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«Fehlentwicklung» in allen westlichen Gesundheitssystemen

Die politischen Fehlentwicklungen zu Gunsten von Patientinnen und Patienten beeinflussen
Die politischen Fehlentwicklungen zu Gunsten von Patientinnen und Patienten beeinflussen

DMZ – WISSENSCHAFT / POLITIK ¦ 

GASTKOMMENTAR von Dr. Andreas Keusch

 

Man darf leider nicht vergessen – und dies ist leider ein Glaubwürdigkeitsproblem meinerseits – dass ich aus gesundheitlichen Schicksalsschlägen nun ja schon bald 20 Jahre Weg von der Klinik-Front als Medical Manager bin. Was ich da aber schon erfahren durfte/musste, gepaart mit der (neoliberal) polit-wirtschaftlichen eigennützigen Fehlsteuerung in der Gesundheitspolitik, lässt einem leider weder erstaunt noch schockiert zurück. Es ist letzten Endes einfach die logische «Fehlentwicklung» in allen westlichen Gesundheitssystemen, da deswegen niemand flächendeckende adäquate Q-Förderung/-Kontrolle von Behandlungsentscheid und -verlauf einfordert und umsetzt.

 

Bei uns kommt leider hinderlich dazu, dass wir ein reiches Land sind, mit unserer Finanzierungsstrategie erst jetzt die Konsequenzen dieser politischen Fehlsteuerung ans Tageslicht geraten, welches ‘arme’ Länder aus Finanzierungsgründen erst recht nicht von Anfang an zulassen können, auch wenn dort noch korruptere Verhältnisse vorherrschen, so dass man unsere Missstände schon gar nicht als Folge eigenbereichernder Missstände/Korruption wahrnehmen will.

 

Wir sind an einem Punkt in unserem Gesundheitssystem anbelangt, wo föderalistische Gesundheitspolitik nichts mehr zu bewegen vermag. Zu gross ist die Forderung nach Wirtschaftlichkeit aller Akteure, ohne tatsächlich medizinische Verantwortung gegenüber dem einzelnen Individuum tragen zu müssen. Die Gesundheitspolitik ist so zu einer Speerspitze der Verantwortungslosigkeit verkommen. Wenn man politisch wollte, könnte man medizinische Fehlentwicklungen der einzelnen Kantone erkennen und weil föderalistisch und eben nicht gesamtschweizerisch begangen, könnte man entsprechend davor warnen. Sobald aber finanzielle Vorteile aus föderalistisch gesundheitspolitischen Entscheidungen auch für andere Kantone lukrativ werden, wird halt eben leider nachgezogen und nicht auf medizinisch langfristig negative Konsequenzen geachtet.

 

Was ist zudem Eigenverantwortung politisch schon wert, wenn keine medizinisch transparente Qualitätssicherung / -Förderung eingefordert und umgesetzt wird, mit welcher man das Volk dann auch entsprechend aufzuklären vermag. So bleibt leider alles nach wirtschaftlichen Eigeninteressen leicht manipulierbar. Es existiert in unserer eigenbereichernden marketinggetriebenen Medienwelt keine wirkliche sachlich transparente Orientierungshilfe für den einzelnen Bürger, sondern dient einzig und allein der polit-wirtschaftlich erwünschten Steuerung der Patientenströme und Behandlungen.

 

Politik und Spitäler schliessen: Ganz sicher nicht, weil jeder Politiker, der ein Spital schliesst und somit vordergründig regionale Arbeitsplätze vernichtet, gleich unter die Räder gerät. Die Politik hat deswegen den Weg gewählt, über Leistungsaufträge Spitäler indirekt zu schliessen. So sind nämlich die Klinikdirektionen verantwortlich, wenn Sie keine Wirtschaftlichkeit mehr erreichen und deswegen ein Spital schliessen müssen. So sind die politisch dafür Verantwortlichen einmal mehr fein raus.

 

Sowieso muss die Politik nie Verantwortung übernehmen, denn bei jedem Entscheid verweist man stets darauf hin, dass die Leistungserbringer die Sicherheit deren Patienten gemäss ärztlicher Sorgfaltspflicht und medizinischer Ethik sichern müssen. Dumm nur, dass die Leistungserbringer dieser Pflicht aus Angst vor finanziellen Benachteiligungen dem nicht nachkommen und eben rigoros deren Veto zum Schutze von Würde und Wohl deren Patienten einlegen würden. Somit also leider erneut leichtes Spiel für die Politiker im wirtschaftlichen Eigeninteresse deren Klientels …

 

Die Spitallandschaft muss schweizweit reformiert und bereinigt werden. Bestehende Infrastrukturen sollten hingegen nicht aufgegeben, sondern sinnvoll umgenutzt werden. Die aktuelle Corona Pandemie unterstützt m.E. meine damalige Forderung nach Umnutzung der frei werdenden Spitalinfrastrukturen in zusätzliche regionale internistische Notfall- resp. Erstversorgerzentren oder Hausärztenotfallzentren, denn so könnte man in Epidemie- / Pandemiefällen diese Infrastrukturen in kürzester Zeit umrüsten/umnützen.

 

Bei den Problemen in der Psychiatrie kommt zudem einmal mehr der deutliche politische menschendiskriminierende, menschenverachtende, leistungsrationierende Wille deutlich zum Ausdruck, wie dies die Gesundheitsdirektorin Nathalie Rickli (SVP) anlässlich deren Interviews vom 19. Dezember 2019 in der NZZ leider wie folgt bestätigte:

 

«Bis 2030 wollen wir den stationären Bereich für Erwachsene trotz Bevölkerungswachstum stabil halten»

 

Was für ein Eigentor, denn viele psychische Erkrankungen sind fallmässig (prozentual) stabil zur Bevölkerungsgrösse und nehmen somit bei ansteigender Bevölkerung eben auch entsprechend zu (oder ab). Interessanterweise warnen jetzt Alle noch, dass die aktuellen Pandemieschutzmassnahmen und die nachfolgende Retrozession die psychischen Erkrankungen zusätzlich ansteigen lassen werde.

 

Glück also, wer dann noch von der Politik als «nützlich» eingestuft werden wird, resp. als VIP betrachtet wird, das volle psychiatrische «Wohlfühlprogramm» erhält, resp. nicht rationiert wird, da ja psychische Erkrankungen gemäss bürgerlicher und linker Politik mit viel Eigenverantwortung und Aufbringung allen guten Willens sich nur als medizinisch eigenbereichernde und IV aushöhlende «Scheinerkrankung» erweist. Aber eben, wenn man keine adäquate Qualitätsförderung und -kontrolle zu Indikation und Outcome in der Psychiatrie einfordert, …

 

Die «Einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen der Krankenversicherung» EFAS ist m.E. ein ansatzweiser gangbarer Weg, der aber infolge der Infrastruktur der Spitäler aktuell zu einem Problem wird. Auch deswegen muss die Spitalstruktur mit unseren 264 Spitalstandorten dringend, wie weiter oben bereits ausgeführt, reformiert, resp. bereinigt werden …

 

Ärztestopp ist für mich nach wie vor ein vollständiger Blödsinn, denn Ärztestopp sichert die Pfründe der bestehenden Leistungserbringer, dank fehlender Qualitätsförderung / -kontrolle sich eben zum Schaden von uns Patienten und Prämien & Steuerzahlern keinem medizinischen Qualitätswettbewerb aussetzen zu müssen, wo qualitativ schlechte Ärzte deren Praxis-/Klinikbewilligung /Approbation entzogen werden könnte. Im Gegenteil, im aktuellen System haben diese Leistungserbringer ihr gesichertes Einkommen ohne für Ihre Arbeit in einem System mit indirekter Steuer (obligate Grundversicherung) tatsächlich transparent Rechenschaft ablegen zu müssen …

 

Apropos Eigenverantwortung: Wie dies eben ein politisch äusserst zweischneidiges Schwert darstellt, welches die freisinnigen und bürgerlichen Politiker gerne eigenbereichernd durchzusetzen versuchen, zeigt ja gerade der Sonderweg Schwedens in dieser Corona Pandemie sehr eindrücklich auf.

 

Es widerspiegelt die eugenische Haltung der Schweden gegenüber Ihren Alten und Schwachen mit deren menschenverachtenden Behandlungstriage, ältere Patienten nicht mehr intensivmedizinisch zu versorgen, entsprechend Kosten einsparen zu können. Dies ohne dabei nun tatsächlich einen nachweislich relevanten wirtschaftlichen Vorteil dabei herausholen zu können, wie dies der Artikel ‘Eine Zwischenbilanz in Zahlen: Wie gut kommt Schweden auf seinem Sonderweg durch die Krise?’ des «Spiegel» vom 1. Juni 2020 deutlich aufzuzeigen vermag.  Humanistisch, ethisch und medizinisch betrachtet somit äusserst verwerflich!!!

 

Umso bedenklicher, wenn nun die Politik der Schweiz sich immer mehr dem Schwedischen Sonderweg, der unterdessen zum Glück als gänzlich gescheitert eingestuft werden muss und damit auch die politische Eigenverantwortung, wie von SVP und FDP politisch eingefordert, blossgestellt werden kann, wir uns aber politwirtschaftlich leider immer mehr annähern.

 

Was ich ja bereits mehrfach geäussert habe, die Corona Pandemie führt somit nicht zu Verbesserungen, sondern leider zu weiteren Verschlimmbesserungen im falschen eigenbereichernden neoliberalen polit-wirtschaftlich mehrheitsfähig vorliegenden gesundheitspolitischen Umfeld.

 

All dies gilt es m.E. jedoch als Mediziner stets zu entgegnen. Doch wer hat tatsächlich noch die Schultern und das Rückgrat dazu?!

 

«… im Dialog zu sein mit verschiedenen Akteuren.»

 

Genau diese Aussage der Zürcher Gesundheitsdirektorin, Nathalie Rickli vom 19. Dezember 2019  muss nun wortwörtlich aufgegriffen werden, um die politischen Fehlentwicklungen mit viel Glück noch etwas zu Gunsten unserer Patientinnen und Patienten als auch unserer Prämien- und Steuerzahler/Innen beeinflussen zu können!


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