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Clowns bringen trotz Corona Farbe in den Heim-Alltag

Clown auf Hebebühne
Clown auf Hebebühne

DMZ – SOZIALES / KULTUR ¦ Nicole Schneuwly ¦

 

Wegen der Corona-Pandemie durften die Besuche der Künstlerinnen und Künstler der Stiftung Lebensfreude nicht auf die übliche Weise stattfinden. Dank kreativer Lösungen konnten die Clowns den Menschen jedoch trotzdem den Heimalltag auflockern.

 

Die gemeinnützige Stiftung fördert die Lebensfreude bei Menschen, die an einer Demenz leiden, krank betagt oder geistig und körperlich beeinträchtigt sind. Normalerweise geschieht dies durch humor- und liebevolle Besuche von geschulten Künstlerinnen und Künstlern, den Lebensfreude-Clowns. Dabei stehen Wertschätzung, Respekt und Würde an oberster Stelle. Es sind keine Kinderclowns. Obschon ebenfalls mit Leichtigkeit unterwegs, begegnen die Lebensfreude-Clowns dem Gegenüber auf Augenhöhe, mit Feingefühl und Geduld. „Die Begegnungen sind immer individuell, es sind keine Shows. Musik und Gesang sind dabei sehr wichtig. Aber auch Gespräche, Zuhören oder einfach nur eine Hand halten und eine Melodie summen, können unglaublich Schönes bewirken“, erzählt Gründerin und Stiftungsratspräsidentin Christine Lienhard.

Davon, dass die Besuche eine nachhaltige Wirkung erzielen, zeugt folgende Rückmeldung einer Aktivierungstherapeutin: „Die Lebensfreude Clowns bringen immer wieder Freude und Lachen auf unsere Abteilungen und in die Zimmer. Niemand wird dabei vergessen, niemand unruhig oder unzufrieden zurückgelassen. Für uns ist immer wieder erstaunlich, dass die Besuche auch noch bis zwei, drei Tage nachwirken. Die Stimmung ist entspannter und alles scheint ein wenig leichter. Wir sind froh, dass die Clowns immer wieder zu uns kommen“.

 

Edle Gewänder, solide Ausbildungen

Auf die äussere Erscheinung der Clowns wird grossen Wert gelegt. Die Damen tragen elegante farbige Röcke im Retrostil, die Herren kommen im Anzug oder Dreiteiler mit schicken Schuhen daher. Sich für jemanden schön zu machen, ist auch eine Form, Respekt zu zeigen. Bewohnerinnen und Bewohner reagieren sehr stark darauf. Die Lebensfreude-Clowns tragen zudem immer eine rote Nase. Es hat sich gezeigt, dass die rote Nase, wenig Schminke und ein klarer Blick die Herzen öffnen.

 

Mit dem schicken Äusseren allein ist es allerdings nicht getan: Alle Künstlerinnen und Künstler verfügen über eine solide Clown-Ausbildung. Die meisten spielen zudem ein Instrument und singen. Feingefühl, Empathie, Geduld, Improvisationstalent und die Fähigkeit, sich als Künstler zurückzunehmen, sind weitere wichtige Voraussetzungen, die jedoch kaum erlernbar sind. Neue Mitarbeitende werden deshalb sehr sorgfältig ausgewählt und gründlich in die Arbeit eingeführt. Einmal eingearbeitet, nehmen die Lebensfreude-Clowns an regelmässig stattfindenden Weiterbildungen zu Fachthemen wie beispielsweise Demenz teil.

 

Christine Lienhard,  Mitgründerin und Präsidentin der Stiftung Lebensfreude.
Christine Lienhard, Mitgründerin und Präsidentin der Stiftung Lebensfreude.

„Positive und wertschätzende Kommunikationsformen sind unumgänglich. Wir besuchen mehrheitlich Menschen, deren rationale Fähigkeiten durch ihre Beeinträchtigung oder demenzielle Erkrankung mehr oder weniger reduziert sind; auf emotionaler Ebene passiert aber sehr viel.

 

Lernen auszuhalten ist deshalb ebenfalls wichtig. So einfach ist das in unserer kurzlebigen und schnellen Welt nicht. Wenn das aber gelingt, entstehen extrem berührende und wichtige Momente“, so Christine Lienhard.

 

 

Clowns auf Video und Hebebühne

Insgesamt 300 Clown-Besuche in Doppelbesetzung in über fünfzig Institutionen der ganzen Deutschschweiz haben im letzten Jahr stattgefunden. Für 2020 waren bereits 240 Besuche vereinbart, als die Corona-Pandemie dieser Planung einen dicken Strich durch die Rechnung machte. „Das Corona-Virus hat diese Menschen und ihr Umfeld besonders hart getroffen“, so Christine Lienhard. „Aufgrund ihrer besonderen Situation häufig sowieso schon isoliert, konnten sie von einem Tag auf den anderen keine Besuche mehr empfangen. Auch keine Lebensfreude-Clowns. Es hat mir keine Ruhe gelassen, dass jetzt Menschen, die auch sonst oft eher einsam sind, noch weniger Kontakt und Freude erleben, und wir haben nach Alternativen gesucht“.

 

Ausgehend von der Überlegung, wie sich das in Corona-Zeiten gängige Home-Office für Clowns umsetzen liesse, kam Christine Lienhard, zusammen mit dem Mitbegründer der Stiftung und jetzigem künstlerischen Leiter Antonio Morano alias Clown Felix auf die Idee, einen Youtube-Kanal zu gründen. Die Künstlerinnen und Künstler wurden gebeten, Videos aufzunehmen, wie wenn sie zu Besuch gehen würden. Dies war eine neue Herausforderung: Den Blick in die Kamera richten, kein echtes Gegenüber haben, langsam und deutlich sprechen, den Menschen auch auf Distanz Nähe vermitteln, sie zum Singen einladen. Entstanden ist eine kunterbunte Sammlung von fröhlichen Videos welche auch Privatpersonen zu Verfügung stehen. Wie folgendes Feedback illustriert, hat sich der Aufwand gelohnt: «Ich habe heute bei meiner Arbeit im Heim die ersten Clips unseren Bewohnern gezeigt. Eine Frau musste vor Freude weinen als sie Felix erkannt hat. Mit einer anderen Bewohnerin war es, als wäre sie live dabei als Martha Querflöte spielte».

Ersetzen können die Videos die Besuche kaum, sie bieten jedoch eine Alternative, um diese schwierige Zeit zu überbrücken. Die warmen Frühlingstemperaturen ermöglichen zudem Besuche im Garten und auf Terrassen der Institutionen. Dass dabei kein Aufwand gescheut wird, zeigt folgendes Beispiel: Clownin Sissi liess sich im Korb einer Hebebühne vor einem Altersheim im Kanton Thurgau hoch in die Lüfte heben und sang und musizierte vor den Fenstern. „Es war zum Abheben und einfach gigantisch“, berichtet Sissi begeistert. „Auf sechs Ebenen, oben, unten, rechts, links, vorne und hinten, alles fast gleichzeitig...überall waren die Bewohnenden verteilt. Sie hatten Freude an allem, an der Hebebühne, am Lenker derselbigen, an meinem Besuch, dass endlich mal wieder was los war! Aber so einzigartig er auch war, die Nähe zu den Bewohnenden kann so ein Besuch nicht ersetzen und ich freue mich enorm darauf, bis wir den Menschen in den Heimen wieder die Hand reichen und mit ihnen ein Tänzchen schwingen können“.

 

Beharrlich und lösungsorientiert

Die positiven Reaktionen bestärken Christine Lienhard und ihr Team darin, trotz oder gerade wegen der ausserordentlichen Umstände beharrlich und kreativ zu bleiben. So werden auch Sonderanfragen für Besuche unter Einhaltung strengster Hygienevorkehrungen entgegengenommen, und es wird gemeinsam nach Lösungen gesucht, damit die Clowns mit Musik und Gesang weiterhin Farbe und Lebensfreude in den Heim-Alltag bringen können.

Finanzierung - Spendenanlässe wegen Corona abgesagt

Die Stiftung Lebensfreude finanziert ihre Aktivität zum grössten Teil aus Spenden, die Besuchten Heime leisten einen Teilbeitrag. Charity-Anlässe spielen für die Geldbeschaffung eine sehr grosse Rolle. Die Pandemie stellt die Stiftung auch hier vor eine grosse Herausforderung; einerseits steigt die Nachfrage nach Besuchen rasant, andererseits mussten für dieses Jahr alle Galas, Konzerte, Brunches oder Golfturniere um Geld zu sammeln, abgesagt werden. Das Team setzt alles daran der Nachfrage gerecht zu werden – auch hier ist nun Kreativität gefragt.


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