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Mohrenkopf-Gate - einige Stimmen, die unbedingt gehört werden sollten

 

DMZ – GESELLSCHAFT / LEBEN ¦ Walter Fürst ¦

 

Aktuell kommt man am "Mohrenkopf" nicht vorbei. Wir haben bereits eine Abhandlung veröffentlicht, wo das Wort überhaupt herkommt. Nun scheint der Moment gekommen, auch einige gewichtige Stimmen bei uns zu Wort kommen zu lassen.

Denn auf jeden Fall sei die Bezeichnung "Mohrenkopf" rassistisch, sagt klar Bernhard C. Schär. Bernhard C. Schär ist Kolonialhistoriker an der ETH Zürich. "Selbst im Idiotikon der Schweiz, dem wichtigsten Referenzwerk der Schweizer Mundartforschung, ist klar nachzulesen, dass der Begriff «Mohr» ein Synonym für «Neger» ist. Er steht für Menschen aus Afrika und wird im Zusammenhang mit Rückständigkeit und Schmutz verwendet." sagt er in einem Interview zu SRF.

 

Prominente melden sich zu Wort

Die Migros hat die Dubler-«Mohrenköpfe» wegen Rassismus-Vorwürfen aus ihren Regalen entfernt und andere Händler folgen. Eine vorschnelle Reaktion, die andere Lieferanten verunsichern könnte, sagt der Reputations-Experte Bernhard Bauhofer: "Unternehmen wie die Migros müssen sich neuen Verantwortungen stellen. Themen wie Nachhaltigkeit, Geschlechtergleichstellung und eben auch Rassismus müssen behandelt werden. Dabei geraten Unternehmen in die Schusslinie und ernten oft von beiden Seiten Kritik. Trotzdem finde ich, dass die Migros vorschnell gehandelt hat, als sie die Dubler-«Mohrenköpfe» aus dem Sortiment gestrichen hat. Das war taktisch nicht sehr klug, da es sich bei dem Markennamen um ein starkes Label handelt.", sagt er zu 20Min.

 

Auch Reda El Arbi (Journalist, Kommunikationsberater, Social Media-Dozent) hat sich zum Thema dahingehend geäussert, dass man leicht auf den Begriff «Mohrenkopf» verzichten könne, wenn man dadurch keine Menschen mehr verletze, die seit Kindheit mit diesem Ausdruck beschimpft wurden.

 

Auf seiner Blogseite Fadegrad berichtet er im Detail über die Reaktionen darauf. Weil wie immer sehr treffend auf Bildschirm gebracht, bringen wir an dieser Stelle seinen ganzen Bericht: "Und ich war überrascht, wie viel Rassismus durch Ignoranz oder Selbstgefälligkeit diese Aussage zutage kommen liess. Nicht durch die Leute, die noch aus Gewohnheit noch Mohrenkopf sagen. Das tu ich selbst, auch wenn ich es mir abgewöhnen will. Sondern durch die Leute, die ihre persönliche Freiheit, den Weiterbestand des Abendlandes, ihre kulturelle Identität und was weiss ich in Gefahr sehen, wenn sie den Haufen aus Fett, Zucker und Eiweiss nicht mehr kolonial-rassistisch benennen dürfen.

Und es ist nicht die Frage der Gewohnheit. Wir haben den Wechsel von Raider zu Twix überlebt, ohne dass irgendwer einen Aufstand machte. Dass dies bei Mohrenkopf anders ist, hat WIRKLICH damit zu tun, dass sich die Leute ihren Alltagsrassismus aus Ignoranz oder Selbstgefälligkeit nicht nehmen lassen wollen.

Es kamen jede Menge Beispiele, wie «dass man dann Weissbrot auch umbenennen müsste», und, und, und … Wer aber solche Vergleiche zieht, zeigt sich als Teil des strukturellen Rassismus, weil er die Tatsache des seit Jahrhunderten andauernden Rassismus gegen Schwarze einfach ignoriert. Leute, die denken, wenn sie auf diese Bezeichnung verzichten müssten, wäre das schon fast gleichwertig mit Rassismus.

Ein anderes Argument war, dass «man damit den Rassismus nicht überwindet». Schon klar. Aber man würde ihn dann nicht auch noch im Alltag durch einen Ausdruck weiterhin pflegen. Man setzt damit ein Zeichen, dass einem das Vorgehen gegen traditionelle, rassistische Muster wichtiger ist, als das Recht darauf, eine Süssspeise weiter mit abwertender Konnotation zu bezeichnen. Es wäre eine kleine Geste, ein winziger Schritt, um den nichtweissen Mitgliedern unserer Gesellschaft zu signalisieren, dass sie ernst genommen werden.

Die gleichen dämlichen Argumente kamen damals, als in Deutschland «Negerküsse» umbenannt wurden. Und käme es heute einem Schweizer in den Sinn, die Teile «Negerküsse» zu nennen? Nein, das wäre rassistisch, nicht? Aber die Schweizer Version ist es nicht?

Der Aufschrei der rechten und liberalen Mohrenkopf-Fraktion ist entlarvend und peinlich zugleich. Sie geben einen Scheissdreck drauf, wer verletzt wird, denken, sie würden ihre kulturelle Identität schützen und werfen sich in die Brust, als wolle man die Bundesverfassung ändern.

Also, fragt euch kurz: Ist mir der Ausdruck «Mohrenkopf» so viel wert, dass ich es in Kauf nehme, jeden schwarzen Menschen, der damit in der Schule, im Vorbeigehen, im Job, in der Badi und überall sonst schon beleidigt wurde, erneut zu verletzen? Und falls ja, fragt euch, warum ihr euren rassistischen Gewohnheitsscheissdreck so innig verteidigt. Wie viel Rassismus steckt in dieser Verteidigung, wenn man sein Recht auf «Mohrenkopf» höher gewichtet als die Verletzungen schwarzer Mitbürger?

Es ist so ein kleiner Schritt. Und wenn das schon zu viel verlangt ist, wie sollen wir dann echten Rassismus angehen? Und damit meine ich nicht den der Rechtsextremen und der Nazis, sondern unseren eigenen, unbewussten."

 

Knackeboul bittet auf seiner Facebook-Seite gar: "Leute, die all lives matter sagen oder weinen, weil Migros und Co endlich die Dubler ausräumen. Bitte enfolgen." Somit ist sein Standpunkt mit wenigen Worten klar gemacht.

 

Erfahrung löst Betroffenheit aus

Alon Renner (bekannter Musikagent) äusserte sich auf seiner Facebook-Seite wie folgt und löste bei Vielen grosse Betroffenheit aus: "Zur aktuellen Mohrenkopf Debatte möchte ich gerne folgendes beitragen: Ich erinnere mich an die RS und WK Geschichten meines Vaters aus den 50er und 60er Jahren. Da wurde das dargereichte Büchsenfleisch "gestampfter Jud" genannt. Mein Vater war als Kind im KZ Buchenwald. Er hatte den Holocaust überlebt, nur um Jahre später in der Schweiz auf die glorreiche Food Innovation "Gestampfter Jud" zu stossen. Kann jemand nachvollziehen, wie sich dies für meinen Vater angefühlt hat? Den "Mohrenkopf" mit "Wienerli", "Luxemburgerli" und "Berliner" zu vergleichen, die sich auf einen geographischen Ort beziehen, ist an der Thematik vorbeiargumentiert. Bei einer Namensgebung wie "Mohrenkopf" oder "Gestampfter Jud" macht man sich über eine Rasse, Ethnie, seinen Mitmenschen, etc lustig. Man erniedrigt ihn und gibt ihm das Gefühl weniger Wert zu sein. Es ist mir daher absolut unverständlich wie jemand das Wort "Mohrenkopf" allen Ernstes verteidigen kann. Und in diesem Zusammenhang auch noch von Tradition zu sprechen. Im Mittelalter haben wir Hexen verbrannt, dass war 1000 Jahre lang Tradition. Wir haben den Frauen in unserem Land das Wahlrecht erst 1971 gegeben. Bis dahin war es Tradition, die Frauen aussen vor zu lassen. Wir hatten das Konkubinatsverbot, unverheiratete Menschen durften Jahrzehntelang nicht zusammen wohnen. Auch dies war eine Schweizerische Errungenschaft. Nur weil man etwas hunderte von Jahren falsch macht, ist dies noch lange nicht richtig."  Genau solche Statements sind die wichtigen und richtigen. Bei der Flut an Unsinn, "Humor" und unglaublicher Dummheit im Zusammenhang mit dem "Mohrenkopf" ist es dringend notwendig den Bezug zur Realität wieder herzustellen. Von Menschen, die wissen, wovon sie sprechen.

 

Es bleibt zu hoffen, dass das Ganze ein würdiges Ende findet.


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