Forscher beweisen - Das Coronavirus stammt nicht aus dem Labor

Die Auffassung des künstlich erzeugten Virus ist vom Tisch.
Die Auffassung des künstlich erzeugten Virus ist vom Tisch.

DMZ – FORSCHUNG / WISSENSCHAFT ¦ David Aebischer ¦

 

Schon früh kursierte in den sozialen Netzwerken die These, das neuartige Coronavirus stamme aus einem Labor. Bereits am 19.3.2020 wurde dies von einem Forscherteam widerlegt. Ausnahmezustände, Katastrophen und Pandemien rufen neben seriöser Ursachenforschung immer auch Verschwörungstheoretiker auf den Plan. Kaum begann das Corona-Virus sich über die Grenzen der chinesischen Provinz Wuhan hinaus zu verbreiten, zirkulierten in den sozialen Netzwerken Vermutungen über einen nicht-natürlichen Ursprung des Erregers. Demnach könnte das gefährliche Virus aus einem Labor stammen. Wie auch viele andere "Thesen", die man in sozialen Medien findet, ist auch diese falsch und wissenschaftlich widerlegt.

 

Absurde Thesen

Auf Facebook verbreitet sich u.A: auch die Behauptung, Nikotin verhindere die Ausbreitung von Coronaviren im Körper. Aus diesem Grund würden Raucher „fast nie“ an Covid-19 erkranken. Dieser Behauptung wurde insbesondere natürlich von Raucherinnen und Rauchern sehr gerne geglaubt. Aber auch hier handelte es sich um Fake-News.

Am 22. April verbreitete die österreichische Lokalzeitung "Die Monatliche" diese Fake-News. Darin hiess es, Covid-19 sei eine „Nichtraucher-Krankheit“. Raucher bekämen sie „fast nie“, weil Nikotin vor dem Coronavirus schütze. Natürlich kompletter Schwachsinn. Der Beitrag von Die Monatliche auf Facebook ist inzwischen wieder gelöscht worden. 

 

Mythos des "künstlichen" Virus

Auch mit diesem Mythos der künstlichen Herstellung des Virus' räumten Forscher bereits Mitte März auf. Nach einer eingehenden Analyse verschiedener Coronaviren, veröffentlicht im Magazin „Nature Medicine“, kommen sie zu dem Schluss: Dass der Erreger im Labor geschaffen oder von Menschen absichtlich manipuliert wurde, ist widerlegt.

Auch Top-Virologe Christian Drosten erklärt, warum es nur eine Antwort darauf geben kann - und rügt gar einen Nobelpreisträger für dessen "unsinnigen" These. Im NDR Podcast "Das Coronavirus-Update" erklärt er, warum diese Vermutungen und Gerüchte falsch sind und führt als Beweis auch einen neuen Befund an, der zwar aus China stammt, aber auch in der Charité bereits bekannt und sogar selbst herausgefunden wurde. "Die Kollegen in China sind uns zuvorgekommen mit dem Publizieren", wie Drosten schmunzelnd bemerkt.

 

Wissenschaftler warnten bereits vor Ausbruch des Virus'

Es gibt immer diejenige, die von vornherein alles besser gewusst haben wollen. Auch in der Wissenschaft. Doch eine Forschungsarbeit aus dem Jahr 2019 liest sich wie ein Drehbuch für den Ausbruch des Coronavirus Sars-CoV-2 in China. Yi Fan, Kai Zhao, Zheng Li Shi und Peng Zhou warnen in einem Artikel, veröffentlicht vor genau einem Jahr, vor dem möglichen Auftauchen eines neuen Fledermaus-Coronavirus.

 

Esskultur fördert die Virusübertragung

Die Studie im Rahmen einer Special Issue häuft viel Wissen an, etwa über die virale Diversität, die geographische Verteilung, Viren-Hotspots in China oder liefert Vorhersage-Modelle mit artenübergreifendem Übertragungspotential. Die Herausforderung besteht laut den Forschern aus Wuhan aber darin, vorherzusagen, wann und wo der Ausbruch seinen Ursprung haben könnte.

 

In China leben Fledermäuse nahe bei Menschen. Erreger können so leicht auf Menschen oder Tiere übertragen werden. Auch die chinesische Esskultur fördert den Wissenschaftlern zufolge die Virusübertragung. Sowohl chinesische als auch europäische Wissenschaftler haben eine Schnittstelle in Fledermäusen entdeckt. "Sie ist zwar geringfügig anders als die aus dem SARS-CoV-2-Virus des Menschen, aber die ist schon sehr, sehr ähnlich", erklärt Drosten. Er betont, die Auffassung des künstlich erzeugten Virus "ist damit vom Tisch".

Er präzisiert: "In der Natur entsteht so etwas unter Selektionsdruck, weil es dem Virus einfach nützt. Das entsteht durch Zufall und da werden mehrere evolutionäre Zufälle aneinandergereiht. Irgendwann kommt dann ein Virus heraus, das nicht nur graduell ein kleines bisschen besser repliziert, sondern einen enormen Replikationsvorteil hat. Da ist dann auch ein enormer Selektionsvorteil in der Evolution gegeben und so ein Virus setzt sich dann durch."

 

Warnungen blieben ungehört

Als Ursprungsort des Ausbruchs von Sars-CoV-2 gilt ein Markt in Wuhan, auf dem exotische Tiere zum Verzehr verkauft wurden. Welche Tierart als Zwischenwirt zwischen Fledermaus und Mensch in Frage kommt, ist noch unklar. Doch eine Eindämmung von Wildtiermärkten in China ist ausgeblieben, trotz den Warnungen der Forscher des Instituts für Virologie vor einem Jahr.

 

Die Studie verweist zudem auf ähnliche Ausbrüche, wie das bekannte schwere akute Atemwegssyndrom (Sars 2003) oder das weniger bekannte Sade-Coronavirus (2017), das in China Schweine befallen hatte. Beide Krankheiten hatten ihren Ursprung in China und wurden durch Coronaviren verursacht, die von Fledermäusen stammen. 22 von 38 Virusarten wurden darüber hinaus von chinesischen Wissenschaftlern entdeckt, die Fledermäuse oder andere Kleintiere untersuchten.

 

"Es ist schwierig für einen aktiven Wissenschaftler in der Virologie zu sagen, dass ein Nobelpreisträger im Fach Virologie Unsinn verbreitet"

Eine bereits einige Zeit zurückliegende Äusserung von Luc Montagnier, einem französischen Virologen und Nobelpreisträger von 2008, stösst nicht nur Drosten übel auf. Dieser hatte in einer TV-Sendung nämlich berichtet, dass im Erbgut des Coronavirus auch Sequenzen von HIV zu finden seien und dies könne nur künstlich hergestellt worden sein.

"Es ist schwierig für einen aktiven Wissenschaftler in der Virologie zu sagen, dass ein Nobelpreisträger im Fach Virologie Unsinn verbreitet", so Drosten, "aber das ist kompletter Unsinn." Diese Ähnlichkeit sei vollkommen gewöhnlich. "Dieses Thema ist einfach erledigt, auch wenn ein im Ruhestand befindlicher Nobelpreisträger in einer Talkshow darüber redet."

 

Scheinbare Experten verbreiten unverantwortlich Lügen

Wie viele Personen mittlerweile Halbwahrheiten, falsche Interpretationen oder gar Verschwörungstheorien in die Welt setzen, findet Drosten erschreckend. "Was ich höre, auch von scheinbaren Fachleuten, das entbehrt einfach jeder Grundlage." Deren Wissensstand ginge "nicht über eine oberflächliche Kenntnis von Studentenlehrbuchwissen hinaus", poltert er weiter. "Und mit dieser Wissensbasis posaunt man dann Videos in die Öffentlichkeit und stärkt den wirklich gefährlichen Verschwörungstheoretikern, die auch zum Teil politische Agenden haben, den Rücken. Das ist unverantwortlich." So auch die These, dass Kinder weniger gefährlich oder gefährdet sind. Mit einer umfassenden Analyse wurde allerdings festgestellt, dass kein nachweisbarer Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen besteht.

 

Nebst Drosten empfehlen immer mehr Virologen und Ärzte (Offener Brief), dass man vermeintliche Experten genau durchleuchten müsse. Doch wie können sich die Bürger sicher sein, dass das, was sie in den Medien lesen und hören, auch der Wahrheit entspricht? Christian Drosten verweist zunächst einmal auf die fachliche Kompetenz, also auf den Titel. Virologen und Bakteriologen seien beispielsweise nicht das gleiche.

Man müsse sich aber auch ansehen, wie sich der vermeintliche Experte spezialisiert habe, was er zu diesem Thema schon veröffentlicht habe und wie er in der Fachwelt respektiert und akzeptiert ist. "Wenn das nicht der Fall ist, sollte man davon einfach die Finger lassen und nicht seine Zeit verschwenden, eine halbe Stunde in ein YouTube-Video zu investieren, das voller irreführender Meinungen ist und nicht auf wissenschaftlicher Kenntnis basiert."

 

 

Quellen:

  • medinside ¦ https://www.medinside.ch/de/post/coronavirus-stammt-nicht-aus-labor
  • geo ¦ https://www.geo.de/wissen/gesundheit/22751-rtkl-verschwoerungstheorie-forscher-erklaeren-warum-das-coronavirus-nicht
  • The proximal origin of SARS-CoV-2 - https://www.nature.com/articles/s41591-020-0820-9
  • nature.com
  • https://covid19.who.int/
  • https://experience.arcgis.com/experience/685d0ace521648f8a5beeeee1b9125c
  • Van Dorp, Lucy et al., Emergence of genomic diversity and recurrent mutations in SARS-CoV-2 (Infection, Genetics and Evolution, 2020)
  • Clincial Trials — Safety and Immunogenicity Study of 2019-nCoV Vaccine (mRNA-1273) for Prophylaxis SARS CoV-2 Infection (COVID-19)
  • Riou, Julien & Althaus, Christian L., Pattern of early human-to-human transmission of Wuhan 2019 novel coronavirus (2019-nCoV), December 2019 to January 2020 (Euro Surveillance, 2020)
  • Ren, Li-Li et al., Identification of a novel coronavirus causing severe pneumonia in human (Chinese Medical Journal, 2020)
  • Tan, Wenjie et al., Notes from the Field: A Novel Coronavirus Genome Identified in a Cluster of Pneumonia Cases — Wuhan, China 2019−2020 (China CDC Weekly, 2020)
  • China CDC Weekly — Notes from the Field: An Outbreak of NCIP (2019-nCoV) Infection in China — Wuhan, Hubei Province, 2019−2020
  • Li, Qun et al., Early Transmission Dynamics in Wuhan, China, of Novel Coronavirus–Infected Pneumonia (New England Journal of Medicine, 2020)
  • Huang, Chaolin et al., Clinical features of patients infected with 2019 novel coronavirus in Wuhan, China (Lancet, 2020)
  • Li, Xingguang et al., Evolutionary history, potential intermediate animal host, and cross‐species analyses of SARS‐CoV‐2 (Journal of Medical Virology, 2020)
  • Flaxman, Seth et al., Report 13: Estimating the number of infections and the impact of non-pharmaceutical interventions on COVID-19 in 11 European countries (Imperial College COVID-19 Response Team Report, 30.03.2020)
  • Andersen, Kristian G. et al., The proximal origin of SARS-CoV-2 (Nature Medicine, 2020)
  • GenBank — Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 isolate Wuhan-Hu-1, complete genome
  • World Health Organisation — Pneumonia of unkown cases – China (5. Januar 2020)
  • World Health Organisation — WHO Director-General’s opening remarks at the media briefing on COVID-19 – 11 March 2020 (11.03.2020)
  • World Health Organisation — WHO announces COVID-19 outbreak a pandemic (12.03.2020)
  • Medienbericht: Caixin — Outbreak of Mysterious Lung Disease Sparks SARS Rumors (31. Dezember 2019)

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