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Zweite Corona-Welle? Christian Drosten ist alarmiert. Fallzahlen steigen in vielen Ländern erneut an

Der Virologe Christian Drosten hat damals schon SARS mit entdeckt. Nun ist er der führende Experte für das neuartige Coronavirus. Von der Berliner Charité aus berät er Politiker und klärt die Bürger auf. (Bild: Charité)
Der Virologe Christian Drosten hat damals schon SARS mit entdeckt. Nun ist er der führende Experte für das neuartige Coronavirus. Von der Berliner Charité aus berät er Politiker und klärt die Bürger auf. (Bild: Charité)

DMZ – GESNDHEIT / WISSEN / FORSCHUNG ¦

 

Der Virologe Christian Drosten spricht von einer „frappierenden Erhöhung“ an Coronavirus-Fällen. In einer Region in Italien sterben mehr Menschen mit Coronavirus als offiziell angegeben. Deshalb warnt der Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast vor einer Verharmlosung. Zuletzt hatte der Berliner Forscher vor Verschwörungstheorien gewarnt.

 

In der kleinen norditalienischen Gemeinde Nembro starben laut einer Studie, an der die Charité beteiligt ist, im März insgesamt mehr Menschen als im gesamten Jahr 2019.

Darüber hinaus warnt Drosten davor, das Coronavirus mit der Schweinegrippe zu vergleichen und ähnliche Effekte wie 2009 zu erwarten.

 

 

Demnach starben dort allein im März mehr Menschen als im gesamten vergangenen Jahr; nur rund die Hälfte von ihnen aber wurde als Covid-19-Todesfälle gemeldet. Der Übersterblichkeitseffekt sei extrem viel höher als die tatsächlich gemeldeten Fälle von Verstorbenen wegen der Covid-Infektionen.

 

 

Drosten weiter: „Da sind also auch die Fälle dabei, die nie diagnostiziert wurden.“ Und es seien auch andere Todesursachen dabei, die nur indirekt mit dem Virus zusammenhingen: „Zum Beispiel, wenn die Leute nicht ins Krankenhaus gehen, weil sie Angst vor dem Virus haben.“ „Und ich finde es wichtig, das hier mal zu besprechen, weil einfach so viel angezweifelt wird. Weil ja auch dieser Eindruck in sozialen Medien immer noch kursiert, dass diese Erkrankung so harmlos ist wie eine normale saisonale Grippe“, sagt Drosten. Zuletzt hatte der Berliner Forscher vor Verschwörungstheorien gewarnt.

 

Unterschiede in der Sterblichkeit sehe man selbst, wenn sich das Virus nur ein paar Wochen in der Bevölkerung verbreitet habe – und dann der Lockdown kommt. „Selbst dann ist es eine frappierende Erhöhung in diesem Zeitraum.“

 

Drosten: Coronavirus anders als Schweinegrippe

Weiter warnte Drosten davor, das Coronavirus mit der Schweinegrippe-Pandemie 2009 zu vergleichen und dabei auf ähnliche Effekte zu hoffen. Die WHO habe damals eine Warnung ausgesprochen, so der Forscher der Charité Berlin.

Man habe die Schweinegrippe damals als größere Gefahr eingeschätzt, als sie eigentlich gewesen sei, weil es bereits eine gewisse Herdenimmunität gegen den Erreger gegeben habe, so Drosten weiter. So seien die Viren mit einem Erreger verwandt gewesen, den es in Deutschland bereits gegeben habe. Das hatten die Forscher damals einfach nicht gewusst.

 

Deutschland und die Schweiz scheinen die Ansteckungszahlen in den Griff zu bekommen. Immer mehr Lockerungen kommen. Mit ihnen wächst allerdings die Sorge vor neuen Infektionen. Wissenschaftler rechnen sogar mit einer zweiten Welle. Aber wie wahrscheinlich ist die?

 

Noch vor einer Woche rechnete das Robert-Koch-Institut (RKI) in der Corona-Krise fest mit weiteren Ansteckungswellen. "Das ist eine Pandemie. Und bei einer Pandemie wird dieses Virus so lange Krankheiten hervorrufen, bis 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung infiziert sind", bekräftigte RKI-Präsident Lothar Wieler. Es werde "mit großer Sicherheit" eine zweite Welle geben, dessen sei sich die Mehrheit der Wissenschaftler sicher. Viele gingen sogar von einer dritten Welle aus, so Wieler. Mittlerweile äußert sich das RKI jedoch zurückhaltender: Eine weitere Welle könne nun doch verhindert werden, "wenn wir uns alle vernünftig verhalten und Infektionen vermeiden."

 

 

Ab wann spricht man von einer zweiten Welle?

Eine klare Definition oder konkrete Zahlenangaben dafür gibt es nicht. Bei einer erneuten Infektionswelle "müssten wir nicht nur in einem Land, sondern in mehreren Regionen auf der Welt eine Trendumkehr sehen", erklärt der Wissenschaftler. Das bedeutet, dass die Neuinfektionen kontinuierlich zunehmen müssten - nicht nur in Europa, sondern auch beispielsweise in Ostasien. Das zeigen die Zahlen bislang nicht. Solange es nur kleinere Ausbrüche gebe, "ist die Lage einigermaßen unter Kontrolle". Ganze Weltregionen stehen jedoch erst vor der ersten Welle oder durchlaufen sie gerade. Vor allem in Gegenden, wo nicht so viel getestet wird, ist die Ausbreitung des Virus noch nicht abgeschlossen. "Wenn wir sagen, die zweite Welle käme jetzt sofort, ist das sicherlich noch verfrüht, weil uns dafür bislang die Daten fehlen", so Ulrichs.

 

 

"Aus Sicht des Virus läuft es ganz prima"

In der Vergangenheit hat sich immer wieder gezeigt, dass Pandemien, aber auch Epidemien wellenartig verlaufen. Das muss aber nicht unbedingt immer der Fall sein. Wie eine Pandemie verläuft, hängt stark von der Dynamik des Erregers ab. Bei der Spanischen Grippe unmittelbar im Anschluss an den Ersten Weltkrieg gab es nach dem Rückgang der Fallzahlen noch einmal eine Wiederausbreitung. Das Virus hatte sich leicht verändert und konnte so wieder mehr Menschen infizieren. Daher gab es in der zweiten Welle sehr viele Todesopfer zu beklagen.

 

 

Was begünstigt den Ausbruch einer zweiten Welle?

Es gibt mehrere Faktoren. So könnte die Jahreszeit eine Rolle spielen. "Einige Studien besagen, dass die Sommermonate eher hemmend auf die Virusausbreitung wirken, weil die Menschen sich eher draußen aufhalten", sagt auch Ulrichs. UV-Licht und höhere Temperaturen können Viren abtöten. Im Herbst sei das kühle Wetter dann wieder günstiger für Viren und auch Menschen anfälliger für Krankheiten. Allerdings kommen neuere Studien zu dem Schluss, dass die Ausbreitung des Virus in keinem Zusammenhang mit Breitengrad oder den Temperaturen einer Region steht. Die deutlich wichtigeren Faktoren sind demnach das Verhalten der Menschen und die Maßnahmen, die gegen das Virus ergriffen worden sind: Abstand halten, Hände waschen, Masken tragen. Wenn diese Lockerungen zu weit getrieben würden, könnte es zu einer Trendumkehr kommen, warnt Wissenschaftler Ulrichs. Das mache eine zweite Viruswelle deutlich wahrscheinlicher. Dies sieht man die Tage bereits wunderbar in den Strassen Kaum jemand mehr hält sich an die Vorgaben.

 

Wann könnte eine zweite Welle kommen?

Charité-Virologe Christian Drosten warnte bereits vor zwei Wochen vor einer neuen Welle, die Deutschland mit größerer Wucht treffen könnte als bisher. "Wenn die zweite Welle kommt, kommt sie relativ zeitnah. Womöglich noch bevor wir einen guten Impfstoff haben", sagt auch Ulrichs. Im Herbst wäre seiner Meinung nach ein neuer Ausbruch denkbar. "Dann halten sich die Menschen wieder vermehrt in geschlossenen Räumen auf, da es draußen kälter wird." Zudem bestünde die Gefahr, dass viele der ganzen Maßnahmen müde geworden und dadurch nicht mehr vorsichtig seien.

 

Lässt sich eine zweite Welle verhindern?

Wahrscheinlich schon, allerdings müssen dafür die Lockerungen immer wieder angepasst werden. Wichtig ist auch, die neuen Hygienemaßnahmen konsequent beizubehalten, also weiter Abstand zu halten, regelmäßig die Hände zu waschen, in öffentlichen Räumen Mund und Nase zu bedecken und bei Erkrankungen zu Hause zu bleiben. Sicher ist für die Epidemiologen trotzdem, dass auch diese Pandemie vorübergehen wird. "Hoffentlich frühzeitig und mithilfe eines Impfstoffes", sagt Ulrichs.

 

Lockerung und Verschwörungstheorien begünstigen Neuansteckungen

Nicht nur absurde Verschwörungstheoretiker lehnen sich gegen die Corona-Massnahmen auf. Es gibt immer mehr prominente Stimmen, die öffentlich Stellung beziehen. So hat Linth24.ch einige Stimmen gesammelt.

 

Die absurden Verschwörungstheoretiker, die mit anderen Kritikern an Demonstrationen teilnehmen und sich im Netz weltweit ausbreiten, mehren sich. Sie sind aber längst nicht die einzigen, die ihre Stimme gegen die Corona-Massnahmen und gegen den schrittweisen Vorgang der Lockerungen erheben. Es gibt immer mehr "Persönlichkeiten" aus allen möglichen Branchen, welche die Corona-Krise und den Umgang damit öffentlich hinterfragen und unvorsichtige Äusserungen machen. 

 

Reto Brennwald, Moderator und Talk/Film-Spezialist

äussert sich auf seinem Facebook-Profil: «Wer die Debatte genau verfolgte, musste sehr bald zum Schluss kommen, dass mit Disziplin und ein paar klaren Massnahmen die Situation unter Kontrolle zu bringen ist. Keine Grossveranstaltungen, Händewaschen, Abstand halten, situativ Mundschutz tragen. Lieber Bundesrat, das machen wir, wir sind fähig, Verantwortung zu tragen, macht jetzt Schluss, jeder Tag ist ein verlorener Tag.» Für seine Post erhält er Likes unter anderem von prominenten Persönlichkeiten wie Ex-Botschafter und Unternehmer Thomas Borer sowie Art-on-Ice-Chef Reto Caviezel.

 

Chris von Rohr, Autor und Musiker

fordert in seiner Kolumne Notabene in der Schweizer Illustrierten: «Bern, bitte genau hinschauen und kein falscher Seuchensozialismus. Diese Krise deckte auch gnadenlos die Schwachstellen unserer strategielosen Politiker auf. Trotz ernstzunehmenden Warnungen war schon die Krisenvorbereitung ungenügend.»

 

Roger Köppel, Nationalrat und Verleger

fragt in seinem Editorial «Der Spuk muss ein Ende haben»: «Ist der Shutdown der teuerste Fehlschlag aller Zeiten?» und meint weiter: «Natürlich ist die Schweiz keine Diktatur. Aber sie ist auf dem Weg dazu.»

 

Peter Spuhler, Stadler-Rail-Patron

im Blick-Interview: «Nun erwarte ich aber, dass die Wirtschaft – insbesondere der KMU-Bereich und die Gastronomie – schneller hochgefahren wird als vom Bundesrat geplant. Sonst werden wir grosse, nachhaltige wirtschaftliche Schäden zu beklagen haben.»

 

Ueli Maurer, Bundesrat

gibt an öffentlichen Auftritten zu: «Mir ist nicht mehr wohl in meiner Haut» und «Ich habe langsam genug von der Krise.»

 

Heinz Karrer, Economiesuisse-Chef

sagt im Blick-Interview: «Wir sind froh, dass der Bundesrat auf die Kritik reagiert und ein schnelles Hochfahren der Wirtschaft beschlossen hat. Insgesamt hätten wir uns dennoch schnellere Lockerungen gewünscht.»

 

 

 

Quellen: ntv.de ¦ Linth24 ¦ morgenpost.de ¦ https://www.ndr.de/nachrichten/info/podcast4684.html?fbclid=IwAR0kyP_7gdklt5CbjTfIV3rVjIjK98LQCZE77qxQbXLGvyLnAwSVj4NIvFY


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