Der "Mohrenkopf"

DMZ – HISTORISCHES ¦ Walter Fürst ¦

 

Der Name Mohrenkopf wird für verschiedene mit Schokolade überzogene Kleingebäcke und Süsswaren verwendet. Im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm findet der Mohrenkopf  als «Biskuitgebäck mit Schokoladenüberzug» erstmals 1885 Erwähnung. Das bekannteste Gebäck unter diesem Namen ist eine süsse Klebrigkeit aus Eiweissschaum auf einer Waffel mit Schokoladenüberzug. Diesen Mohrenkopf gibt es seit den 1940er Jahren in der Schweiz. Mohrenköpfe (oder «Negerküsse») werden in Deutschland heute «Schokoküsse» genannt – in der Schweiz hält sich die ursprüngliche Bezeichnung sowohl in Firmennamen als auch in der Alltagssprache. 

 

Mohrenkopf steht aber auch (immer noch) für:

  • ein Schmuckstein der Turmalingruppe
  • ein Pokal aus dem Schatz der Sachsen
  • eine Bauart eines wassergekühlten Destillierhelms eines Destillationsapparates
  • ein Wappenbild (Heraldik)
  • ein Speisepilz, der Mohrenkopf-Milchling
  • ein stichelhaariges Pferd, der Mohrenkopfschimmel
  • eine Papageienart, Mohrenkopfpapagei
  • ein Schmetterling
  • ein Berg

Die Erfindung

Dass ein deutscher Konditor den Namen Mohrenkopf zu einer Zeit erfand, in der das Zweite Deutsche Kaiserreich (1871-1918) mit einer aggressiven Kolonialpolitik die einheimische Bevölkerung in Ost-, Südwest- und Westafrika unterwarf und Menschen aus den Kolonien in europäischen Städten in «Völkerschauen» vorgeführt wurden, ist dabei den Wenigsten bewusst.

 

Das Wort Mohr ist die älteste Bezeichnung für schwarze Menschen in der deutschen Sprache. Das althochdeutsche «mor» stammt aus dem lateinischen «maurus» (= Mauren) und wurde ursprünglich für Bewohnerinnen und Bewohner Mauretaniens und der ganzen nordafrikanischen Küste verwendet. Die Muslime der iberischen Halbinsel hiessen im mittelalterlichen Spanisch «moros» – Mauren. Im deutschen Sprachgebrauch wurde später zwischen «Maure» und Mohr unterschieden. Mauren war die gebräuchliche Bezeichnung für dunkelhäutige «Heiden» und Muslime, während Mohren als Begriff für Schwarze verwendet wurde. Im Englischen gibt es die entsprechende Unterscheidung zwischen «moor» und «blackamoor». Gemäss Oxford Dictionary bezeichnet letzteres eine Person mit schwarzer oder dunkler Hautfarbe und «moor» einen muslimischen Bewohner Nordwestafrikas arabischer oder berberischer Abstammung.

 

Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus schreibt auf ihrer Website dazu

"Im 20. Jahrhundert wurde der Begriff Mohr weitgehend durch «Neger» verdrängt. Er kommt aber in älteren literarischen Werken (wie der «kohlpechrabenschwarze Mohr» im «Struwwelpeter» von Heinrich Hoffmann aus dem Jahre 1845) vor und hält sich nach wie vor in der Lebensmittelindustrie (Mohrenkopf, «Sarotti-Mohr», «Mohr im Hemd»). In der Redewendung «Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen» (nach Friedrich Schillers «Verschwörung des Fiesco zu Genua») wird die dienende und untergebene Rolle von Mohren deutlich. Der Ausdruck Mohrenwäsche bezeichnet laut Duden (2001) den «Versuch, einen offensichtlich Schuldigen rein zu waschen» und weist auf die Assoziation von Mohr (und der Farbe schwarz) mit Schuld hin.

(© GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, 2015)"

 

Bei Wikipedia steht

"In Westösterreich, in der Schweiz und in Deutschland ist auch Mohrenkopf, in Deutschland auch Negerkuss verbreitet. „Schokokuss“ und (seltener) „Schaumkuss“ kommen vor allem in Mittelwest- und Südwestdeutschland sowie im Schriftdeutschen vor. In der DDR wurde als offizielle Produktbezeichnung Spreerosette benutzt. Als Mohrenkopf ist regional allerdings auch ein anderes Gebäck bekannt. In Österreich verfügen die Schwedenbomben von Niemetz über einen Bekanntheitsgrad von 94 %.

Die Bezeichnungen Negerkuss und Mohrenkopf werden in jüngerer Zeit wegen der rassistischen Konnotation der Ausdrücke Neger und Mohr im offiziellen Sprachgebrauch grösstenteils vermieden. Die Bezeichnungen werden aber zum Teil noch von den herstellenden Unternehmen bzw. Betrieben verwendet. Nach deutschem, österreichischem und Schweizer Lebensmittelrecht ist die Bezeichnung Schokokuss (und vergleichbare Namen, die auf Schokolade hinweisen) nur für Produkte zulässig, die mit echter Schokolade überzogen sind, nicht mit Fettglasur.

Die ersten Schokoküsse sollen um 1800 in Dänemark hergestellt worden sein. Im 19. Jahrhundert entstanden in Konditoreien in Frankreich „Tête de nègre“, auf Deutsch „Negerkopf“, hergestellt aus einer baiserartigen Masse und einem Schokoladenguss. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es sie dann auch in deutschen Konditoreien.

 

1920 begann Mayer Junior in Bremen mit der Fertigung dieser Spezialität in Deutschland und fertigt sie bis heute in kleinen Chargen. Aus der 1890 gegründeten Konditorei von Edmund Niemetz in Linz wurde 1930 die "Süsswarenmanufaktur Walter Niemetz". Hier wurde 1926 die Schwedenbombe entwickelt, so benannt nach einem aus Schweden stammenden Mitarbeiter. Sie werden unter anderem bis heute herstellt. In den 1940er Jahren stellte die Firma Köhler eine Variante des Schokokusses her, „Köhler’s Wunder-Mohren-Tüte“. Es waren Hörnchen mit einer Füllung aus „Köhlerküssen“, und in der Waffel waren lauter kleine Überraschungen versteckt. Köhler stellt heute über 20 Varianten von „Köhlerküssen“ her. Die ersten Schokoküsse in der DDR wurden vom VEB Grabower Dauerbackwaren gefertigt, der heute als Grabower Süsswaren firmiert. Die Massenproduktion in Deutschland begann um 1950."

 

Tradition seit 1981 - Café Restaurant Mohrenkopf

"Das Café Restaurant Mohrenkopf ist seit über 30 Jahren ein beliebter Treffpunkt im Herzen der Zürcher Altstadt an der Niederdorfstrasse 31. Die Einrichtung besticht mit einer guten Mischung aus zeitgemässem Design sowie Elementen der klassischen Kaffeehauskultur.  

Serviert werden täglich frische, hausgemachte Backwaren sowie Schweizer Spezialitäten und saisonale Angebote. Spezialitäten sind unter anderem die frisch zubereiteten Capuns ‚Sursilvans’, das saftige Pouletbrüstchen an hausgemachter Kräuterbutter oder natürlich die Hausspezialität; eine grosse Auswahl an hausgemachten Mohrenköpfen in diversen Variationen.

Das Café Restaurant Mohrenkopf ist das ganze Jahr über ab 08Uhr geöffnet für Frühstück, Mittagessen, Kaffee und Kuchen oder einem kühlen Apéro auf der Terrasse.

„Das «Mohrenkopf» ist eine Zürcher Institution.“ (Annabelle)" (Text Website Café Restaurant Mohrenkopf)

 

Heraldik

Der Mohr als Wappenbild wurde schon früh in die Heraldik eingeführt und wird als eine gemeine Figur bezeichnet. Der Mohr ist in vielen Wappenschilden und im Oberwappen vertreten. Beispiele sind das Wappen von Papst Benedikt XVI., des Hochstifts Freising oder das Wappen der Pappenheimer.

Dargestellt werden eine menschliche Figur oder Teile davon, besonders der Kopf. Gewählt wird die schwarze Farbgebung zur Kennzeichnung eines dunkelhäutigen Menschen. Männliche und weibliche Personen werden ins Wappen genommen, und diese erhalten oft blonde, also goldene, aber auch kurze schwarze stark gelockte Haare. Sie können gekrönt sein und beispielsweise im Oberwappen als Gecken oder im Rumpf erscheinen. 

 

Dubler "Mohrenköpfe"

Die Aargauer Firma Dubler stellt keine Schaumköpfe her und keine Schaumküsse, wie Migros, Coop oder Lidl. Die Firma aus Waltenschwil stellt explizit Mohrenköpfe her. Und dies seit 1946. Der geschwungene Schriftzug Dubler ist Liebhabern dieser Süssspeise ein Begriff, der ihnen höchsten Genuss verspricht.

Doch die Schaumköpfe, wie die mit Schokolade umhüllten Schaumbällchen heutzutage meist genannt werden, heissen bei Dubler eben: "Mohrenköpfe". Und bei diesem Wort zuckt der eine oder die andere zusammen. Darf man in Zeiten politischer Korrektheit sein Produkt noch so nennen? 

 

 

 

Quellen:

  • Auf das Schaumgebäck angewendet, soll der Begriff „Negerkuss“ seit den 1950er Jahren bekannt sein, für eine Biskuitkugel war er jedoch schon 1934 enzyklopädisch erfasst worden (Große Herder, Bd. 8, Sp. 540, Stichwort Mohrenkopf). So Jürgen Eichhoff: Zu einigen im 20. Jahrhundert entstandenen geographischen Unterschieden des Wortgebrauchs in der deutschen Sprache, In: Sprache und Brauchtum. Festschrift Martin, 1980, S. 170–173
  • Ulrich Ammon, Regula Nyffenegger: Variantenwörterbuch des Deutschen. Die Standardsprache in Österreich, der Schweiz und Deutschland sowie in Liechtenstein, Luxemburg, Ostbelgien und Südtirol. Walter de Gruyter, 2004.
  • Die Schwedenbombe hat für den Aufsichtsratschef noch viel Potenzial., S. 192
  • Ein Aufruf der Domain www.mohrenkopf.com wird auf www.dubler.net der Firma Robert Dubler AG aus Waltenschwil weitergeleitet.
  • Othmar Richterichs Mohrenköpfe in Laufen BL
  • M. Mahler: Schokocroissants & Co. – Alles Schokolade? Kenntlichmachung von schokoladeartigen Überzügen und Füllungen. Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe, 29. Februar 2012, abgerufen am 1. April 2014.
  • Österreichisches Lebensmittelbuch, Codexkapitel B 15 – Kakao- und Schokoladeerzeugnisse, Lebensmittel mit Kakaoerzeugnissen oder Schokoladen, Abschnitt 3.4.7 (online)
  • Gehaltsanalyse bei Gebäck mit Füllung oder Überzug aus Schokolade. (PDF, 1 MB) In: Jahresbericht 2006. Kantonales Labor Zürich, S. 75, abgerufen am 1. April 2014.
  • Schokokuss-Brötchen kontra Getreidebratling?: Schulcafés und gesunde Ernährung; Dokumentation eines Erfahrungsaustausches. Verbraucherzentrale Hessen, 1994
  • Wolfgang Horch: Der Kampf ums Negerkussbrötchen. In: Hamburger Abendblatt. 23. Juni 2009, abgerufen am 21. Juli 2016.
  • Bauanleitung für eine Wurfmaschine (PDF; 5 MB)

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