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Inkasso von Intrum Justitia: Drohen, einschüchtern und abkassieren

DMZ – GESETZ / RECHT ¦ Anton Aeberhard ¦

 

Das Wort Betreibung löst bei vielen Menschen Angst aus. Das beschreibt SRF heute in einer Meldung auf Ihrem Webauftritt. Mit diesen Ängsten operiert die Firma Intrum Justitia, welche bereits seit 10 Jahren in einem sehr schlechten Licht steht, deshalb empfehlen auch diverse Stellen auf derartige Schreiben gar nicht erst mehr einzugehen. Das Inkassobüro treibt für Versandhäuser, Telekommunikationsanbieter oder Ärzte offene Rechnungen ein. Mit unzimperlichen Methoden.

 

Die Firma Intrum Justitia ist in der Schweiz verschiedentlich in Kritik geraten, da die von der Firma von den Schuldnern verlangten Beträge gerichtlich nicht durchsetzbar sind. Dabei handelt es sich um Verzugsschaden nach Art. 106 OR, der verlangt wird, sowie um Rechtsberatungskosten. Diese Kosten sind gesetzlich umstritten und die Firma Intrum Justitia verlangt diese trotzdem. Diese Kosten müssen gesetzlich vom Schuldner nicht bezahlt werden, obwohl dies die Firma Intrum Justitia verlangt. Nur die 5 % Verzugszins sind gesetzlich zu bezahlen. Auch gab es verschiedene Klagen, wonach wegen Recherchefehlern Inkassoverfahren gegen die falschen Personen eröffnet wurden.

 

SRF schildert zwei unglaubliche Fälle aus der «Espresso»-Redaktion (Autorin: Gabriela Baumgartner)

 

 

«NEUVOLLZUG BETREIBUNG » stand in fettgedruckten Grossbuchstaben auf dem Brief, den Alice Casagrande aus dem Couvert zog. Absender ist das Inkassounternehmen Intrum Justitia. Die 76-jährige Frau wird aufgefordert, 2600 Franken für eine unbezahlte Spitalrechnung aus dem Jahr 1984 zu bezahlen. Zahlungsfrist: 10 Tage.

«Es ist entwürdigend, wie Intrum meine Mutter behandelt.»

Die verzweifelte Frau wendet sich an ihre Tochter. «Meine Mutter hat vier Kinder alleine grossgezogen», erzählt diese. «Eine Krankenkasse konnte sie sich schlicht nicht leisten». Alice Casagrande sei damals betrieben worden. Weil sie und ihre Kinder unter dem Existenzminimum lebten, wurde ein Verlustschein ausgestellt.

Seither habe man weder vom Betreibungsamt noch vom Spital je wieder etwas gehört. Und nun dieser Brief. Nach 30 Jahren. Nur schon das Wort «Betreibung» habe ihrer Mutter gefühlsmässig den Boden unter den Füssen weggezogen, erzählt ihre Tochter. «Meine Mutter hat gezittert und geweint. So etwas ist einfach entwürdigend.»

 

Betreibungsandrohung wegen einer Namensverwechslung

Intrum Justitia völlig ausgeliefert fühlte sich auch Urs Nauer. «DIE RECHTLICHEN SCHRITTE GEGEN SIE WERDEN BALD EINGELEITET», droht man ihm. 7767 Franken solle er für eine offene Sunrise-Rechnung bezahlen.

Urs Nauer fällt aus allen Wolken. Denn: Er war nie Kunde der Sunrise. In einem Brief will er der Intrum das Missverständnis erklären. Doch statt einer Entschuldigung bekommt Nauer die Aufforderung, eine Ausweiskopie einzuschicken. «Eine Frechheit», findet er.

Wer schiebt den Geldeintreibern endlich einen Riegel?

Intrum Justitia schreibt «Espresso», man habe einen Namensvetter von Urs Nauer im Visier gehabt. Es handle sich deshalb um ein normales Vorgehen, Ausweiskopien zur Identifizierung einzuverlangen.

Immerhin Sunrise hat sich in der Zwischenzeit bei Urs Nauer entschuldigt. Der kann die Entschuldigung aber nicht akzeptieren. «Solchen Firmen sollte man das Handwerk legen», fordert er.

 

Konsumentenschützer beissen bei Inkassobüros auf Granit

Tatsächlich bemüht sich die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) und die Féderation Romande des Consommateurs (FRC) seit Jahren darum, mit dem Inkassoverband verbindliche Richtlinien für ein faires Forderungsinkasso auszuarbeiten. Doch die Verhandlungen laufen harzig, weiss Jeanine Jakob, Juristin bei der SKS. Eine baldige Lösung sei nicht in Sicht.

 

So können Sie sich wehren

Die Konsumentenschützer hoffen deshalb auf die Politik. Ein Postulat will die furchterregenden Praktiken von Inkassobüros gesetzlich verbieten. Bis es aber soweit ist, dürften mindestens 2 Jahre verstreichen. In dieser Zeit müssen sich Konsumentinnen und Konsumenten selber wehren.

Konsumenten haben das Recht, ihre Daten bei Inkassobüros oder Bonitäts-Datenbanken löschen zu lassen. Ein solcher Musterbrief befindet sich auf der Website der SKS.

Sollte die Inkassofirma nicht darauf eintreten, so hat man die Möglichkeit, den eidgenössischen Datenschutzbeauftragten zu kontaktieren.

 

Seit Jahren bereichern sich Inkassobüros unerlaubterweise an Schuldnern über den sogenannten Verzugsschaden. Die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) begleitete verdeckt einen Fall, in welchem von einem säumigen Schuldner nebst dem geschuldeten Rechnungsbetrag dieser horrende Zusatzbetrag verlangt wurde. Die Intervention der SKS zeigte Wirkung und das Inkassobüro (Intrum Justitia) verzichtet auf das Eintreiben des Betrages. Somit hat das Unternehmen zugestanden, dass seine Verzugsschadenpraxis illegal ist.    

 

 

 

Quelle:

  • SRF
  • konsumentenschutz.ch: SKS mahnt erfolgreich gegen die Inkassofirma Intrum Justitia
  • ktipp.ch: Intrum Justitia spielt ein unfaires Spiel
  • Matieu Klee: In den Mühlen der Justitia in Beobachter

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