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Irland: Monumentale Grabanlagen und Hinweise auf Inzest-Dynastien

DMZ – WISSEN ¦ Patricia Jungo ¦

 

Nach Untersuchungen von verschiedenen Gräbern in Irland und entsprechenden Genanalysen von mehr als 40 dort Bestatteten stiessen die Forscher auf Übereinstimmungen, welche Hinweise auf inzestuöse Beziehungen liefern. Nicht nur Inzest in der damaligen Elite wurde durch die aktuellen Resultate bestätigt; sie lieferten gleichzeitig den bis heute ältesten Beweis für Trisomie 21.

 

Auf der irischen Insel scheinen bereits vor 5000 Jahren Dynastien geherrscht zu haben, wie man sie von ägyptischen Pharaonen und Gottkönigen der Inka kennt. Dazu gehörten auch monumentale Grabanlagen und Inzest zwischen den engsten Verwandten der Elite. Wie diese Machtstrukturen entstanden sind, rekonstruiert nun eine Genstudie im Fachblatt „Nature“. Dabei wird auch der früheste Nachweis für das Down-Syndrom etabliert. Die Studie lässt auch Schlüsse auf einen auf Jahrtausende alten tatsächlichen Begebenheiten basierenden irischen Mythos zu. In Irland gibt es Hunderte von „Passage Tombs“, also grosse Grabanlagen. Lange Gänge, unter grossen aufgeschütteten und in Randsteine gefassten Erdhügeln, führen in die Grabkammern. Die aus dem 4. Jahrtausend vor Christus stammenden Anlagen sind also sogar älter als die ägyptischen Pyramiden von Gizeh.

 

Newgrange gehört zum Unesco-Welterbe

Im Osten der Insel und nördlich von Dublin liegt die berühmteste dieser Anlagen; Newgrange. Sie zählt zum Unesco-Welterbe und entstand zwischen 3200 und 3000 vor Christus. Ihr Durchmesser beträgt 90 Meter und ihre Ausrichtung wurde bewusst so gewählt. Zur Wintersonnenwende bei Sonnenaufgang erreicht das Licht durch den gut 20 Meter langen Gang das innere des Kammergewölbes mit dem Altar. Bis anhin gab es nur wenige Informationen über die Erbauer von Newgrange, das etwa 500 älter als das englische Stonehenge ist. Genetiker Daniel Bradley vom Trinity College Dublin und sein Team gingen dieser Frage auf die Spur. Dazu analysierten sie die Genome von 42 Menschen dieser Zeit aus diversen Gräbern und von 2 Bewohnern der Insel vor jener Epoche. Es stellte sich dabei heraus, dass in verschiedenen Grossgräbern aus diversen Regionen Irlands – ausser Newgrange auch in Corrowkeel und Carrowmore im Nordwesten, teilweise entfernt verwandte Menschen zusammen begraben sind. Wie Erstautorin Lara Cassidy in einer Mitteilung des Trinity College berichtet, kann man auf eine mächtige, verzweigte Verwandschaftsgruppe schliessen, welcher der Zugang zu Grabanlagen der Elite in vielen Regionen der Insel während mindestens eines halbe Jahrhunderts offen stand. Ein in Newgrange bestattetes Mitglied dieser Gruppe erwies sich als besonders aufschlussreich: Bei den Eltern des Mannes handelte es sich um Verwandte ersten Grades; Geschwister, Eltern oder direkte Nachkommen. Bestimmte Herrscherdynastien wollten sich mit diesen sonst weltweit tabuisierten Inzest-Verbindungen ihren familiären Machtanspruch sichern. Jüngere Beispiele sind aus dem Alten Ägypten und von den Inkas bekannt.

 

Familienmitglieder als einzige würdige Partner

Das Prestige der Bestattungsform weist auf eine extreme Hierarchie hin, bei der einzig Partner der Elite-Familienmitglieder als würdig genug angesehen wurden. Die Isotop-Analysen der menschlichen Relikte gaben auch Aufschluss über die Ernährung der beigesetzten Menschen: Diese bestand aus viel Fleisch und tierischen Produkten; für die Forscher ein weiterer Hinweis für Wohlstand. Des weiteren ist zu erwähnen, dass der Inzest-Befund aus Newgrange an einen aus dem 11. Jahrhundert überlieferten Mythos erinnert. Danach wollte der königliche Erbauer der benachbarten Grabanlage Dowth den Sonnenkreislauf sicherstellen; dies durch Inzest mit seiner Schwester. Für das Team stellt sich aufgrund dieser Parallele zum Studienbefund die Frage, inwiefern mündliche Überlieferungen vier Jahrtausende überdauern könnten. Weiter liefert die Studie den frühesten Nachweis für das Down-Syndrom, die Trisomie 21; dies bei einem Jungen aus dem 5500 Jahre alten Megalith-Grab Poulnabrone im Westen der Insel. Laut Forscher handelt es sich also um einen Trisomie-21-Beleg, der etwa 4000 Jahre älter ist als der bisher früheste.

 

Verdrängung durch Bauern vor 6000 Jahren

Die Daten gaben den Forschern auch Informationen, wonach die frühe Bevölkerung Irlands, welche vom Jagen und Sammeln lebte, von einer zirka vor 6000 Jahren eingetroffenen Bauernpopulation fast vollständig vertrieben wurde. In den folgenden Jahrhunderten bildete sich mit diesen Neuankömmlingen die hierarchische Gesellschaftsform, deren Zeugnis die grossen Grabanlagen darstellen. Laut Alison Sheridan von den National Museums Scotland in Edinburgh hat die besagte Studie spektakuläre Ergebnisse an den Tag gebracht. Demnach habe die Wintersonnenwende für die frühen Bauern als entscheidendes Datum gegolten und es sei anzunehmen, dass die Inselbewohner vor 5000 Jahren von nah und fern zur dieser Feier gekommen seien. Die Studie liefere grundlegende Informationen und helfe massgebend für das Verständnis von früheren Gesellschaften.

 

 

Quellen:

  • Brú na Bóinne – World Heritage Site (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf heritagecouncil.ie (PDF)
  • Newgrange. Voices from the Dawn, abgerufen am 14. Juni 2015.
  • Cu Chulainn Champion of Ulster. discoveringireland.com, abgerufen am 15. Juni 2015. oder Doreen McBride: Louth Folk Tales. The History Press, Dublin 2015, ISBN 978-1-336-18471-8.
  • Robert Fischer: Die keltische Religion in Irland und ihre Beeinflussung durch die Christianisierung. (PDF) univie.ac.at, S. 14, abgerufen am 15. Juni 2015.

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