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Covid-19 - Neue Studie: Abstand könnte nutzlos sein

Dr. John Lednicky
Dr. John Lednicky

DMZ – MEDIZIN / WISSENSCHAFT ¦ Walter Fürst ¦

 

Die Hinweise verdichten sich, dass Sars-CoV-2 auch durch winzige Aerosole über grössere Distanzen übertragen wird. Dies scheint eine neue Studie zu bestätigen. Erstmals wird nachgewiesen, dass infektiöse Sars-CoV-2-Viren sich über mehrere Meter in der Luft fortbewegen. Allerdings ist noch offen, ob diese auch tatsächlich einen Menschen krank machen können. Dennoch sprechen Forscher bereits von einem Durchbruch.

 

Hinweise dafür gibt es einige, etwa Massenansteckungen in grossen und schlecht belüfteten Räumen. Hauptverdächtige dabei sind Aerosole - Tröpfchen kleiner als fünf Mikrometer, also nur etwa ein Zehntel des Durchmessers eines menschlichen Haares. Anders als in grösseren Tröpfchen, die aus Mund oder Nase nach kurzer Distanz zu Boden fallen, soll das Coronavirus Sars-CoV-2 in diesen Aerosolen förmlich durch die Luft schweben können.

 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte Anfang Juli bereits die mögliche Übertragung von Sars-CoV-2 durch Aerosole anerkannt. Mitte Juli haben insgesamt 239 Wissenschaftler aus 32 Ländern eine wichtige Veröffentlichung unterstützt: „Es ist an der Zeit, sich mit der Aerosol-Übertragung zu befassen“. Darin appellieren sie an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und andere medizinische Behörden, die Aerosol-Übertragung ernst zu nehmen und Massnahmen anzupassen.

Durch Aerosole könne sich das Virus über eine weitaus grössere Distanz als die empfohlenen ein bis zwei Meter Mindestabstand verbreiten. Besonders in geschlossenen Räumen sei das Risiko gross. Dort reichten die bisher ergriffenen Massnahmen wie der Mindestabstand und das Desinfizieren der Hände nicht aus. Aber auch wenn viele die Aerosole für schuldig halten - bisher fehlte der letzte Beweis. "Ob Sars-CoV-2 durch die Luft übertragen werden kann oder nicht, war bisher umstritten", sagte John Lednicky, Mikrobiologe von der University of Florida dem US-Fernsehsender CBS. Eine neue Studie, die Lednicky zusammen mit Kollegen durchgeführt hatte, könnten nun jedoch Licht ins Dunkel bringen.

 

Denn den US-Forschern ist es gelungen, Aerosole mit lebensfähigen Viren aus der Luft zu filtern, die zuvor bereits eine Strecke von mehreren Metern zurückgelegt haben müssen. Andere Forscher sprechen angesichts der Entdeckung sinnbildlich bereits von einer "Smoking Gun", also der noch rauchenden Schusswaffe des Täters, die ihn der Tat überführt.

 

Die Forscher um Lednicky hatten auf einer Covid-19-Krankenstation zwei Luftprobensammler in der Nähe der Patienten installiert. Einen davon in etwa zwei Metern, den anderen in fast fünf Metern Entfernung. In beiden konnten die Erreger einfangen werden - im Labor zeigte sich später, dass diese Viren auch in der Lage waren, Zellen zu infizieren.

Bei der Studie handelt es sich um ein Preprint, das noch nicht die übliche Prüfung durch Fachkollegen durchlaufen hat. Dennoch sind die Reaktionen anderer Wissenschaftler bereits euphorisch: "Wenn das keine 'Smoking Gun' ist, dann weiss ich nicht, was es ist", twitterte etwa Linsey Marr, eine US-Expertin, die zwar nicht an der Studie beteiligt war, sich aber mit der Übertragbarkeit speziell auch von Sars-CoV-2 durch die Luft beschäftigt. Denn nicht nur wurden lebensfähige Viren aus der Luft gefischt - bei einem Gen-Abgleich konnten diese auch einem jener Patienten zugeordnet werden, der sich im Raum aufhielten.

 

 

Sollte Sars-CoV-2 tatsächlich mehrere Meter durch die Luft übertragbar sein, würde dies die Bedeutung von Abstandhalten infrage stellen, oder zumindest die gebotene Distanz von mindestens 1,5 Metern - allerdings nur in Innenräumen. Denn Aerosole sind so leicht, dass es als wahrscheinlich gilt, dass sie im Freien rasch so stark verteilt werden, dass von ihnen keine Gefahr mehr ausgeht. In einem Büroraum jedoch könnten sich Aerosole innerhalb von Minuten im ganzen Raum verteilen, erklärt Martin Kriegel, Experte für Energie- und Lüftungstechnik an der TU Berlin in der "Wirtschaftswoche".

 

 

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