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Demo in Berlin vereint viele Randgruppen - gemeinsamer Nenner haben diese unterschiedlichen Gruppen nur einen: Gewalt, Unvermögen und Wut

DMZ – INTERNATIONAL ¦ Walter Fürst ¦

KOMMENTAR 

 

«Widerstand» skandieren die Menschen, die am Samstag in Berlin gegen die Corona-Politik protestieren. Die meisten sind ohne Masken gekommen, viele ignorieren den Mindestabstand. Die Polizei reagiert und löst die Demo auf. Es kam zu Protesten, Gewaltakten und Verhaftungen. Esoteriker, Impfgegner, Globulijünger, Esotheriker, Schüsslersalzmänner- und frauen,  Verschwörungsideologen vereint mit AfD und Rechtsextremisten und andere Randgruppen rennen gegen die Regierung.

Einige Schlagzeilen zum unsäglichen Event mit nur einem gemeinsamen Nenner: Gewalt, Unvermögen und Wut:

  • Heftige Auseinandersetzungen vor russischer Botschaft – 200 Festnahmen
  • Polizei und Rechtsextreme geraten aneinander 
  • Hubschrauber im Einsatz
  • Die Polizei nimmt Vegankoch Attila Hildmann in Gewahrsam bei einer Demonstration gegen die Corona-Massnahmen
  • Heiko Schöning (Ärzte für Aufklärung) tritt an Hauptveranstaltung auf und bewirbt direkt 30 Sekunden nach Beginn der Rede sein Buch
  • Polizei verhindert Sturm auf den Reichstag 

Gewalt, Angriffe, Aggression...

Aus Protest gegen die Auflagen zum Schutz vor der Corona-Pandemie haben sich in Berlin laut Polizei rund 18.000 Menschen versammelt. Die Polizei liess einen geplanten Demonstrationszug durchs Stadtzentrum am Samstagmittag (29. August 2020) aber nicht starten, weil die Mindestabstände zum Infektionsschutz nicht eingehalten wurden und die Demonstranten überwiegend auch keine Alltagmasken trugen. Gegen die Pflicht, Mund und Nase in der Öffentlichkeit zu bedecken, gegen Abstandsregeln, gegen die Aufrufe zur verstärkten Handhygiene, gegen die Verbote von Grossveranstaltungen. Aus der Sicht der Demonstranten sind das unerträgliche Einschnitte in die persönliche Freiheit, für etliche von ihnen sogar Symptome einer Diktatur. Aber viele sind aus anderen Gründen vor Ort und nutzen den Trend dieser Randgruppen - für Gewalt, Angriffe, Aggression...

 

Polizei verhindert Sturm auf den Reichstag 

Es kam erwartungsgemäss auch zu Ausschreitungen. Im Vorfeld wurde teilweise zur Gewalt aufgerufen. Am Abend durchbrachen mehrere hundert Menschen - augenscheinlich aus dem rechtsextremen Milieu, aus der Reichsbürgerszene und vom AfD-Nachwuchs „Junge Alternative“ - eine Absperrung am Reichstagsgebäude und stürmten die Treppe hoch bis vor den Eingang. Die wenigen dort eingesetzten Beamten konnten sie nur unter Einsatz von Gewalt und Pfefferspray zurückdrängen. Die Polizei Berlin konnte sich am Abend nicht dazu äussern, wie es zu dieser Lage kommen konnte. Mit Demokratie oder Demokratieverständnis haben solche Situationen nichts zu tun. Und die meisten Teilnehmer dieser Demo haben auch nichts am Hut mit den paar wenigen Corona-Leugnern sondern nutzten den Event als Sprungbrett für ihre Interessen. Den Corona-Leugnern war's egal, denn sie sind sich sicher, dass die gefühlt 2 Milliarden Menschen nur genau wegen ihren abstrusen Ideen dort versammelt waren (kurzer Aussetzer - sorry).

 

Auch eine Polizeisprecherin bestätigte gegenüber dem Tagesspiegel, dass eine grössere Gruppe von Menschen versucht hat, das Reichstagsgebäude zu stürmen, und es geschafft habe, bis auf die Auffahrt zu gelangen. Dort seien die Menschen von den Einsatzkräften abgedrängt worden. Es seien auch Steine und Flaschen auf die Einsatzkräfte geworfen worden. Bei den Personen soll es sich um Teilnehmer der "Querdenken"-Kundgebung am Grossen Stern handeln. 

 

2000 bis 3000 Rechtsextremen und Reichsbürgern

Irgendwann am Nachmittag zerfällt die Grossveranstaltung der Anti-Corona-Demonstranten in Berlin in zwei Welten. Östlich vom Brandenburger Tor, auf dem Boulevard Unter den Linden, ist die Stimmung geladen, ja, gewaltbereit. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) berichtet am frühen Abend von 2000 bis 3000 Rechtsextremen und Reichsbürgern, die sich vor der Russischen Botschaft Gefechte mit der Polizei lieferten. Es gäbe sieben verletzte Polizisten und alleine hier 200 Festnahmen; auch der Verschwörungsanhänger Attila Hildmann wird abgeführt. Wenig später versucht eine Gruppe von Randalieren, in den Reichstag einzudringen, wird aber von der Polizei gestoppt.

 

Westlich vom Brandenburger Tor erinnert die Veranstaltung an ein Woodstock-artiges Sit-In. Tatsächlich sind es auch zwei Demonstrationen, angemeldet von zwei unterschiedlichen Personen. Es sind junge und alte Männer und Frauen, Hippies darunter, manche haben im Tiergarten direkt daneben kleine Lager aufgeschlagen, Kinder spielen dort. 

Über mehrere Lautsprecher ruft Ballweg seine Mitstreiter von der Bühne neben der Siegessäule auf, die Hand aufs Herz zu legen. "Mit der Hand auf dem Herzen setzen wir ein Zeichen für Liebe und Frieden in der Welt", sagt er. Und viele machen mit. Zwischendurch gibt es immer wieder eindringliche Ermahnungen, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Sonst würde die Veranstaltung von der Polizei geräumt. Denn Masken will hier keiner tragen.

Ballweg hat eine sanfte Stimme und er wählt sanfte Worte. Doch was er fordert, ist hart, er will nicht weniger als die Regierung zu stürzen. "Wir fordern die Abdankung der Bundesregierung", ruft er. Seine Anhänger applaudieren heftig. 

 

"Wir sind das Volk. Wir bleiben hier"

Im Osten der Demonstration hingegen geht es wesentlich ruppiger zu. Die Veranstaltung Unter den Linden rund um die Ecke zur Friedrichstrasse wird bereits um 13 Uhr von der Polizei für aufgelöst erklärt. Die Protestierenden haben sich trotz mehrfacher Ermahnung nicht an den Sicherheitsabstand gehalten und geweigert Masken aufzusetzen. "Der Versammlungsleiter hat keine Möglichkeit mehr, auf Sie einzuwirken", wiederholt die Polizei mehrmals über Lautsprecherwagen. "Die Versammlung ist aufgelöst." Doch die Menschen hier wollen nicht gehen. "Wir sind das Volk. Wir bleiben hier", rufen Organisatoren und Anhänger. Wie ein kleiner Haufen von Menschen das Gefühl entwickeln kann, dass es sich dabei um das "Volk" handelt, steht wohl nur in der VT-Agenda erklärt.

 

Kleiner Trost

 

Das Kalkül der rechten Gruppen, sich mit den Sympathisanten von Querdenken zu mischen, geht nicht wirklich auf. Sie haben ihre Bühne vor dem Reichstag aufgebaut, aber es sind nur wenige hundert Menschen, die ihnen zuhören. 


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