Aussenwelt habe sich verschworen, sie zu vernichten. Dies lässt sich etwa für Jim Jones‘ Peoples Temple nachweisen, der 1978 das Jonestown-Massaker anrichtete, und für Ōmu Shinrikyō, eine japanische neureligiöse Gruppierung, die 1995 einen verheerenden Giftgasanschlag in der Tokioter U-Bahn verübte. Die Mitte-Studien der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigten 2019 einen signifikanten Zusammenhang zwischen einer „Verschwörungsmentalität“ und Gewaltbereitschaft: 23,9 % derer, die an Verschwörungstheorien glauben, sind demnach gewaltbereit, weitere 11,4 % billigen Gewalt.

 

 

 

 

Quellen: 

Richard Hofstadter: The Paranoid Style in American Politics and Other Essays. London 1966. (Nachdruck: Chicago 1990, ISBN 0-226-34817-2.)

J. M. Roberts: The Mythology of the Secret Societies. Secker & Warburg, London, New York 1972, ISBN 0-684-12904-3.

Johannes Rogalla von Bieberstein: Die These von der Verschwörung 1776–1945. Philosophen, Freimaurer, Juden, Liberale und Sozialisten als Verschwörer gegen die Sozialordnung 1776–1945. Bern 1976, Flensburg 1992, ISBN 3-926841-36-2 (Neuauflage unter dem Titel: Der Mythos von der Verschwörung. Marix, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-86539-162-9.)

Daniel Pipes: Conspiracy. How the Paranoid Style Flourishes and Where It Comes From. Free Press, New York 1997 (dt.: Verschwörung. Faszination und Macht des Geheimen. Gerling, München 1998, ISBN 3-932425-08-1.)

Helmut Reinalter (Hrsg.): Verschwörungstheorien. Theorie – Geschichte – Wirkung. Studienverlag, Innsbruck 2002, ISBN 3-7065-1510-5.

Michael Barkun: A Culture of Conspiracy: Apocalyptic Visions in Contemporary America. University of California Press, Berkeley 2006, ISBN 978-0-520-24812-0.

Wolfgang Wippermann: Agenten des Bösen. Verschwörungstheorien von Luther bis heute. Bebra, Berlin 2007, ISBN 3-89809-073-6.


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