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Zunehmend Angriffe auf das Gesundheitspersonal

DMZ – GESELLSCHAFT/LEBEN ¦ Patricia Jungo ¦

 

Bedauerlicherweise hat in der letzten Zeit nicht nur der Applaus für Ärzte, Pfleger und Sanitäter zugenommen. Auch Gewalt richtet sich zunehmend gegen das Gesundheitspersonal. Die Zahlen, von welchen Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), in Kenntnis gesetzt wurde, überraschen ihn sehr.

 

Gegen Frauen und Männer, die im Gesundheitsbereich tätig sind, kam es laut IKRK seit März in 13 Ländern zu 208 Angriffen. Peter Maurer betonte gegenüber Reportern, diese Zahl sei deutlich höher als gewöhnlich und auch die Dunkelziffer liege bestimmt noch höher. Bei den Angriffen handelte es sich um Bedrohungen, Behinderung der Arbeit, körperliche Gewalt oder gar Niederbrennen von Gesundheitseinrichtungen. Das IKRK gibt deshalb die klare Botschaft, dass es nicht nur bei Applaus und Dankesreden für Ärztinnen, Pfleger und Sanitäter bleiben sollte. Besonders wichtig sei ein weltweit besserer Schutz des Gesundheitspersonals. Im gegenteiligen Fall bestehe die Gefahr, dass aus der Coronakrise eine Sicherheitskrise werde.

 

Auch während der Coronapandemie reisst die Kette von gewaltsamen Angriffen gegen Ärzte, Pflegepersonal und andere Gesundheitsberufe nicht ab. Darauf weisen der Weltärztebund (World Medical Association, WMA), das International Council of Nurses und die Organisation Physicians for Human Rights in einem aktuellen Kommentar in der Zeitschrift Lancet hin (DOI: 10.1016/ S0140-6736(20)31191-0).

„Ärzte, Krankenschwestern und andere Mitarbeiter an vorderster Front im Gesundheits­wesen wurden in vielen Ländern als Helden für ihre Arbeit während der COVID-19-Pandemie gefeiert. Doch nicht jeder schätzt ihre Bemühungen und Beiträge“, schreiben die Autoren des Beitrags. Die Gewalt richte sich in vielen Ländern gegen einzelne Ärzte und Pflegekräfte, so auch in den USA und Australien.

 

Angriffe auf Gesundheitspersonal und Gesundheitseinrichtungen seien aber auch eine „beklagenswerte Kriegstaktik“, die gegen internationale humanitäre und Menschen­rechts­gesetze verstoße. So bombardiere die syrische Regierung weiterhin Gesundheits­ein­richtungen in den von der Opposition kontrollierten Gebieten Nordwestsyriens.

„Angriffe auf Beschäftigte des Gesundheitswesens sind Angriffe gegen uns alle. Wir sind auf ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen angewiesen, damit sie weiterhin Einzelper­sonen, Familien und Gemeinschaften mit und ohne COVID-19 versorgen können“, schreiben die Autoren in dem Lancet-Kommentar.

In einigen Situationen während der COVID-19-Pandemie seien Angst, Panik, Fehlinfor­ma­tionen darüber, wie sich SARS-CoV-2 ausbreiten könne, und unangebrachte Wut wahrscheinlich die treibenden Kräfte für Gewalt gegen Ärzte und Gesundheitsfachkräfte.

 

Die Autoren vom aerzteblatt.de empfehlen:

  • Zunächst sollten alle Länder Daten über die Häufigkeit und die Art der Angriffe auf Gesundheitspersonal, auch im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, sammeln, um das Ausmaß des Problems vollständig zu verstehen und Interventionen zur Prävention und Reaktion auf die Angriffe zu konzipieren.
  • Zweitens sollten Kommunal- und Landesregierungen mit der Zivilgesellschaft, gemeindebasierten Gruppen und Medienorganisationen zusammenarbeiten, um wirksame Präventionsmethoden und Interventionen zu entwickeln.
  • Drittens sei wichtig, Fehlinformation und Desinformation über COVID-19 zu bekämpfen. „Weitverbreitete Fehlinformationen und Desinformationen über COVID-19, darunter auch Verschwörungstheorien, haben zur Dämonisierung bestimmter Gruppen beigetragen, auch von Mitarbeitern des Gesundheitswesens“, schreiben die Autoren. Regierungen, internationale Gremien und soziale Medien­unternehmen müssten ihre öffentlichen Informationskampagnen weiter verfeinern und ausweiten, um die Öffentlichkeit zu informieren und Fehlinformationen zu korrigieren. Wichtig seien klare und prägnante Informationen darüber, wie SARS-CoV-2 verbreitet werde und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse hinter den Gegenmassnahmen stünden.
  • Viertens fordern die Autoren eine Rechenschaftspflicht gegenüber jenen, die Gewalt gegen Gesundheitspersonal anwenden. „Gewalt gegen Gesundheits­personal sollte mit schnellen Reaktionen der Strafverfolgungs- und Rechtssysteme beantwortet werden. Die lokalen Strafverfolgungsbehörden müssen jeden gemeldeten Vorfall mit einem objektiven, evidenzbasierten Verfahren vollständig untersuchen. Die volle Rechenschaftspflicht für diese Verbrechen muss gewährleistet sein und die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden“, so die Autoren.
  • Fünftens sollten die Regierungen in die Sicherheit der Beschäftigten im Gesundheitswesen investieren. „Für den Schutz des Gesundheitspersonals und der Gesundheitseinrichtungen sind jetzt Finanzmittel erforderlich“, fordern die Autoren des Kommentars.
  • Ausserdem sollten sich die Berufsverbände, Gesellschaften und Organisationen des Gesundheitswesens zusammenschließen und sich mit Nachdruck gegen alle Akte der Diskriminierung, Einschüchterung und Gewalt gegen Beschäftigte des Gesundheitswesens aussprechen.
  • „Durch den Schutz des Gesundheitspersonals schützen wir unser wertvollstes Kapital im Kampf gegen COVID-19: Ärzte, Krankenschwestern, Notfallmedizintechniker, Medizin- und Beatmungstechniker, Laborpersonal und viele andere“, so die Autoren.

Sie stellen klar: „Diese Massnahmen müssen jetzt ergriffen werden.“

© hil/aerzteblatt.de

 

 

 

 

Quellen: 

  • srf news
  • aerzteblatt.de
  • https://www.icn.ch/
  • https://phr.org/

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