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Finnlands Babybox

DMZ – GESELLSCHAFT/LEBEN ¦ Patricia Jungo ¦

 

In Finnland gibt es eine schon fast 80 Jahre alte Tradition: Der Staat schenkt frisch gebackenen Müttern eine Kartonbox. Darin befindet sich alles, was man für den gelungenen Start mit Baby so braucht: Kleider, Tücher, Badeprodukte, Windeln, Schlafsack, Bettwäsche und Spielwaren. Die Babybox gehört in Finnland mittlerweile fest zur Kultur und ist ein Bestandteil des Mutterwerdens.

 

Jede werdende Mutter entscheidet selber, ob sie die Babybox möchte oder lieber einen Geldbetrag. Gewählt wird meist die Box; dies wohl wegen des höheren finanziellen, aber auch emotionalen Wertes. Entstanden ist diese liebenswerte Tradition in den 1930er-Jahren. Die Grundidee dabei war, dass jedes Kind unabhängig vom finanziellen Hintergrund seiner Eltern einen gleichberechtigten Start ins Leben bekommen sollte. So war die Box zu Beginn auch nur für die bedürftigen Familien gedacht. Erst 1949 änderte man die Bestimmungen und allen werdenden Eltern wurde mit ihren Kindern ein guter Start ermöglicht. Zu diesem neuen Recht gesellte sich aber auch gleich eine neue Pflicht: Wer die Babybox haben wollte, musste zwingend noch vor der vierten Schwangerschaftswoche einen Arzt oder eine pränatale Klinik aufsuchen. Dies ermöglichte es die Frauen mit den nötigen Sachen für ihr Baby zu versorgen und gleichzeitig auch die Betreuung der Frauen durch Ärzte und Krankenschwestern während der Schwangerschaft sicherzustellen.

 

Die Babybox enthält neben den vielen nützlichen Geschenken ebenfalls eine Matratze, welche man auf den Boden der Kartonbox legen kann. Die Transportbox kann so ganz einfach zu einem kuschligen Schlafplatz für Neugeborene werden. Finnland gehörte in den 30-er Jahren zu den armen Ländern und wies eine hohe Kindersterblichkeit auf; von 1000 Kindern starben durchschnittlich 65. Diese Sterberaten verbesserten sich nach der Einführung der Babyboxen massiv. Mika Gissler, Professor am nationalen Institut für Gesundheit und Sozialstaat in Helsinki, sagte gegenüber dem BBC Magazin, er sehe mehrere Gründe für die sinkende Kindersterblichkeit: Das Problem wurde deutlich besser seit der Einführung der Babybox und der ärztlichen Betreuung der Schwangeren vor der Geburt. Aber auch das in den 60ern eingeführte nationale Krankenversicherungssystem und ein zentralisiertes Spitalnetzwerk trugen deutlich zur Verbesserung der Überlebenschance für die Neugeborenen bei. Natürlich ist der Inhalt der Box nicht mehr ganz derselbe wie zu Beginn. Damals fanden die Mütter auch Stoff darin, mit dem sie die Babykleider selber nähten. Da sich der Bedarf an Baumwollen während des zweiten Weltkrieges stark erhöhte, ersetzte man einen Teil des Materials durch Bettwäsche aus Papier und Wickeltücher. 1969 entdeckten die frischgebackenen Mütter erstmals wegwerfbare Windeln in der Babybox, welche später aber aus Umweltgründen wieder durch Stoffwindeln ersetzt wurden. Weiter war es auch Bestreben des Finnischen Staates, Mütter vermehrt zum Stillen zu motivieren. Daher wurden ab einem gewissen Zeitpunkt Babyflaschen und Nuggis aus der Box entfernt. Die Stillrate bei Müttern stieg wieder und der Plan hatte bestens funktioniert. Auch die positiven Effekte der Bilderbücher, die beigelegt werden, sind unumstritten. Den Kindern wird so ein erleichterter Zugang zu Büchern verschafft, was sie im besten Fall später auch vermehrt zum Lesen anregen könnte.

 

Für sehr viele Menschen ist die Box wirklich Teil der finnischen Kultur und ein wichtiges Symbol der Gleichberechtigung und der Wertschätzung von Kindern.

 

 

Quelle: www.familienleben.ch


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